Gundam Wing Fan Fiction ❯ Heute - Gestern ❯ Heute - Gestern ( One-Shot )
[ A - All Readers ]
Titel: Heute - Gestern
Teil: 1/1
Autor: SOrion
E-Mail: haruka@tic.ch
Fanfiction: Gundam Wing
Rating: all audiences
Warnung: sap; Spoiler: Episoden 19/20; 38/39, nicht wirklich gravierend
Pairing: 1x2 (3x4, 5x13)
Disclamer: Gundam Wing und die enthaltenen Charaktere gehören mir nicht und ich mache keinen
Profit damit.
Kommentar: War ein Bisschen schwer, die Figuren nicht OOC werden zu lassen, aber ich denke, es
hat geklappt.
Die Idee hab ich im November begonnen... Hat also ein wenig gedauert ^-^ Gomen.
Heute - Gestern
Schritte klangen durch die Gänge des Gebäudes, das an ein Krankenhaus erinnerte. Schritte, die
durch die weichen Sohlen gedämpft wurden.
Eine Frau mittleren Alters, gekleidet in Weiss und ein junger Mann, ebenfalls in Weiss, liefen einen
Flur entlang.
Die Frau allerdings schien sich ihrer Schritte wesentlich sicherer, als der Mann. Das Weiss ihrer
Kleidung erweckte den Anschein einer Krankenschwester oder Pflegerin.
Der junge Mann hingegen schien in dem Weiss irgendwie deplaziert und es war mehr als
offensichtlich, dass er die Farbe lieber gegen eine andere getauscht hätte. Überhaupt fühlte er sich
unwohl. Er tribbelte neben der Frau her, obwohl er grösser war und fingerte nervös am Saum seiner
weiten, weissen Ärmel.
Seine Augen wanderten unsicher umher. Die meisten Anwesenden, denen sie auf ihrem Weg
begegneten, waren weiblich, mit Ausnahme einiger Pfleger oder Therapeuten. 'Tolle Erkenntnis,
Maxwell', schalt er sich in Gedanken. 'Was glaubst du, woran das liegt?', fuhr er sarkastisch fort.
Mittlerweile dienten ihm die Ärmel nicht mehr genug als Ablenkung und er begann, das Ende seines
Zopfes in seinen zitternden Fingern zu drehen.
Die Frau neben ihm lächelte. "Entspannen Sie sich. Es wurden bereits alle in diesem Flügel informiert.
Es wird also niemand übermässig verwirrt sein."
"Sie meinen, verwirrter als ich?" Er schickte ihr ein keckes Grinsen, aber seine wacklige Atmung
verriet ihn.
Sie hielt an, legte eine Hand auf seine Schulter und sah ihn verständnisvoll an.
Duo holte tief Luft und deutete ihr, weiter zu gehen.
Er beobachtete die Beschriftungen und Wegweiser in den Gängen und entdeckte, dass sie wohl bald
an ihrem Ziel ankommen würden. Einen kurzen Moment schloss er seine Augen und atmete erneut
tief durch. 'Du bist hier, weil du das so wolltest!', versicherte er sich immer wieder. 'Weil du stur genug
warst, das durch zu ziehen und den ganzen medizinischen Müll über dich ergehen zu lassen!'
Ja, er wollte hier sein... Nun ja, vielleicht nicht unbedingt an diesem Ort, aber in dieser Situation...
Nein, ganz bestimmt nicht an diesem Ort und so weit weg von...
Wieder ein lautes Schnaufen. 'Heute ist Montag. Am Samstag ist er hier.' Er nickte vor sich hin. Das
war doch auszuhalten.
Die Frau hielt an. "Wir sind da." Sie deutete auf eine Türe und klopfte darauf schnell an. Sie öffnete,
und Duo blinzelte über ihre Schulter hinein.
Sie ging vor und Duo unsicher hinter ihr her.
'Oh Gott, oh Gott, oh Gott...' Er sah sich einer Gesprächsrunde gegenüber. Einer Gesprächsrunde
voller Frauen, wohl gemerkt. Seine Finger zitterten mittlerweile so stark, dass es jedem aufgefallen
wäre, und ausserdem waren sie eiskalt. Weiss der Himmel, wo das Blut alles hingelaufen war...
Vermutlich in seine Wangen, die gerade jetzt leuchtend pink erstrahlten. Unbewusst legte er seine
kalten Hände auf seinen Bauch und sie entspannten sich etwas.
Die junge Ärztin, die Leiterin der Runde, stand auf und begrüsste Duo mit einem kräftigen
Händedruck. "Sie sind also das medizinische Wunder, ja?"
Duo nickte gezwungen. "Wohl eher der erste, der verrückt genug war, es an sich ausprobieren zu
lassen."
Die Ärztin grinste. "Medizinisches Wunder klingt doch besser als medizinisches Experiment, nicht?"
Dabei legte sie freundschaftlich einen Arm um Duo.
Duo lachte. "Ja." Seine Stimme zitterte immer noch.
"Ach ja...", fuhr die Ärztin fort, "wir nennen uns hier alle beim Vornamen, und das Siezen lassen wir
ganz bleiben. Das ist doch kein Problem, nicht wahr, Duo?"
Duo schüttelte den Kopf und wagte zum ersten Mal, sich die Anwesenden anzuschauen. Alle trugen
denselben, weissen, bequemen Zweiteiler, wie er selbst.
So schlimm war es gar nicht. Er hatte sich auf so ziemlich alles vorbereitet. Von Starren, bis
angeekelten Blicken... Aber die Frauen lächelten ihn alle freundlich an. Und es war ein ehrliches
freundlich... Er kannte ein falsches Lachen, wenn er eines sah. Er benutzte es selbst zu oft.
Er zupfte an seinen Ärmeln.
Die Ärztin zog ihn mit sich bis in die Mitte der Runde und bekundete: "Meine Damen... Das neuste
Mitglied in unserer Schwangerschaftsgruppe. Duo Maxwell."
***
Duo war auf seinem Zimmer, das man ihm gezeigt hatte und sass am Schreibtisch vor dem Computer.
Er tippte eine kurze Nachricht an Heero, dass er gut angekommen und alles nicht so schlimm war.
Er war zwar versucht gewesen, einfach Heero anzurufen, aber er liess es dann doch bleiben, als er
sich an ihre Abmachung erinnerte. Keine Telefonate. Die würden es nur schwerer machen, wieder
aufzulegen. Das war wohl wahr... Aber er hätte gerne seine Stimme gehört, und wenn es nur ein
knappes "hn" oder "ah" war.
So schrieb er bloss, was sich heute ereignet hatte. Er erzählte von den Leuten, die er kennen gelernt
hatte... von Clara, der Ärztin, die während seinem Aufenthalt für ihn zuständig war, bis zu Sina, der
Frau des Senators im fünften Monat. Er erzählte, dass er sich mit Sina gut verstand, wahrscheinlich,
weil sie so gerne und viel redete wie er selbst.
Ach, und natürlich erzählte er, wie gut ausgestattet alles war, und er es kaum erwarten könne, ihm
den Speisesaal und sein Zimmer zu zeigen... und besonders das grosse Bett...
Dass man sich beinahe vor kam, wie auf einer von Quatres Residenzen. Bloss, dass anstelle der
Bediensteten Pfleger durch die Gänge huschten.
Duo endete nach zweieinhalb Seiten mit einem einfach "Aishiteiru, Koi" und unterzeichnete es. Und
einem "P.S. Wie sehen uns Samstag".
Duo verschickte die Nachricht und drehte sich auf seinem Stuhl. Sein Zimmer, oder besser Suite, war
wirklich gross und luxuriös, vom Bad ganz zu schweigen.
Das ist wohl ein Vorteil, wenn man als "medizinisches Experiment" galt, dachte er. Er musste für
nichts aufkommen, wurde von Anfang bis Ende genauestens Untersucht, um sicher zu gehen. Aber
das beinhaltete, dass er ab dem dritten Monat in diese Spezialklinik eingewiesen wurde... und das bis
zum Ende der... Verdammt! Er konnte das Wort noch immer nicht zu Ende denken. Schwangerschaft!
Und? War das jetzt so schwer?!
