Digimon Fan Fiction ❯ Would You Cry? ❯ Would You Cry? ( Chapter 1 )

[ T - Teen: Not suitable for readers under 13 ]

 
 
Titel: Would You Cry?
 
Autor: Ailendolin
 
Disclaimer: Mir gehört Digimon nicht, ich besitze auch nicht die Rechte an Kouji, Takuya oder einem der anderen hier erwähnten Personen. Alles ist frei erfunden und dient lediglich der Unterhaltung.
 
Inhalt: Kouji fühlt sich von seinem Bruder vergessen, seitdem dieser mit Izumi zusammen ist. Takuya findet Kouji eines Abends allein im Park und zeigt ihm, dass es immer noch Menschen gibt, denen er etwas bedeutet. One-Shot; Takouji
 
Rating: PG-13, nur um sicher zu gehen.
 
A/N: Okay, das ist nun meine dritte Takouji und sie liegt mir sehr am Herzen. Ich habe vor kurzem ähnliches erlebt wie Kouji in der Geschichte mit meiner besten Freundin und das war für mich auch der Anlass zu dieser Story. Viel mehr kann ich dazu nicht sagen, außer, dass ich eventuell, wenn die Nachfrage besteht, eine Fortsetzung hierzu schreibe. Mit dem Gedanken spiele ich schon eine Zeit lang, da die Story schon seit ca. einem Monat fertig ist. Na ja, mal sehen.
Die Hauptcharas sind Takuya und Kouji. Kouichi hat eine Art Gastauftritt, wird aber sonst nicht mehr auftreten. Allerhöchstens in einem Sequel. Auch Izumi, Junpei und Tomoki werden nicht auftreten, da sie hier überflüssig sind. Das ganze spielt ca. 5 Jahre nach den Ereignissen in der Digiwelt. Dementsprechend sind Takuya und Kouji schon 16 Jahre alt.
 
Warnungen: Shonen-Ai; Takuya x Kouji und Angst! Wer also damit nicht klar kommt oder eine Abneigung dagegen hat, sollte jetzt besser den kleinen Pfeil oben links drücken. Außerdem sind die Charaktere glaube ich OOC. Kann das nie so ganz abschätzen. Izumichi (Kouichi x Izumi) wird auch des Öfteren erwähnt.
 
Legende:
"lalala" - Wörtliche Rede
'lalala' - Gedanken
 
Namen der Digiritter (links Japanisch und rechts Englisch bzw. Deutsch)
Kanbara Takuya - Takuya Kanbara
Minamoto Kouji - Koji Minamoto
Orimoto Izumi - Zoe Orimoto
Shibayama Junpei - J.P. Shibayama
Himi Tomoki - Tommy Himi
Kimura Kouichi - Koichi Kimura
 
 
 
Would You Cry?
 
"Hey Kouichi! Hast du heute eventuell Zeit? Ich dachte mir, wir könnten mal wieder was unternehmen ..."
In der Stimme klang Hoffnung mit.
"Sorry, Kouji, aber Izumi und ich gehen gleich ins Kino."
"Oh ... na dann will ich euch mal nicht stören. Viel Spaß euch beiden."
Die Stimme klang ehrlich, doch sie hörte sich nur so an. Hätte man genau hingehört, hätte man das Zittern in den Worten hören können ... doch niemand hörte genau genug.
"Danke! Du, ich muss los, sonst komme ich zu spät. Vielleicht klappt es ja ein ander Mal."
Und damit legte der schwarzhaarige Junge am anderen Ende der Leitung auf.
 
Noch immer hielt Kouji den Telefonhörer in der Hand, aus dem mittlerweile nur noch ein unangenehmes Tuten kam.
"Ja ... vielleicht."
Die Worte waren nur geflüstert, dennoch erschienen sie unheimlich laut in dem Zimmer des Sechzehnjährigen. Eine kleine Träne fiel leise auf den Telefonhörer, als der langhaarige Junge ihn sanft auf das Telefon zurück legte.
"Warum?"
Wieder nur ein Flüstern, doch dieses eine Wort beinhaltete so viel mehr, als das zuvor Gesagte. Es schrie vor Verwirrung, weinte vor Verzweiflung und war mehr als alles andere eine Anklage.

Erschöpft ließ sich Kouji auf sein Bett fallen. Alles lief seit Monaten nur noch schief. Seit dem Zeitpunkt, an dem Izumi und sein Bruder Kouichi zusammengekommen waren, hatte sich alles verändert. Am Anfang war es noch in Ordnung gewesen, da hatte sein Bruder die Zeit gerecht aufgeteilt. Doch nach und nach waren die Treffen mit Kouji weniger geworden und die mit Izumi hatten zugenommen.
 
'Eigentlich müsste ich ihn gar nicht mehr fragen, ob er Zeit hat', dachte Kouji verbittert.
'Ich sollte ihn eher fragen, was er denn an einem so wunderschönen Tag mit Izumi macht ...'
Der schwarzhaarige Junge sah aus dem Fenster. Es hatte zu schneien begonnen und langsam aber sicher bildete sich eine weiße Schicht auf der Erde. Aber das Wetter kam Kouji gerade recht. Schon immer hatte er es geliebt im Schnee spazieren zu gehen. Es faszinierte ihn immer wieder aufs Neue, wie die weißen Flocken es jedes Jahr schafften, die Welt für kurze Momente wieder rein und unberührt aussehen zu lassen. Alles kam in diesen besonderen Augenblicken zur Ruhe und kaum jemand wagte es die Schönheit des Schnees zu zerstören.
 
Kurzentschlossen stand Kouji auf und verließ sein Zimmer. Im Flur zog er sich seine Schuhe und Jacken an und schrieb seinem Vater und seiner Stiefmutter ein paar Sätze auf einen Zettel, in denen er erklärte, dass er an die frische Luft gegangen sei und einen Spaziergang machen würde und sie sich keine Sorgen zu machen bräuchten. Den Zettel legte er auf den Boden vor die Tür, damit seine Eltern ihn ja nicht übersehen konnte und wenige Augenblicke danach verließ der langhaarige Junge schon fast fluchtartig die Wohnung. Sein Schal und seine Handschuhe lagen vergessen in der Kommode, doch es machte ihm nichts aus. Er merkte es noch nicht einmal.
 
Langsam ging er die die verlassenen Straßen Shibuyas. Schon bald merkte er, warum kein Mensch freiwillig bei diesem Wetter außerhalb seiner warmen Wohnung war. Mehrmals rutschte er auf Schnee oder eisglatten Wegen aus, doch es störte ihn nicht - genauso wenig wie die Tatsache, dass seine Hose durch das viele Hinfallen schon ganz durchnässt war.
Kouji hatte sich völlig von der Außenwelt abgeschottet. Die tanzenden und herumwirbelnden Schneeflocken waren das einzige, was er noch bewusst wahr nahm. Er war so in Gedanken versunken, dass er gar nicht registrierte, dass er den Stadtpark erreicht hatte. Normalerweise spielten Kinder auf dem vor ihm liegenden Spielplatz, doch nun war die ganze Gegend verlassen und das sonst immer präsente Kinderlachen war verstummt.
 
Ohne sich seiner Bewegung wirklich bewusst zu sein, setzte sich Kouji auf eine der sich sanft im Rhythmus des Windes schwingenden Schaukeln. Seine Augen richteten sich zum Himmel und erneut suchte sich eine einsame Träne den Weg über seine Wange.
Einsam ... genau das war das Wort, das ihn zeit seines Lebens immer wieder verfolgt hatte und nie aufzugeben schien - bis er Ophanimons Aufforderung gefolgt und in die Digiwelt gegangen war. Dort hatte er Freunde gefunden - die erste wahren Freunde in seinem Leben - und seinen Bruder.
 
"Kouichi ..."
Der Wind trug sein Flüstern fort. Traurig senkte der schwarzhaarige Junge wieder den Kopf und blickte auf den gefrorenen Boden. Er vermisste seinen Bruder. Er vermisste Kouichi so sehr, dass es schon fast weh tat. Es kam ihm vor, als hätte sein eigener Bruder ihn vergessen und würde seine Gefühle nicht mehr beachten, seit er mit Izumi zusammen war. Dennoch war Kouji nicht eifersüchtig auf Izumi; er war einfach nur schrecklich traurig, dass sein Bruder ihn so schnell vergessen hatte.
 