Er seufzte laut und liess seinen Blick weiter ziellos umherschweifen. Und Heero würde ihn die ganze
Zeit nur besuchen können, wenn die Arbeit es erlaubte... Das bedeutete, im besten Fall jedes zweite
Wochenende. Und das fast sieben verdammte Monate lang!
Nun, die Klinik war natürlich nicht zu verachten. Sie war eigentlich für reiche und einflussreiche Frauen
konzipiert worden. Oft Frauen von Politikern oder sonstigen Berühmtheiten, die in der
Schwangerschaft abschalten wollten. Die Patientinnen waren entsprechend exklusiv. Er war nur hier,
weil er vermutlich in die Geschichtsschreibung eingehen würde...
Aber zu seiner Überraschung waren die Frauen in seiner Gruppe nicht überheblich oder Ähnliches,
sondern sehr umgänglich und nur zu froh, einmal nicht dem Superieur-Image entsprechen zu müssen.
Das war gut, ja. Ein Punkt von vielen, der ihm zuerst noch Unbehagen bereitete.
Nach einigen gedankenverlorenen Minuten machte er sich schliesslich bettfertig.
Die Matratze war weich, aber nicht zu weich, die Decke warm, aber nicht zu warm... Wie alles hier:
perfekt abgestimmt.
Er seufzte laut und driftete langsam ins Land der Träume. Seine letzten Gedanken kreisten darum,
wie er in der Praxis des Arztes gesessen hatte... an jenem Tag.
"Nein, auf keinen Fall. Das will ich nicht. Da adoptiere ich lieber. Ich denke nicht im Traum dran.
Niemals. Das scheint mir einfach nicht richtig. Alles, nur das nicht. Nein!"
Heero hob eine Augenbraue, zeigte ansonsten keine grosse Reaktion über Duos Ausbruch. "Duo..."
Duo schüttelte vehement den Kopf. "Denk doch nur mal nach. Die Medizin ist zwar weit genug, aus
einem Spermium eine Eizelle zu konstruieren, und das ist ja wirklich eine tolle Sache, aber ich will
nicht, dass eine fremde Frau UNSER Kind in sich trägt! Dann hört dieses - UNSER - Kind neun
Monate lang die Herzschläge und die Stimme irgendeiner Fremden! Wie sollen WIR dann seine Eltern
sein. Das ist doch absurd!"
Heero atmete hörbar. "Wenn du ein Kind adoptieren willst ist das auch nicht anders."
Duo rieb sich enttäuscht die Augen. Ihm hatte die Idee eines leiblichen Kindes zuerst wirklich gut
gefallen. Bis dann eben Mutter Natur doch noch ein Wörtchen mitzureden hatte. "Das ist etwas
anderes", protestierte er. "Dann gäben wir einem Kind ein Zuhause. Was bestimmt auch schön wäre.
Aber ich will nicht, dass MEIN Kind im Bauch einer Frau landet, die Geld braucht!"
Heeros Augenbraue zuckte erneut. Duo schien langsam ernsthafte Muttergefühle zu entwickeln.
Lange schaute er seinen Koibito an.
Unter diesem Blick schmolz Duo förmlich dahin. Und nur jemand wie Duo konnte in dem Gesicht vor
ihm das Lächeln entdecken.
Nach einem weiteren Moment des Schweigens wandte sich Heero an den Arzt, der vor den beiden auf
der anderen Seite des Schreibtisches sass und gespannt die Diskussion mitverfolgte. "Wir werden auf
ihr Angebot verzichten. Die Adoption scheint uns die bessere Lösung", erklärte er knapp.
Der Arzt druckste einen Moment lang rum, seine Gegenüber wären beide mehr als geeignet... Als
frühere Gundampiloten war ihr Gesundheitscheck absolut beeindruckend - besonders der von Yuy...
Schliesslich warf er zögerlich ein: "Es gäbe da allenfalls eine weitere Möglichkeit..."
Heero warf einen schnellen Blick auf Duo, dem die Hoffnung bereits wieder in den Augen leuchtete. Er
wusste, warum Duos Kinderwunsch so gross war, das Verlangen nach einer Familie... Er seufzte und
entschied, dass er zumindest alle Möglichkeiten kennen sollte und liess den Mediziner fortfahren.
"Sehen Sie...", begann der Arzt auszuführen, "... So wie ich ein Spermium manipulieren kann, kann mit
der heutigen Medizin jede beliebige menschliche Zelle umgeformt werden. Es besteht die Möglichkeit
aus den Eigenzellen von einem von Ihnen eine Gebärmutter zu formen und diese dann operativ in der
Bauchhöhle an den Blutkreislauf anzuschliessen. Die befruchtete Eizelle müsste dann nur noch
eingesetzt werden. Ausgewählte Hormone täuschen dem Körper eine Schwangerschaft vor und..."
"Moment mal, einen Augenblick", unterbrach Duo. "Habe ich Sie richtig verstanden? Ich könnte
tatsächlich das Kind selber bekommen?" Ihm fiel in dem Moment gar nicht auf, dass er von sich
gesprochen hatte.
"Duo..."
"Nein, nein, nein. Ich will das jetzt hören." Er sah den Arzt durchdingend an. "Ist das wirklich möglich?"
"Nun..." Er seufzte. "Ich will ehrlich zu Ihnen sein. Es ist theoretisch möglich, aber es wurde am
Menschen noch nie ausprobiert. Wir haben allerdings bisher fünf erfolgreiche Versuche an
Schimpansen..."
"Schimpansen?!", rief Heero aus und stand auf. "Duo, wir gehen."
Aber dieser liess sich so schnell nicht abschrecken und packte ihn am Arm. "Nein, warte, Heero, bitte."
Er schaute ihn aus grossen, flehenden, violetten Augen an und Heero setzte sich wieder. Duo fuhr so
gelassen wie möglich fort: "Was für Risiken bestehen?"
Der Arzt zuckte die Schultern. "Eigentlich kaum welche. Die kritischsten Phasen finden ausserhalb
ihres Köpers statt. Zum Beispiel das konstruieren der Gebärmutter. Die Operation an sich ist zwar ein
komplizierter Eingriff, damit das künstliche Organ auch richtig durchblutet wird, aber für den Patienten
besteht eigentlich keinerlei Gefahr. Die Geburt selbst ist dann ein einfacher Kaiserschnitt... Routine..."
Heero warf Duo einen Blick zu, der nur dieser als unsicher bezeichnet hätte. "Duo, ich weiss nicht..."
Aber Duo war bereits Feuer und Flamme. "Verstehst du denn nicht? Ich könnte das Kind bekommen.
Das ist doch toll!"
Heero schaute ihn skeptisch an und zwar so lange, bis Duo verstand, was er da eigentlich von sich
gab. "Ist dir klar, was du eben gesagt hast?"
Nun doch etwas nachdenklich kaute Duo auf dem Ende seines Zopfes herum. Schliesslich nickte er.
"Das ist es mir wert." Dann grinste er unheilvoll. "Es sei denn natürlich... du willst..."
Woche 8 - Dienstag
Am nächsten Tag sah sich Duo die ganze Anlage an. Seine Kurse würden erst am Mittwoch
anfangen, damit er Zeit hatte, sich an seine neue Umgebung zu gewöhnen. Er studierte den Plan für
die sportlichen Aktivitäten, der in der Empfangshalle aufgehängt war und runzelte enttäuscht die Stirn.
Oh Mann, das würde vielleicht langweilig... Es war ja nicht so, dass kein Sport getrieben wurde - im
Gegenteil - aber die Sportarten, die erlaubt waren... nun, sagen wir, sie entsprachen nicht wirklich
seinem Geschmack. Okay, vielleicht Schwimmen... aber der Rest... Nichts, was irgend ein Risikofaktor
beinhaltete. Natürlich, hier waren bloss Schwangere und er konnte eine gewisse Vorsicht verstehen,
aber SO.
Er seufzte tief und schlenderte davon. Wenn das so war, würde er sich noch ein weiteres Hobby
suchen müssen. Und um sich wenigstens einigermassen beweglich zu halten, reichte das
Sportprogramm schon aus.
Sein nächster Punkt auf der Liste war der Park. Die meiste Zeit wurde dort verbracht, laut den
Ausführungen seiner zuständigen Ärztin, Clara. Und der Park war, wie der Rest der Anlage, riesig. Mit
verschiedenen Sportplätzen, Sitzgruppen, einem Verpflegungshaus und vielen - mehr als gepflegten
- Bäumen mit merkwürdig getrimmten Formen.
Er sah in den blauen Himmel. Allein der Wetterregulator für diese Gegend musste ein Vermögen
gekostet haben (ein wirkliches Vermögen). Sie befanden sich irgendwo in Nordeuropa und die Sonne
schien täglich, die Temperatur war angenehm und die Luftfeuchtigkeit ein kleines Bisschen über dem
Normalwert, um das Atmen zu erleichtern. Dieser Ort war wirklich durchdacht und das bis ins letzte
Detail. Gemütlich steuerte er auf eine breite Sitzschaukel zu, die bei einem kleinen Tisch mit drei
weiteren Stühlen stand. Zufrieden sank er hinein und schaukelte hin und her. Nach einer Weile legte
er sich hin, blickte in den Himmel und schlief bald ein. Sein letzter Gedanke war noch, dass es sich
hier doch aushalten liesse.
Nach dem Aufwachen setzte er seine Tour fort. Mann, in letzter Zeit war er vielleicht müde, es war
geradezu nervenaufreibend. Das war eines der Dinge, die ihn in langsam in den Wahnsinn trieben.
Das andere war die Tatsache, dass der Gott des Todes ein Kind kriegen sollte. 'Was stimmt an dem
Bild nicht? Mann, ich bin echt beknackt!' Er fragte sich wieder und wieder, welcher Teufel ihn geritten
hatte, sich darauf einzulassen. Nein, kein Teufel, erinnerte er sich und grinste...
Sehr zu seinem Entsetzen musste Duo nach zwei weiteren Tagen feststellen, dass psychologische
Betreuung zum Grundprogramm gehörte... Und Grundprogramm bedeutete in diesem Falle,
mindestens eine Sitzung wöchentlich.
Gerade jetzt sass er auf einem - eigentlich sehr bequemen - Stuhl im Wartezimmer der Psychologin
und rutschte unbehaglich hin und her. Das letzte, was er jetzt brauchen konnte, war so eine
Besserwisserin, die ihm weismachen wollte, dass er unbedingt jemanden benötigte, um über den
Krieg zu reden... Er hatte seine eigenen Methoden, damit fertig zu werden. Schliesslich hatte er so
lange überlebt. Es gab keinen Grund in Vergangenem herum zu wühlen.
Die Türe öffnete sich und lenkte Duo von seinen Gedankengängen ab. Eine junge Frau trat heraus -
eigentlich fast zu jung für ihren Beruf, stellte Duo verwundert fest. Andererseits... er war auch zu jung
gewesen, um einen Gundam zu steuern.
Sie winkte ihn freundlich zu sich herein und reichte ihm die Hand, nachdem sie die Türe hinter sich
wieder geschlossen hatte. "Morgen, Duo. Ich bin Manja."
Er drückte ihre Hand etwas, um seine Unsicherheit zu verbergen und lachte. "Morgen."
Sie atmete aufgekratzt tief ein und deutete auf die zwei Sessel in der Mitte des Raumes. "Setzen wir
uns doch", schlug sie enthusiastisch vor.
Duo tat ihr den Gefallen. Er musste sich schliesslich die nächsten paar Monate mit ihr rumschlagen.
Es brachte nichts, sich quer zu stellen.
Einen Augenblick lang schaute sie ihn begeistert an und begann schliesslich: "Ich freue mich schon
die ganze Woche auf dich!", bekundete sie und strahlte. Dann leuchtete ein gefährliches Licht in ihren
Augen und sie setzte ein breites Grinsen auf. "Du bist der erste Mann mit Mumm in den Knochen, den
ich kenne. Die meisten Typen würden sich eher freiwillig kastrieren lassen, als schwanger zu werden."
Duo stutzte zuerst einige Sekunden lang, ehe sich wieder fing und ihr Grinsen erwiderte. "Ich frage
mich gerade, ob das jetzt ein Kompliment war..." Er lachte.
"Selbstverständlich. Warum?"
"Ich weiss nicht, ob ich mutig bin."
Sie hob eine Augenbraue und Duo wurde gerade bewusst, dass sie bereits mit ihrer Analyse
begonnen hatte und funkelte sie düster an.
Sie zuckte nur die Schultern und meinte: "Es ist mein Job. Also... Du glaubst nicht, dass ein Kind zu
bekommen mutig ist?"
"Das hab ich nicht gesagt, verdammt!" Dann atmete er tief, um sich zu beruhigen. Das brachte nichts.
Schliesslich hatte er sich das bereits vorhin überlegt. "Ich weiss nicht, ob ich dafür geeignet bin - nein,
ich WEISS, dass ich dafür NICHT geeignet bin..."
"Warum hast du es dann getan?"
"Weil ich nicht unser Kind einer Fremden einpflanzen wollte."
Sie lächelte. "Glaube mir... du bist so geeignet, wie man nur sein kann."
Wieder stutzte er. Dieses Gespräch ging so schnell voran, er kam gar nicht mit... "Ich meine nur, dass
ich mir so was früher gar nicht hätte vorstellen können. Und ich meine nicht den medizinischen
Aspekt."
Manja zuckte erneut die Schultern. "Das geht den meisten Frauen auch so." Sie grinste. "Ich wette, du
hast, bevor du hier reingekommen bist, noch gedacht, du würdest mich nicht brauchen. Habe ich
recht?"
Duo grinste. Er mochte sie... Sie dachte ähnlich wie er selbst. "Ja."
"Glaubst du das immer noch?"
Er überlegte kurz und antwortete: "Ich dachte erst, du würdest mit mir über den Krieg reden wollen.
Das will ich nun wirklich nicht. Aber kann schon sein, dass ich dich vielleicht doch brauche." Er
überlegte einen Moment lang, musste aber feststellen, dass sein angeborener Trieb zu reden, seine
Vorsicht schliesslich besiegte. "Ich meine, ich kann mir ja selbst kaum vorstellen, auf was ich mich
eingelassen habe oder wieso. Ich weiss, es ist, weil ich Heero liebe, aber er hätte es ja auch tun
können, obwohl er das bestimmt nicht gewollt hätte und ich hätte auch nicht gewollt, dass er da durch
muss. Aber es ist doch ein schöner Gedanke ein eigenes Kind zu haben, etwas, das Teil von einem
ist. Scheisse... ich rede wirres Zeug."
Sie lachte freundlich. "Nein, das macht sehr viel Sinn. Und auf den Krieg zurück kommen können wir
ja später immer noch, wenn du willst. Momentan haben wir genug Material..." Sie sah ihm in die
Augen. "Du redest gerne, ne?"
Duo grinste. "Darauf kannst du wetten."
"Sehr schön. Ich werde dafür bezahlt zuzuhören... Wir ergänzen uns perfekt."
Duo verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. "Gut, ich kann den ganzen Tag lang reden."
Sie blätterte kurz in einem Dossier, was offensichtlich Duos Profil war. "Du hast dich früher Shinigami
genannt, ist das richtig?"
Duo setzte sich erschrocken aufrecht hin. "DAS steht da drin?"
"Yep."
"Mann... die haben aber auch nichts ausgelassen."
"Ich dachte mir nur... Dass diese Einstellung zum Teil erklärt, weswegen es dir unangenehm ist,
schwanger zu sein."
Bei dem Wort 'schwanger' zuckte Duo kaum merklich zusammen - Manja bemerkte es wohl und das
war ihm auch bewusst. "Es ist mir nicht unangenehm", protestierte er.
"Gut. Dann sag doch mal 'Ich bin schwanger und bekomme ein Kind' und das ohne zu stottern oder
eine Pause zu machen."
Duo starrte sie wütend an und versuchte sein Bestes, eine Kopie von Heeros Death-Glare
hinzubekommen.
Sie grinste. "Nicht schlecht, aber ich bin nicht beeindruckt." Dann seufzte sie resignierend, als Duo
nicht aufgab. "Hör mal, es wäre geradezu unnormal, wenn du keine Probleme damit hättest."