Und er hatte Angst: Angst, dass alles wie früher werden würde. Angst davor, wieder ganz alleine zu sein, ohne irgendwelchen Halt. Dabei war das das Letzte, was er wollte. Er wollte nicht wieder jeden Tag Depressionen verfallen und sich einsam fühlen. Es war schwer genug, einmal aus dem tiefen schwarzen Loch zu klettern, das er sein Leben genannt hatte - ein zweites Mal würde er es nicht schaffen. Doch wie konnte er seinen unweigerlichen Fall aufhalten, wenn sein eigener Bruder noch nicht einmal bemerkte, dass es ihm schlecht ging?
 
Weitere kleine silberne Tränen perlten an seinen Wangen ab und zersprangen auf dem eiskalten Boden. Sie hinterließen brennend nasse Spuren auf seinem Gesicht, die durch den Wind anfingen zu schmerzen. Doch auch das spürte er nicht. Es war, als hätte seine Seele seinen Körper verlassen und nahm nur noch als stummer Beobachter an dem ganzen Geschehen teil.
 
Er wollte doch einfach nur, dass Kouichi wieder mehr Zeit mit ihm verbrachte - war das etwa schon zu viel verlangt?
'Wahrscheinlich schon, wenn man Minamoto Kouji heißt ...', dachte er bitter.
Aber es war nicht fair! Es war verdammt noch mal nicht fair! Wieso musste er immer allein sein? Würde es überhaupt jemanden interessieren, wenn er sich hier draußen auf dieser Schaukel zu Tode frieren würde?
Er hatte mal gehört, dass man weder Mensch noch Tier töten dürfte, weil es immer jemanden gäbe, der um einen weint. Würde jemand um ihn weinen?
 
Gedämpft hörte er, wie etwas entfernt eine Plastiktüte fallen gelassen wurde und jemand mit schnellen Schritten auf ihn zugelaufen kam. Doch er bewegte sich nicht. Noch immer fixierten seine Augen den Punkt auf dem mit Schnee überzogenen Boden, an dem seine erste Träne zerbrochen war. Würde er genau so zerbrechen?
 
Plötzlich störte etwas sein Blickfeld. Ein Schuh hatte sich auf die Stelle gestellt, die er eben noch beobachtet hatte. Jemand sprach mit ihm, doch Kouji konnte die Worte nicht verstehen; wollte sie nicht verstehen. Erst, als sich warme Finger unter sein Kinn legte und seinen Kopf sanft anhoben, verschwamm seine Gedankenwelt und ihm wurde seine Umgebung wieder vollends bewusst. Jetzt konnte er auch die Kälte spüren, die sich langsam und erbarmungslos in ihn hineingefressen hatte und ihn nun nicht mehr loslassen wollte. Zitternd und verwirrt blickte der Schwarzhaarige in warme, Besorgnis ausstrahlende braune Augen.
 
"Kouji, was machst du hier?"
Takuyas Stimme klang besorgt, dennoch war sie sanft und leise. Er sprach, als würde er versuchen mit einem verstörten Kind zu reden - und viel mehr war Kouji in diesem Moment auch nicht.

"Nichts ... gar nichts ...."
Die Antwort war nicht viel mehr als ein Flüstern, doch Takuya verstand sie genau. Koujis Augen wandten sich von den braunen des anderen Jungen ab und blickten wieder betrübt auf den Boden. Ein Seufzen war zu hören und kurze Zeit später hockte sich Takuya vor Kouji auf den Boden, um ihm wieder in die Augen sehen zu können.
 
"Hey ... was ist denn los?"
Sanft und mit aufrichtiger Besorgnis sah er Kouji an, doch dieser schüttelte nur leicht den Kopf.
"Nichts ... gar nichts ist los ..."
Koujis Stimme klang monoton, wie als würde er mit sich selbst reden. Takuya stand wieder auf und wenige Momente später wurde etwas Warmes um Koujis Schultern gelegt. Erschrocken blickte der Schwarzhaarige auf und sah fragend in Takuyas warm lächelndes Gesicht.
"Du hast gezittert", war die einfache Erklärung dafür, dass der Braunhaarige seine Jacke ausgezogen und sie Kouji zum Aufwärmen gegeben hatte. Takuya hielt ihm die Hand auffordernd entgegen.
"Komm ... wir gehen jetzt erst mal zu mir. Da kannst du dich aufwärmen. Wenn wir noch länger hier draußen bleiben, holst du dir noch den Tod."
 