"Mir reicht's jetzt!", schimpfte er und war drauf und dran einfach aufzustehen und zu gehen. "Warum
soll ich dann hier darüber reden, wenn's doch normal ist?"
Sie wechselte ihren Gesichtsausdruck in einen verständnisvollen. "Ich will dir nur helfen, damit fertig
zu werden. Aber das ist unsere erste Sitzung. Das braucht Zeit... und davon hast du eine Menge. Nur
eines noch... Ich weiss, dass es dir Kopfschmerzen bereitet, dass du dich in diese Situation gebracht
hast, aber... Freust du dich denn nicht?"
Duos Wut ebbte ab, und er entspannte sich wieder. Nach einer Weile lächelte er. "Doch, natürlich."
Sie lächelte ebenfalls erleichtert. "Darauf wollte ich hinaus." Sie sah auf die Uhr. "Ich weiss, die Zeit ist
noch lange nicht um, aber ich glaube, das reicht für heute. Wir werden beim nächsten Mal richtig
reden. Einverstanden?"
Duo nickte. Er brauchte jetzt wirklich etwas Zeit für sich alleine. Vielleicht würden ihm die Gespräche
doch etwas nützen.
Manja machte die Aufzeichnungen von Duos Sitzung, als es an der Türe klopfte. "Herein." Sie hatte
keine weitere Sitzung heute, Duo war der letzte. Um so erstaunter war sie, als eben dieser eintrat.
Ihre Augen weiteten sich. Duo sah mehr als niedergeschlagen aus. "Was ist denn passiert?"
"Hast du noch etwas Zeit?"
"Natürlich. Du warst der letzte Patient. Was gibt's denn?"
Duo machte einen Schritt zurück. "Oh... Du hast Feierabend? Tut mir leid, es ist nicht so wichtig. Ich
kann morgen wieder kommen... und..."
Sie lächelte. "Setz dich."
Duo gehorchte und setzte sich ihr gegenüber zurück in den Sessel.
"Also, was ist los?"
Duo setzte an, etwas zu sagen, brach aber ab. "Es ist nichts, wirklich... es war albern her zu kommen."
Er wollte wieder aufstehen, als ihn Manja am Arm festhielt.
"Das ist doch eine dämliche Ausrede! Wenn es nichts wäre, wärst du nicht hier."
Duo zögerte noch eine Weile und starrte auf seine Hände, ehe murmelte: "Heero... Er wollte am
Wochenende herkommen..."
"Er schafft es nicht", folgerte sie.
Duo schüttelte den Kopf. "Das ist bescheuert! Wir waren auch schon länger getrennt... Er wird es ja
dann nächste Woche versuchen. Ist doch kein Grund für so einen Aufstand... Es ist ja nicht das erste
Mal..."
Manja nahm ihn bei der Hand. "Aber das erste Mal, seit du schwanger bist."
"Scheisse!", fluchte Duo. "Das sind diese verdammten Hormone! Die machen mich noch verrückt. Ich
könnte tausend Mal am Tag heulen." Wütend versuchte er, die Tränen wegzuwischen, die sich in
seinen Augen sammelten. "Mist!"
"Dein Heero muss ja ein echter Hammer sein..."
Duo sah auf und brachte ein Lächeln zustande. "Klar. Was sonst." Er fischte ein Bild aus seiner
Tasche und reichte es ihr. Er war zusammen mit Heero darauf zu sehen, und beide sahen sehr
verliebt aus - so weit man Heero so etwas ansehen konnte.
Manja pfiff anerkennend. "Wow. Nicht schlecht." Dann grinste sie. "Er ist nicht wirklich der emotionale
Typ, oder?"
"Wenn man ihn nicht gut kennt, sieht es wohl so aus..." Er wusste, dass Heero auf Fremde diesen
Eindruck machte. Aber er selbst... Er kannte Heero so gut wie niemand anders. Er konnte jedes
versteckte Lächeln sehen und wusste selbst am besten, wie zärtlich sein Geliebter sein konnte.
Manja reichte ihm das Bild zurück und lächelte. "Was hältst du davon, wenn wir essen gehen und
dabei noch weiterreden?"
Duo hob eine Augenbraue. "Musst du denn nicht nach Hause?"
Sie schüttelte den Kopf. "Ich wohne hier. Und du brauchst Ablenkung."
Duo nickte dankbar und sein Blick fiel auf das Foto in seiner Hand. Bei dem Anblick zog sich ihm der
Magen zusammen, und der schien gar nicht erfreut über die Idee, etwas essen zu gehen.
Manja fiel die Veränderung natürlich sofort auf... Das flache Atmen, die blasse Gesichtsfarbe... Sie
stand auf und zog Duo am Arm hoch.
Dieser warf ihr einen hilfesuchenden Blick zu, als sich ein ekelhafter Würgereflex in seiner Kehle breit
machte.
Manja zog ihn zielsicher in einen angrenzenden Raum, in dem sich ein kleines Badezimmer befand.
Duo schaffte es gerade noch knapp zur Toilette, ehe er seinen gesamten Mageninhalt wieder erbrach.
Manja holte einen feuchten, kalten Lappen und legte ihn in Duos Nacken. Sie rieb über seinen Rücken
und wartete, bis er sich wieder beruhigte.
Duo atmete schwer. "Das passiert hier wohl nicht das erste Mal...", bemerkte er leise und versuchte zu
grinsen.
"Nein. Ich bin es langsam gewöhnt." Sie stand auf und holte Duo ein Glas Wasser. "Hier." Sie hielt es
ihm hin. "Das hilft."
Duo nahm das Glas dankbar an und Manja spülte die Sauerei weg.
Duo stellte sehr zu seiner Freude fest, dass Manja, wenn sie gerade mal nicht bezahlt wurde
zuzuhören, auch gerne redete. Im Moment kaute er auf einem Stück Erdbeertorte rum, das er sich als
Nachtisch ausgesucht hatte. Er war erstaunt, dass sein Appetit gleich wieder kam, nachdem er seinen
Magen geleert hatte... Manja meinte, er sollte sich besser auf zwei, drei Monate Erbrechen
vorbereiten. Na ja, dann eben das Beste aus einem Übelkeit freien Moment machen und gehörig
reinhauen.
Manja hob überrascht beide Augenbrauen.
Duo grinste nur und nickte bestätigend.
"Aber..." Sie schüttelte den Kopf und grinste nun auch. "Das kann doch kein Zufall sein. Ihr alle
fünf???"
Duo tunkte eine Erdbeere in etwas Sahne und schob sie sich in den Mund. "Während dem Krieg
haben wir uns darüber nie Gedanken gemacht. Aber vor einem Jahr stellte sich heraus, dass es
Absicht gewesen war." Er zuckte die Schultern. "In dem Bericht hiess es, dass von Anfang an geplant
war, dass wir zusammen arbeiten sollten. Und scheinbar hielten sie es für einfacher, eine Truppe
Teenager unter Kontrolle zu behalten, die untereinander... Dampf ablassen können." Er grinste breit.
"Woher sie allerdings schon lange vor uns wussten, dass wir auf Männer stehen würden, weiss ich
nicht."
Manja starrte ihn mit offenem Mund an. Sie lachte wieder. "Das ist eine interessante Methode...",
kicherte sie.
Duo nickte. "Finde ich auch", stimmte er zu und pickte sich eine weitere Erdbeere von der Torte. Er
grinste. "Ich kann ja auch nicht sagen, dass ich was dagegen hätte..."
"Ha! Bei einem Typen wie Heero? Klar hast du nichts dagegen." Sie rührte in ihrem Pudding. "Du
sagtest Pilot 03 und 04 sind zusammen, ja?"
Duo nickte.
"Was ist mit 05?"
Duos Blick schweifte etwas ab. "Er hat sich... anderweitig Erleichterung verschafft. Und ich bin mir
ziemlich sicher, dass es ihm nicht recht wäre, wenn ich darüber reden würde."
"Nun, ER ist ja nicht mein Patient."
Duo prustete. "Wufei bei einer Psychologin? Ja, genau! Das wäre ein Bild für Götter!"
"Und er ist wohl auch nicht der Typ, sich auf ein solches Experiment einzulassen...?"
Duo lachte weiter. "Das wäre in seinen Augen eine infame Ungerechtigkeit."