Einen Augenblick zögerte Kouji noch. Sollte er wirklich mit Takuya mitgehen? War er nicht hierher gekommen, um alleine zu sein und nachdenken zu können? Aber Takuya sah ihn so erwartungsvoll an - und kalt war es tatsächlich hier draußen.
Unsicher ergriff der Schwarzhaarige die ausgestreckte Hand und wurde von der Schaukel auf seine Füße gezogen. Doch schon im nächsten Moment gaben seine Beine nach und er wäre gefallen, hätte Takuya nicht schnell genug reagiert und ihn auf den Beinen gehalten. Dieser beinahe-Sturz brachte Kouji nun endgültig in die Realität zurück und er schenkte dem braunhaarigen Jungen ein kleines, aber dafür umso dankbareres Lächeln.
 
"Ist alles in Ordnung, Kouji? Wie lange bist du denn schon hier draußen? Du fühlst du eiskalt an ...", stellte Takuya traurig fest.
"Ich weiß es nicht, aber es war noch hell, als ich rausgegangen bin."
Takuya riss erschrocken die Augen auf.
"Aber es ist schon vor einer Stunde dunkel geworden!"
Kouji zuckte nur mit den Schultern und zog sich Takuyas Jacke richtig an, nachdem er sich vergewissert hatte, dass dieser sie nicht selbst anziehen wollte. Augendblick wurde ihm etwas wärmer, doch noch immer fror er erbärmlich. Wahrscheinlich hatte er schon zwei Stunden oder mehr auf der Schaukel ohne warme Kleidung verbracht, weshalb es auch kein Wunder war, dass er fror.
 
Takuya, dem das Zittern seines besten Freundes nicht entgangen war, sah Kouji wieder mit besorgten Augen an.
"Komm, wir beeilen uns. Es ist nicht weit bis zu mir. Ich hol nur noch schnell die Einkaufstüte."
Der braunhaarige Junge wollte loslaufen, doch eine Hand, die sich um sein Handgelenk schloss, hinderte ihn daran. Verwirrt drehte sich Takuya um. Kouji sah ihn nicht an, sondern fixierte einen imaginären Punkt auf dem mit Schnee bedeckten Boden.
 
"Geh nicht ... bitte ..."
Nun machte sich Takuya richtig Sorgen. Koujis Stimme klang so verzweifelt wie er sie noch nie gehört hatte und dass er kleine durchsichte Perlen Koujis Wangen langsam herabrinnen sehen konnte, vergrößerte seine Besorgnis umso mehr.
"Kouji?", fragte er leise und drehte sich vollends zu dem schwarzhaarigen Jungen um. Die Einkaufstüte war vergessen.
 
"Bitte ... bitte lass mich nicht allein, Takuya! Ich will nicht mehr allein sein ..."
Den wenigen Tränen folgten mehr und leise Schluchzer hallten durch den stillen Park. Immer noch tanzten Schneeflocken um die beiden Jungen herum.
Takuya wusste nicht, was er tun sollte. Das alles passte überhaupt nicht zu Kouji. Noch nie hatte er seinen Freund zu aufgewühlt und verstört gesehen.
Kouji hatte mittlerweile Takuyas Handgelenk losgelassen und kniete nun auf dem Boden, die Arme schützend um den Körper gelegt. Es war nicht das Weinen, was Takuya verwirrte. Es war Koujis ganzes Verhalten. Er hatte den Schwarzhaarigen Jungen schon ein paar Mal weinen gesehen, aber dieses Mal war alles anders. Niemals zuvor hatte Kouji ihn angefleht.
 
Langsam ging Takuya auf dem am Boden kauernden Jungen zu und zog ihn sanft in seine Arme. Beruhigend strich er ihm über Arme und Rücken, wärhend Kouji sich mit all seiner verbliebenen Kraft an Takuyas Pullover festhielt und hemmungslos weinte.
 
"Hey ... schhh ... ist ja gut, Kouji. Ich bin hier. Ich lass dich nicht alleine. Ich bleibe bei dir ..."
Nur zu deutlich konnte Takuya die Kälte spüren, die von Koujis Körper trotz der warmen Jacke immer noch ausging. Jedoch konnte er im Moment auch nicht viel mehr tun, als mit ihm seine Körperwärme zu teilen. Kouji davon zu überzeugen, dass es eigentlich besser wäre, bei Takuya zu Hause über alles zu reden, war in dieser Situation schier unmöglich.
 