"Deine Freunde sind dir sehr wichtig?"
Duo nickte stumm. "Ich hab Trowa und Quatre seit einem Jahr nicht mehr gesehen... und Wufei ist
nach Kriegsende gleich verschwunden."
Manja spürte deutlich, dass das an Duo nagte. An wem würde es nicht... Über drei Jahre. "Und er hat
keine Spur hinterlassen? Nichts?"
Duo lachte traurig auf. "Wenn Wufei keine Spuren hinterlassen will, hinterlässt er auch keine... Aber...
ich habe vielleicht eine wage Vermutung wo er hingegangen sein könnte." Er seufzte. "Zumindest
hoffe ich das..."
Lange blieb Manja stumm. "Du weisst ja..."
Duo nickte. "Ich kann jederzeit mit dir reden, und Geheimnisse sind bei dir gut aufgehoben. Ich weiss."
Dann schüttelte er sanft den Kopf. "Trotzdem. Es wäre ihm nicht recht."
"Mann... Ich hoffe, deine Freunde wissen, was sie an dir haben."
Wieder ein breites Grinsen. "Das will ich ihnen auch raten."
Wufei...
Wufei machte sich in der Dunkelheit aus dem Safe-Haus davon. Er warf einen flüchtigen Blick zurück,
um sicher zu gehen, dass ihm niemand folgte, dann rannte er weiter ins Gebüsch.
"Yo! Wu-man!"
Wufei fuhr zusammen, als die bekannte Gestalt vor ihm auftauchte. "Was willst du, Maxwell?"
Duo lehnte sich grinsend an einen Baum und machte ein paar Schritte auf Wufei zu. "Was hast du
denn vor? Mal wieder ein paar Tage trainieren?"
"Auch wenn dich das nichts angeht... Ja."
Duo grinste noch breiter und stellte sich vor seinen Kameraden. Er schniefte einmal. "Du riechst gut...
Rosenöl?"
Wufei dankte der Dunkelheit, die seine leicht erröteten Wangen kaschierte. "Was soll das Verhör? Ich
benutze es immer."
Duo schüttelte theatralisch den Kopf. "Nicht ganz... Aber immer, wenn du verschwindest..."
"War's das?"
Duos Gesicht wurde mit einem Mal ernst, da Wufei offenbar nicht vor hatte einzulenken. "Nur eine
Frage, Wufei... Sind wir oder unsere Mission in Gefahr?"
"Ich weiss nicht wovon du...", fauchte Wufei.
"Oh, doch! Das weisst du."
Sie starrten sich lange an und keiner sagte etwas.
Und so sehr es Wufei missfiel... er gab als erster auf und senkte seinen Blick. "Nein", flüsterte er. "Es
bringt uns und unsere Mission nicht in Gefahr."
Duo nickte zufrieden. "Gut."
Wufei schaute unsicher auf. "Was jetzt?"
"Puh!" Duo atmete laut auf. "Na ja, gute Frage... Ich würde sagen, du solltest deinen Rosenkavalier
nicht warten lassen." Er grinste.
"Was?!"
Duo zuckte die Schultern. "Du hast gesagt, dass wir nicht in Gefahr sind. Ich glaube dir."
Wufeis Gesicht strahlte nun unübersehbar Dankbarkeit aus.
"Aber kann ich dich noch etwas fragen?"
Der Chinese nickte zögerlich.
"Liebst du ihn?"
Wufei nickte.
"Und behandelt er dich gut?"
Wieder ein Nicken. "Und ich vertraue auf seine Aufrichtigkeit, wenn er sagt, er liebe mich auch."
"Du machst es dir wirklich nie leicht, oder, Wu-man?"
Wufei lachte zynisch. "Verrat war noch nie so leicht, wie jetzt..."
Duo betrachtete ihn besorgt. "Du verrätst niemanden, Wufei. Es wäre ein Verrat an dir selbst, würdest
du es leugnen. Und du verdienst es, wie wir alle, wenigstens ein paar Stunden lang glücklich zu sein."
Wufei starrte auf seine Füsse. Nach einer Weile murmelte er: "Danke, Maxwell."
Duo klopfte ihm auf die Schulter. "Hey, kein Problem, Wu-babe! Geh und amüsier dich!"
Wufei konnte nicht anders, als lachen - und rot werden. Dann verschwand er in den Schatten.
"Du verdienst es, Wufei", flüsterte Duo in die Nacht.
Woche 9 - Freitag
Duo war unglaublich guter Laune. Es war immerhin schon Freitag und er hatte bisher noch keinen
negativen Bescheid von Heero erhalten... Die Chancen standen gut, dass er also morgen hier sein
würde. Und selbst für den Fall, dass er es doch nicht schaffte... nun, er hatte einen kleinen Halt darin
gefunden, ihm oft zu schreiben. Aber trotzdem gingen seine depressiven Schübe ihm manchmal auf
die Nerven.
Jetzt allerdings gab es keinen Grund deprimiert zu sein. Er sass auf der grossen Schaukel im Park,
die er an seinem ersten Erkundungstag entdeckt und sozusagen zu seinem Stammplatz erklärt hatte.
Bei ihm war Sina, die Frau des Senators.
Er schaukelte halb liegend hin und her, eine Hand stützte den Kopf, den Ellbogen auf der Lehne
abgelegt, die andere Hand lag unbemerkt auf seinem Bauch.
Sina war gerade in einem Redefluss, und er wusste es besser, als jemanden in dem Zustand zu
unterbrechen...
Duo lächelte zufrieden vor sich hin. Er fühlte sich im Moment einfach sauwohl.
Das war leicht zu sehen. Und auch wenn es für Duo einfach eine gute Laune war, für seinen
Beobachter oben an der kleinen Treppe zum Hauptgebäude, wirkte der junge Mann auf der Schaukel
einfach strahlend schön.
Heero stand lange still und sah seinen Koibito an. Eines seiner hauchzarten Lächeln schlich sich über
seine Gesichtszüge.
Es hatte zwar einiges an Überredungskunst erfordert, dass er heute schon herkommen konnte, aber
dieser Anblick löhnte ihn tausendfach.
Natürlich brachte die Arbeit als Preventers-Agent einiges mit sich, aber der letzte Auftrag war
ausgeführt und sogar der Papierkram erledigt. Er hatte sich das Wochenende verdient.
Er machte ein paar vorsichtige Schritte die Treppe hinunter, als hätte er Angst, das wunderschöne Bild
vor ihm zu stören.
Eine Erinnerung tauchte in ihm auf.
Duo sass auf seinem Bett, die Knie angezogen, die Ellbogen darauf gestützt und das Kinn in die
Hände gelegt.
Heero trat ein, nahm Duos offenbares Unbehagen im Hinterkopf auf und zwang es weiter zurück. Er
musste erst die Aufträge checken.
Sie waren in einem Internat untergebracht. Sie beide in einem Zimmer. Der Auftrag war noch nicht
eingegangen. Bloss unauffällig verhalten und auf das Startsignal und weitere Anweisungen warten.
Heero setzte sich an den kleinen Tisch im Zimmer und schaltete seinen Laptop ein. Er brauchte nicht
lange, um festzustellen, dass keine Infos eingegangen waren.
Die kurze Zeit reichte allerdings für Duo, sich aus dem Zimmer zu schleichen. Heero hörte es
natürlich, ignorierte es aber. Er wusste sehr genau, dass Duo wütend auf ihn war, und es würde Zeit
brauchen, ihn wieder versöhnlich zu stimmen.
Heero schloss den Laptop und seufzte. Er wusste auch, was in Duos Kopf vorging. Zum einen war da
natürlich, dass für Heero die Mission an erster Stelle stand, wo sein Geliebter gerne mehr
Aufmerksamkeit gehabt hätte. Und zum anderen - und das war auch der eigentliche Knackpunkt -
Duo hatte zwar dem Wing-Piloten oft gesagt, dass er ihn liebe, aber nie eine solche Erwiderung
bekommen. Zumindest nicht in Worten, fand Heero. Immerhin war Duo der einzige, der Heero zum
Lächeln brachte. Duo war derjenige, mit dem er die Nächte verbrachte. Und Duo war es auch, der von
ihm mehr Zärtlichkeit bekam, als er es von sich für möglich gehalten hätte... Aber Duo war auch ein
sehr wortgelenkter Typ.
Heero seufzte erneut. Warum nur wollte Duo unbedingt diese Worte hören? Warum reichten die
Gesten nicht aus? Das war schon schwierig genug... aber es sagen?
Heeros stand auf und verliess das Zimmer und das Gebäude. Duo war wahrscheinlich irgendwo auf
dem Gelände und versuchte, sich ab zu reagieren.
Bis auf den Vollmond war es dunkel. Grillen zirpten... Eigentlich eine romantische Stimmung. Aber
Heero hatte einen Auftrag. Und der lautete, wie so oft, Duo.
Er fand ihn schliesslich auf einer Bank sitzend, wie er wütend vor sich hin starrte.
Duo sah nicht auf, obwohl er Heero längst gehört hatte. Er war wütend, ja. Aber noch mehr hatte er
Angst. Er würde es Heero diesmal nicht einfach machen. Aber was, wenn Heero entschied, dass es
das nicht mehr wert war?
Heero setzte sich neben ihn.
Duo sah nicht auf. "Hast du dich doch noch entschieden her zu kommen?" Ein leiser Sarkasmus
schwang in der Stimme mit.
Heero atmete hörbar aus. Er hatte auch keine sonderlich gute Laune. Diese Mission zog sich dahin,
ohne Nachricht. Es war frustrierend. Dazu kam nun auch noch ein schmollender Liebhaber. "Was ist
es diesmal?", fragte er und klang barscher, als er vor hatte. Er wollte Duo ja eigentlich beruhigen.
Duo schnaubte. "Diesmal?" Er lachte traurig. "Bin ich das für dich? Eine Aneinanderreihung von
unangenehmen Momenten, aus denen du uns wieder rausholen musst? Einfach ein 'Diesmal', das
dich mal wieder genervt hat? Was muss ich tun, damit du überhaupt mit mir redest? Überhaupt
bemerkst, dass ich auch noch da bin?"
Heero hob eine Augenbraue. Ansonsten veränderte sich sein Ausdruck nicht. Wirkte sein Verhalten
wirklich SO auf Duo? Das war doch niemals seine Absicht... Es war nun mal Krieg! Ein Krieg, den sie
beenden sollten! Und sie sassen einfach in diesem Loch von Schule und mussten seit Ewigkeiten nur
warten! "Das ist es nicht."
"Hmpf. Ach was. Was ist es dann?"
"Die Mission geht nicht voran."
Duo seufzte melodramatisch und wandte sich schliesslich nach Heero um. "Okay, der perfekte Soldat
ist frustriert. Das verstehe ich sogar. Glaubst du, mir geht es anders? Trotzdem ignoriere ich dich
nicht! Wir sind hier, wir haben nichts zu tun... Warum können wir die Zeit nicht für uns nutzen?"
"Verdammt! Wir sind im Krieg, Duo!"
"Was du nicht sagst. Aber daran können wir im Moment nichts ändern!"
Das brachte eine Reaktion auf Heeros Gesicht zu Tage. Kaum zu sehen, aber... Es zeigte
Verzweiflung. "Ich kann nun mal nicht einfach 'abschalten', wie du." Er wurde sanfter. "Aber das ist
auch gar nicht das Problem, nicht?"
Duo schüttelte traurig den Kopf. "Es ist nicht nur die Mission, die nicht voran kommt. Was ist mit uns?"
Aha... nun kamen sie also auf den Punkt. "Ich denke, das weisst du."
"Nein, das weiss ich nicht!", schrie Duo. "Ich liebe dich, gottverdammt noch mal! Aber was ist mit dir?
Was ist mit uns? Ist da überhaupt ein uns? Wie lange wird das noch dauern? Wann hast du genug
von mir? Was ist für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir den Krieg überleben? Was dann?! Du
zeigst mir jeden Tag aufs Neue, dass du nicht überleben willst!" Er verwarf die Hände. "Klar, wozu
dann auch gefühlsduselig werden? Wir kratzen ja morgen eh ab!" Tränen liefen über sein vor Wut
gerötetes Gesicht. "SCHEISSE!!!"
Duo begann zu zittern. So redselig er auch war, das Essenzielle behielt er ansonsten meistens für
sich... Dieser Ausbruch kostete ihn mehr Kraft, als er angenommen hatte.
Heero schwieg lange. "Ich möchte nicht sterben", flüsterte er schliesslich.
Duo sah überrascht auf.
"Warum glaubst du denn, dass ich sterben möchte, wo ich doch endlich einen Grund habe, leben zu
wollen?"
"Was?" Seine Stimme zitterte, liess ihn im Stich.
Heero zitterte ebenfalls, wenn auch etwas leichter. Seine stoische Maske bröckelte. Er zögerte, holte
mehrmals Luft, etwas zu sagen und brach wieder ab. Dann hob er vorsichtig die Hände und umrahmte
Duos Gesicht.
In Duos Augen leuchtete Hoffnung.
Heero sah es und lächelte. Das war für den sprunghaften Amerikaner selten. Er mochte vielleicht oft
reden und lachen... aber er hatte schon zu viel verloren, um wirklich noch an die Hoffnung zu
glauben... Und Heero lächelte, da er der Grund war, dass es für ihn doch noch Hoffnung gab. Er
beugte sich etwas vor und küsste Duo federleicht auf die Lippen.
Duo öffnete den Mund und schaute sein Gegenüber fragend an. 'Heero?', er bewegte nur den Mund,
brachte keinen Ton heraus.
Und Heero zwang sich, nur in diese hoffnungsvollen, violetten Augen zu sehen. Auf dieses
wunderschöne Gesicht. Er wusste doch, was er fühlte. Er hatte es von Anfang an gewusst, seit dem
Moment, in dem Duo ihn gezwungen hatte, seine Gefühle zumindest auszudrücken, wenn er sie
schon nicht in Worte fassen konnte. "Duo... ich..." Sein kleiner, persönlicher Krieg, den zu gewinnen
ihn bei Weitem mehr Überwindung kostete, als sämtliche Selbstzerstörungsknöpfe dieser Welt! Sag
es! Sag es! Sag es! Er holte tief Luft, schloss die Augen, öffnete sie langsam und schaute wieder in
das tiefe Violett. "Duo, ich liebe dich."
Heero machte noch einen Schritt und lächelte. Er erinnerte sich so deutlich an dieses strahlende
Gesicht! Und er konnte es von da an viel öfter sehen. Ein ehrliches Lächeln, nicht das Grinsen
Shinigamis. Duo... mein Duo.
Duo hielt in seinem Gespräch auf der Schaukel plötzlich inne. Er blinzelte und drehte langsam den
Kopf. Seine Augen blieben and der Gestalt hängen, die auf ihn zu kam, sie weiteten sich, und dann
hellte sich sein ganzes Gesicht auf. Er schoss von seinem Sitz hoch und rannte auf den Besucher zu.
"Heero!"
Heero blieb kaum genug Zeit, sich von seinem Beinahe-Trance-Zustand zu lösen, da hatte er schon
zwei Arme voll von emotionalem Duo. Er hielt ihn fest.
"Heero! Du bist hier..." Duo kämpfte schwer damit, die Tränen in den Augen zu behalten.
"Ich bin hier."
Duo küsste ihn überschwänglich, und obwohl Heero solcherlei Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit
unangenehm waren, liess er ihn gewähren... Verdammt, dieser Baka hatte ihm gefehlt.
Duo löste den Kuss und verbarg sein Gesicht in Heeros Halsbeuge. "Ich habe dich so vermisst."
"Ah." Heero hielt seinen Koi noch etwas fester und schloss die Augen. "Ich dich auch."
Eine Weile später sassen sie im Speisesaal.
Duos Übelkeit schien sich - zumindest heute - auf den Morgen beschränkt zu haben, und er konnte
wieder richtig zuschlagen.
Heero sass ihm die meiste Zeit stumm gegenüber und hörte seinen Erzählungen zu. So verlief ihr
gemeinsames Essen meistens. Duo redete zwischen seinen Happen und Heero hörte zu. Es gab ihm
beinahe das Gefühl, als seien sie zu Hause, und er war froh, dass Duo ihnen einen kleinen
Zweiertisch am Rande des Saales gesucht und sich von seinen üblichen Begleiterinnen höflich
entschuldigt hatte. Er hatte ihn für sich alleine.