"Ich kann nicht mehr, Takuya .. Ich kann einfach nicht mehr!"
Koujis Stimme klang gedämpft, was wohl größtenteils daran lag, dass der Schwarzhaarige seinen Kopf noch immer in Takuyas Pullover vergraben hatte, dennoch verstand der braunhaarige Junge seinen Freund nur allzu deutlich. Er war in diesem Moment unheimlich froh, dass er Kouji gefunden hatte. Der Schwarzhaarige, der sich zitternd an ihm festhilet, klang so verzweifelt, dass Takuya sich nicht sicher war, was passiert wäre, wenn er Kouji nicht zufällig auf der Schaukel bemerkt hätte. In dieser Gefühlslage traute er seinem Freund alles zu.
 
"Wieso tut er das? Wieso lässt er mich allein?"
Wieder diese Verzweiflung in der Stimme, die Takuya das Herz brach. Es tat ihm weh Kouji so zu sehen. Normalerweise war er immer derjenige, der kühl und analysierend handelte, niemals aus der Fassung geriet. Und nun?
 
"Wer, Kouji? Wer lässt dich allein?"
Obwohl Takuya sich denken konnte, wen Kouji nur meinen konnte, musste er die Frage stellen - einfach nur, um sicher zu gehen, dass er sich nicht irrte.
"Kouichi ..."
Kouji vergrub sein Gesicht umso tiefer in Takuyas Halsbeuge, als er dieses eine Wort aussprach. Takuya seufzte leise, sodass Kouji es nicht hören konnte und drückte den zitternden Jungen in seinen Armen noch näher an sich.
Er hatte es befürchtet. Auch ihm war nicht entgangen, dass der Ältere der beiden Zwillinge immer mehr Zeit mit Izumi verbrachte und nur noch selten mit seinem Bruder irgendwo anzutreffen war. Doch niemals hätte er gedacht, dass es so schlimm war und Kouji so sehr mitnahm. Takuya wusste, wie sehr Kouji an seinem Bruder hing. Es gab nur zwei Menschen, denen der Schwarzhaarige sein Leben anvertrauen würde: Kouichi und Takuya.
Schon immer hatte sich Kouji schwer damit getan jemandem zu vertrauen und deswegen war es umso wertvoller zu wissen, das man einer dieser wenigen Menschen war, die der Langhaarige an sich heranließ. In Takuya ballte sich eine ungemeine Wut zusammen. Wie konnte Kouichi dieses Vertrauen nur so mit Füßen treten und seinen Bruder in einem Meer von Scherben einfach so vergessen? Er verstand es nicht. Kouichi war doch sonst nicht so. Niemals würde er seinem Bruder absichtlich weh tun.
 
'Aber vielleicht liegt genau da der Punkt', dachte Takuya, während er Kouji weiterhin über den Rücken strich und ihm beruhigende Worte ins Ohr flüsterte.
'Wahrscheinlich merkt Kouichi gar nicht, wie schlecht es Kouji geht. Woher auch? Kouji ist so ein guter Schauspieler, was das Überspielen seiner wahren Gefühle angeht, dass es fast unmöglich ist zu sagen, wann er nur schauspielert und wann nicht. Jedenfalls, wenn man ihn nicht gut genug kennt. Kouichi hätte eigentlich sehen müssen, das Kouji darunter leidet, dass sie sich nicht mehr sehen ... verdammt, Kouichi! Was ist los mit dir?'
 
Ihm selbst war in den letzten Tagen aufgefallen, dass Kouji immer ruhiger gworden war und eine unbeschreiblich große Traurigkeit in seinen tiefblauen Augen gestanden hatte, wann immer er sich sicher glaubte. Takuya konnte sich dafür ohrfeigen, dass er Kouji nicht schon früher darauf angesprochen hatte. Das ganze hier hätte vermieden werden können, und nur, weil er sich nicht die nötige Zeit genommen hatte mit Kouji zu reden, saßen sie nun hier draußen bei Minusgraden im Stadtpark.
 
"Ich ... ich habe ihn schon seit Monaten nicht mehr gesehen, Takuya!", begann Kouji unaufgefordert zu erzählen. Da Takuya eine ganze Zeit lang nicht gesagt hatte, fühlte er sich verantwortlich seine Worte zu erklären. Doch es schwer, so verdammt schwer. Immer wieder unterbrachen Schluchzer seine Sätze oder er konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Er wollte einfach nur noch weg. Weit, weit weg.
 