"Und? Wie ist dein Auftrag verlaufen?", fragte Duo schliesslich.
Heero wurde aus seinen Gedankengängen geholt und er überlegte einen kaum merklichen Moment
lang. "Gut. Keine Probleme."
Duo nickte. "Aha. Worum ging's überhaupt?"
"Personenschutz."
Duo grinste. "Sag bloss, dir ist langweilig...?"
Heero erwiderte das Grinsen. "Nun, es ist nicht so herausfordernd, wie zu fünft einen Krieg gegen den
Rest der Welt zu führen, aber wenigstens halten mich meine Gefühle für dich nicht mehr davon ab,
meinen Auftrag zu erfüllen."
"Du bist aber auch leicht zu beeinflussen", witzelte Duo.
Heero lachte leise und warf einen Blick auf ihre leeren Teller, dann leuchtete das Glimmen des Jägers
in seinen Augen, als er aufsah. "Du hast mal was von einem grossen Bett gesagt..."
Duo kicherte. "Ein grosses, warmes, weiches Bett..."
"Bist du müde?"
"Nicht im Geringsten."
"Gut." Er blickte knapp über Duos Schulter. Sie waren weit genug von den anderen Leuten im Saal
entfernt, und die waren alle mit sich selbst beschäftigt... Er griff kurzerhand über den Tisch, legte seine
Hand in Duos Nacken und zog ihn zu sich.
Duo seufzte glücklich. Etwas an Heeros Küssen liess ihm jedes Mal Flügel wachsen. Er fühlte sich, als
könne er fliegen, wenn sich ihre Lippen zärtlich berührten.
Lange teilten sie kurze, kleine Küsse, ohne sich zwischen ihnen wirklich zu trennen. Ihre Zungen
berührten sich flüchtig und zogen sich immer wieder zurück.
Heero biss Duo neckisch in die Unterlippe und zog sich etwas zurück. "Gehen wir?"
Duo nickte. "Mit dir? Aber immer doch." Er grinste.
Und auf ihrem Weg in Duos Zimmer erinnerte sich Duo an ihren ersten Kuss...
Duo lag auf dem Krankenbett und überlegte wieder und wieder, warum Heero ihn gerettet hatte... Sein
Auftrag war es, ihn zu töten, nicht ihn zu befreien. Und diese Bemerkung, er würde ihn nur töten, wenn
das sein Wunsch war...
Durch diese Aktion hatte Heero sich und seine Mission in Gefahr gebracht. Wieso?
Duo drehte sich auf die Seite und bereute es auch gleich wieder. Er legte sich zurück auf den Rücken
und hielt sich die schmerzenden Rippen. Dann seufzte er und schüttelte den Kopf. Es war zwar ganz
nett noch am Leben zu sein, aber er sollte nicht zu viel in Heeros Rettungsaktion hineininterpretieren.
Bestimmt hatte Heero gedacht, Duo würde ihm noch einmal nützlich sein.
Aber, hey, ein Mann konnte doch träumen, oder?
Duo grinste. Ja, klar, Heero würde ihn standesgerecht erschiessen, würde er Annäherungsversuche
starten. Aber dafür hatte er ja seine Gedanken, und die gehörten nur ihm allein. Und in diesen konnte
er seinen Kameraden 'mein kleiner, süsser Hee-chan' nennen, ohne gleich gemeuchelt zu werden.
Bei dem Bild musste Duo laut lachen, den Schmerz an seinen Rippen ignorierte er einfach.
Die Türe öffnete sich und das Objekt seiner Begierde trat ein.
Duo setzte sich. "Ohayo!", grüsste er ihn mit einem absolut lächerlichen Grinsen auf dem Gesicht, da
ihm immer noch diese abstruse Szene im Kopf herumschwirrte.
Heero nickte ihm zu. "Etwas ist auf der Mondbasis am Laufen. Ich warte noch auf mehr
Informationen." In seinem Kopf beschäftigte ihn ebenfalls der Gedanke, weshalb er Duo gerettet hatte.
Genau wie bei Relena! Diese beiden hielten ihn immer wieder von seiner Mission ab! Er warf einen
flüchtigen Blick auf Duo und stellte fest, dass dieser aber in ihm noch etwas anderes auslöste als
Relena... Nur was?
Er wusste, bei Relena war es eine Erinnerung... 'Hast du dich verlaufen, Brüderchen?' Ein kleines
Mädchen mit seinem Hund... ihr schuldete er sein Leben... Der Tag, an dem er das Mädchen getötet
hatte, war der Tag, an dem er zu lächeln aufhörte. Das kleine Mädchen... Ihre Augen waren wie
Relenas.
Aber was war mit Duo...?
Dieser schwang sich so elegant wie möglich von seinem Bett, um die Verletzungen zu verdecken. Er
wog Pro und Kontra einer Idee ab, die sich in seinem Hinterkopf formte. 'Hm... Soll ich...? Oder soll ich
nicht...? Entscheidungen, Entscheidungen...' Er grinste. Falls Heero ihn dafür tötete, war es das wert...
Er trat auf den stoischen Piloten zu. "Ne, Heero...?"
Heero drehte sich mit einer perfekt sitzenden Maske der Gefühllosigkeit zu ihm um.
Bei dem Anblick zögerte Duo kurz. Dann dachte er 'Zur Hölle! Was soll's...' und beugte sich vor, um
dem Jungen vor sich einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Als er sich löste, erwartete ihn ein Bild,
das er nicht erwartet hatte...
Heero war verwirrt. Er starrte Duo mit weit aufgerissenen Augen an und wusste nicht weiter. Es war
genau das, worüber er sich davor noch Gedanken gemacht hatte. Das Gefühl, das bei Duo anders
war als bei Relena, überwältigte ihn bei diesem Kuss mit noch grösserer Wucht als sonst.
Duo versuchte die unangenehme Stille zu durchbrechen. "Oi, man, schon okay. Ich wollte mich nur
bedanken", hastete er. Er wollte Heero nicht so durcheinander bringen. Er hatte eher einen Kinnhaken
oder eine Kugel im Kopf erwartet... aber nicht das...
Die Worte suchten sich einen äusserst gewundenen Pfad in Heeros Kopf und es dauerte
entsprechend lange, bis er sie wahr nahm. Duo wollte sich bedanken? Nichts weiter. War er jetzt
erleichtert oder enttäuscht? In seinem momentanen Zustand der Verwirrung konnte er gar keine
rationale Antwort auf die Frage finden, und zu seinem Entsetzen stellte er fest, dass er das auch nicht
wollte... Er presste die Augen zwei Sekunden lang zu.
Duo beobachtete das Ganze mit Unbehagen. Und als er sah, wie Heero die Augen wieder öffnete fiel
ihm beinahe der Unterkiefer ab. Heeros Ausdruck war flehend, vielleicht für jeden anderen nicht zu
erkennen... für Duo schon. Stumm bat er Duo um etwas, was dieser nicht wusste.
Heero machte einen Schritt vorwärts.
Und da konnte Duo noch etwas anderes als Verwirrung in den blauen Tiefen von Heeros Augen
erkennen. Er machte ebenfalls einen Schritt nach vorne und überlegte sich die richtigen Worte.
"Heero, du sagst immer, man soll auf seine Gefühle hören..."
Heero nickte, mehr als Bestätigung es mal gesagt zu haben, als um zu zeigen, dass er die Bedeutung
der Worte in diesem Fall auch verstand.
Duo wartete geduldig, bis Heeros Gesichtsausdruck ihm einen Hinweis gab, dass dieser verstanden
hatte. Und der Hinweis kam.
Heero entspannte sich, schmolz unter Duos warmem Blick dahin.
Duo lächelte, als sich Heeros Gesichtsmuskeln der Reihe nach - und nur für ihn sichtbar - lösten und
beugte sich wieder zu einem Kuss nach vorne. Diesmal aber hielt er länger an. Duo legte nun alle
Gefühle mit hinein, nicht mehr nur die kecke Neugierde von vorhin. Er bewegte seine Lippen sanft
gegen die des anderen, und als er ihn zögernd erwidern spürte, seufzte er zufrieden. Er liess Heero
das Tempo vorgeben, wartete, bis dieser seinen Mund leicht öffnete.