"Am Anfang dachte ich noch, dass es nur eine Phase ist, aber jetzt bin ich mir sicher, dass er mich gar nicht mehr bei sich haben will. Alles dreht sich nur noch um Izumi. Immer, wenn wir miteinander reden, erzählt er von ihr, ihrer Familie oder ihren Freunden. Für ... für mich interessiert er sich gar nicht mehr!"
Takuya musste schwer schlucken. Er wusste nicht, wie er mit dieser Situation umgehen sollte oder was in solchen Momenten zu sagen war. Er entschloss sich sazu Kouji einfach weiterhin festzuhalten und ihm zuzuhören. Und ohne es zu wissen, war es genau das, was der Schwarzhaarige im Moment dringend benötigte: sich geborgen zu fühlen.
 
"Jedes Mal, wenn ich ihn anrufe, ist entweder Izumi da oder sie treffen sich gleich. Ich freue mich ja für ihn, dass er so glücklich mit ihr ist, aber muss er mich deswegen vergessen?"
Kouji löste sich etwas aus Takuyas Umarmung, um dem Braunhaarigen ins Gesicht sehen zu können - doch seine Hände hielten sich immer noch an Takuyas Pullover fest. Es schien fast so, als hätte Kouji Angst, dass Takuya verschwinden würde, wenn er ihn loslassen würde.
 
"Nein, Kouji ... eigentlich dürfte er dich nicht vergessen."
Takuya schüttelte traurig den Kopf und sah in Koujis blaue Augen, die im Licht der Laternen feucht glitzerten und den Schnee wiederspiegelten, der immer noch sanft vom Himmel fiel. Sie strahlten in diesem Moment so viel Traurigkeit, Schmerz und Trauer aus, wie Takuya es noch nie gesehen hatte. Ihm zog sich das Herz bei diesem Anblick zusammen.
Ein Windstoß ging durch den Park und Koujis Kopftuch fiel wenige Augeblicke später leise einige Meter von den knieenden Jungen entfernt zu Boden. Doch keinen der beiden störte es.
 
'Mein Gott, wieso habe ich nie bemerkt, wie schön er ist? Selbst mit verweinten Augen ist er der wundervollste Mensch, dem ich je begegnet bin. Wie konnte ich das nur übersehen?'
Eine zitternde Hand hob sich und vorsichtig löste Takuya Koujis Zopfband, sodass die langen schwarzen Haare frei im Wind wehten. Langsam fuhr er mit den Fingern durch die seidigen Strähnen, fasziniert von der eigentlichen Länge der schwarzen Haare.
 
"Aber warum tut er es dann, Takuya? Warum, verdammt?"
Koujis Stimme war immer leiser geworden, bis sie nur noch ein ersticktes Flüstern war. Neue Tränen bahnten sich ihren Weg aus Koujis tiefblauen Augen und wieder vergrub er sein Gesicht im Pullover seines braunhaarigen Freundes. Takuya legte seine Arme erneut beschützend um den zitternden Jungen.
 
"Ich weiß es nicht, Kouji. Ich weiß es nicht ..."
"Es ist nicht fair ... Ich will doch nur etwas Zeit mit ihm verbringen, nicht mehr ... Aber wahrscheinlich bin ich dazu verdammt alleine zu sein. Ich habe es ja auch nicht anders verdient. Wer will schon mit jemandem befreundet sein, der immer zurückweisen ist? Jemand, der kalt zu anderen ist und nie lacht?"
 
Kouji machte eine kurze Pause und holte tief Luft.
"Aber das ist ja nichts Neues. Ich bin es nicht wert, Freunde oder Familie zu haben. Selbst an Weihnachten bin ich allein ..."
Takuyas Augen weiteten sich ungläubig.
"Du bist Weihnachten allein? Aber ... aber wieso?"
Kouji seufzte und sah auf den Boden.
"Weil mein Vater und meine Stiefmutter nicht da sind und Izumi bei Kouichi ist.
 
"Kouji ..."
Takuya wusste nicht, was er sagen sollte. Das hatte er nicht erwartet. Niemand sollte Weihnachten alleine verbringen müssen. Schon gar nicht Kouji.
 
"Aber das bin ich gewohnt. Es ist okay ..."
"Nein, ist es nicht!"
Takuya schob den depressiven Jungen ein Stück von sich, um ihm in die Augen sehen zu können.
"Es ist nicht okay, dass du Weihnachten allein verbringen musst und erst recht nicht, dass du dir selbst Vorwürfe machst. Kouji, du bist ein wundervoller Mensch und das ist mein Ernst. Wer nicht hinter deine Fassade blicken kann, ist es nicht wert mit dir befreundet zu sein. Und du bist alles andere als wertlos ... Für mich bist du der wertvollste Mensch, den es gibt und es tut weh zu sehen, dass du innerlich so zerbrichst. Bitte hör auf dir einzureden, dass du nichts wert bist. Das stimmt nicht!"
 
Doch Kouji sah ihn weiterhin traurig an. Es schien so, als hätte er Takuyas Worte nicht gehört.
"Aber es gibt trotzdem niemanden, den es interessiert, was ich mache. Niemand fragt sich, wie es mir geht. Niemanden würde es stören, wenn ich einfach verschwinden würde ..."
"Nein!"
Takuya hatte das Wort geschrien und schüttelte Kouji, wie um ihn die Wahrheit erkennen zu lassen. Wenige Augenblicke fuhr er jedoch ruhiger fort.
"Nein, das stimmt nicht, Kouji. Ich weiß, dass es mindestens einen Menschen auf dieser Welt gibt, den das interessiert."
Kouji sah ihn verwirrt an. Takuya wusste nicht, ob er es wirklich nicht verstand oder sich einfach nur dagegen wehrte, es zu verstehen.
"Wer denn?", fragte er tonlos.
"Na ich, du Dummkopf ...", antwortete Takuya sanft und lächelte den schwarzhaarigen Jungen in seinen Armen liebevoll an.
In Koujis tiefblauen Augen konnte er Verwirrung, aber auch Hoffnung erkennen.
"Du?"
"Ja, Kouji ... mich würde es interessieren, wenn du ... wenn du einfach verschwinden würdest."
Sanft fuhr er mit den Fingerspitzen Koujis Gesichtskonturen nach. Überrascht bemerkte er, wie der Schwarzhaarige langsam die Augen schloss und sich in die liebevolle Berührung lehnte.
 
"Würdest ... würdest du um mich weinen, Takuya?"
Kouji hatte die Augen wieder geöffnet, sein Gesicht entfernte sich jedoch nicht von Takuyas warmer Hand.
"Ja, Kouji ... Ich würde um dich weinen."
Die Worte waren nur geflüstert, ein hauch von Ehrlichkeit, der mit dem Wind in die Welt hinaus getragen wurde, doch für Kouji waren es die wichtigsten Worte, die er je gehört hatte. Ein leises Lächeln schlich sich auf die Lippen des Schwarzhaarigen und langsam umarmte er seinen Freund. Seit langer Zeit war er wieder glücklich, fühlte sich gebraucht und nicht vergessen. Erschöpft kuschelte er sich an Takuya und seufzte leise.

"Danke, Takuya ... Danke, dass du für mich da bist. Das ... das bedeutet mir wirklich sehr viel!"
Auch Takuya musste lächeln und schloss die Arme um den schwarzhaarigen Jungen und vergrub sein gesicht in dessen Haaren. Er war unheimlich glücklich, dass Kouji sich wohl bei ihm fühlte und dass er ihm etwas bedeutete.
Leises Schluchzen riss ihn aus seinen Gedanken. Verwirrt sah er auf den zitternden Jungen in seinen Armen.
 
"Kouji? Was ist los? Wieso ... wieso weinst du?"
Feuchte dunkelblaue Augen blickten auf und Takuya konnte noch immer ein Lächeln auf Koujis Lippen erkennen.
"Wieso ich weine? Weil ich das erste Mal in meinem leben das Gefühl habe, nicht alleine zu sein!"
Auch auf Takuyas Lippen stahl sich ein Lächeln und erleichtert zog er den schwarzhaarigen Jungen wieder in seine Arme.
 
"Kouji?"
"Mhm?"
"Komm, lass uns nach Hause gehen ... Mir wird kalt."
 
The End (?)
 
 
A/N: Und damit wäre "Would You Cry?" beendet - oder auch nicht? Mal schauen, wie es mit einer Fortsetzung aussieht. Eigentlich kann ich das Ende ja nicht so offen lassen, oder?
Na ja, ich hoffe ihr hattet viel Spaß beim Lesen und lasst mir einen review/Kommentar da? ^-^ Würde mich sehr freuen!
 
Eure Ailendolin