Heero fühlte sich, als würde eine riesige Last von seinen Schultern fallen. Trotzdem brauchte er eine
Weile, bis er den zärtlichen Kuss erwidern und Duos Körper mit seinen Armen umfangen konnte.
Duo seufzte leise im Schlaf und rutschte näher an den warmen Körper neben ihm. Er lächelte, als er
langsam wach genug wurde, um sich zu erinnern, woher die Wärme kam. "Guten Morgen", hörte er
den anderen flüstern.
"Morgen", erwiderte Duo verschlafen. Dann hob er den Kopf und küsste Heero lange. Und gerade als
er den Kuss vertiefen wollte, unterbrach ihn das unverschämte Grollen seines Magens.
Heero lachte leise. "Hunger?"
Duo schien einen Moment darüber nachzudenken und nickte schliesslich, als sich bei dem Gedanken
an Essbares sein Magen nicht beschwerte.
Heero seufzte. "Dann werden wir wohl aufstehen müssen."
Duo grinste breit und schüttelte den Kopf. "Müssen wir nicht. Aber reich mir doch mal das Telefon
neben dir auf dem Nachttischchen..."
Heero grinste ebenfalls und tat, was Duo ihm gesagt hatte.
Duo tippte drei Ziffern ein und wartete, bis am anderen Ende jemand antwortete. "Ohayo!", rief er
fröhlich.
-Ich hab gehört, du hast Besucht...-, klang es vom anderen Ende aus amüsiert.
Duo lachte. "Yep. Und wir wollen noch nicht aufstehen und haben Hunger..."
Das andere Ende lachte mit ihm. -Das Übliche mal zwei, ist das in Ordnung?-
"Ja, danke."
-Ist in einer halben Stunde oben.-
"Danke, du bist super! Bis bald mal wieder!" Er legte auf und strahlte Heero an. "Wir haben noch eine
halbe Stunde... Was meinst du, sollten wir die nicht sinnvoll nutzen?"
"Aber absolut."
Sie überwanden sich erst gegen Mittag, das Zimmer zu verlassen und schlenderten nun über das
Gelände.
Duo griff nach Heeros Hand und lehnte sich an ihn. "Ich bin froh, dass du hier bist."
"Ah. Das bin ich auch."
"Wann musst du wieder zurück?", fragte er etwas wehmütig.
"Morgen Nachmittag."
Duo seufzte und klammerte sich etwas fester.
Heero fuhr fort: "Aber ich habe Une gesagt, dass ich so was wie letzte Woche nicht noch einmal
dulde. Wenn ich sage, ich komme hierher, dann komme ich auch hierher."
Duo lachte, aber es schmerzte ihn trotzdem ein Bisschen, und er zwang den morgigen Nachmittag
aus seinen Gedanken. "Was hat sie gesagt?"
Heero zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Sie hat keine Wahl. Beim nächsten Mal steige ich aus,
bis du wieder nach Hause kommst."
Duos Augen weiteten sich. "Das hast du ihr gesagt?"
Heero wandte sich nach ihm um. "Natürlich. Ich weiss, dass sie so lange nicht auf mich verzichten
wollen, und ich will dir nicht noch mal wehtun. Es wird nicht wieder passieren", schloss er de facto.
Duo leuchtete und küsste Heero geräuschvoll. "Du bist ein Goldstück, Heero Yuy."
Heero strich Duo liebevoll über eine Wange. "Du bist für uns beide hier. Und wenn ich nicht gewusst
hätte, dass sie mich dringend brauchen, wäre ich von Anfang an bei dir geblieben. Aber ich lasse nicht
zu, dass ich dich auch nur noch ein Mal deretwegen verletzen muss. Dann müssen sie sich eben auf
ihre anderen Agenten verlassen."
Duo drückte ihn fest an sich und vergrub sein Gesicht in seiner Halsbeuge. Warme Hände strichen
ihm über den Rücken und liessen ihn wissen, dass Heero sein Wort halten würde.
Nach langen Minuten fragte Duo schliesslich. "Apropos Agenten... Du hast nicht etwas von Wufei
gehört?"
Heero schüttelte den Kopf. "Nein, er ist nur noch in der Missionsplanung tätig. Er nimmt die Aufträge
an und schickt die Pläne zurück. Der Datenweg ist jedes Mal so zerhackt, dass man ihn nicht
zurückverfolgen kann."
"Du auch nicht?"
Heero schwieg eine Zeit lang. "Ich könnte... Aber es ist seine Privatsache, ob er gefunden werden will
oder nicht."
Duo nickte. "Du hast Recht... Trotzdem. Ich fühle mich nicht gut und wüsste gerne, wie's ihm geht."
"Quatre hat auch schon alle Hebel in Bewegung gesetzt. Er hat auch mich schon gefragt, ob ich ihn
nicht zurückverfolgen könne."
Duo zögerte. "Du... Denkst du, er lebt noch?"
Sie beide wusste, dass er nicht von Wufei redete.
Heero fasste zusammen: "Du weisst, alle Teile, bis auf das Cockpit, wurden gefunden... und wir waren
beide der Ansicht, dass man Wufei nach Kriegsende nicht wirklich einen Verlust ansehen konnte..."
Duo nickte.
Etwas zögernd fügte Heero noch etwas an: "Da ist noch etwas anderes..."
Duo sah auf.
"... Une ist in letzter Zeit oft in China gewesen... Das ist an und für sich nichts Aussergewöhnliches,
aber sie hat Marimeia jedes Mal mitgenommen..."
Wieder nickte Duo, diesmal erleichtert und grinste. "Verstanden."
Woche 19 - Samstag
Duo stand im Park vor einer Staffelei und pinselte drauf los. Nun ja, nicht wirklich einfach drauf los, er
war beinahe mit dem Bild fertig, das er vor zwei Wochen angefangen hatte.
Es war ihm glücklicherweise nicht schwer gefallen, sich Hobbies ausser Sport zu suchen, und Malen
schien ihm besonders zu liegen.
Das Bild an dem er gerade arbeitete, war eines von Heero und sich selbst, wie sie schlafend auf
'seiner' Schaukel gelegen hatten. Sina hatte ein Foto gemacht.
Er stand an derselben Stelle, an der Sina gestanden haben musste und benutzte die meiste Zeit nicht
das Bild, sondern die Landschaft als Vorlage. Er hatte noch ein paar Ausbesserungen zu machen,
hier und da noch einen Schatten oder einen Lichtreflex zu verbessern, würde aber wohl in den
nächsten zwei Stunden oder so fertig sein.
Dieses Wochenende konnte Heero nicht herkommen. Aber das war schon okay, da Duo darauf
vorbereitet gewesen war und sich nun halt auf das nächste freute. Und während dem Tag fühlte er
sich nie so einsam wie nachts.
Nach einer Weile hörte er hinter sich Schritte... Zwei Personen. Er brachte noch drei Lichttupfer auf
die Leinwand und grinste... Diese beiden kannte er. Und kurz bevor einer der beiden etwas sagen
konnte, sagte er: "Tag, ihr zwei. Kommt ihr mich in meinem Exil besuchen?" Er drehte sich um und
stand einem vor Freude fast platzenden Quatre und einem wie immer gelassenen Trowa gegenüber.
Duo legte den Pinsel zur Seite und umarmte Quatre, der sich ihm gleich an den Hals warf.
"Ist das schön, dich zu sehen!", tschirpte der blonde Junge.
"Ich freu mich auch, euch zu sehen", erwiderte dieser. "Wie habt ihr mich gefunden?"
"Heero", antwortete Trowa, da Quatre vor Freude offenbar die Luft weg blieb.
Quatre nickte. "Wir wollten euch besuchen, aber nur er war zu Hause..." Er stoppte plötzlich und
schob sich mit hochroten Wangen etwas weg.
Duo blinzelte überrascht, bis er den Grund für Quatres Unsicherheit erkannte und ihn angrinste.
Quatres Augen wanderten unvermittelt zu Duos Bauch und er stotterte: "Ich hab dich doch nicht zu
fest gedrückt, oder?"
Duo lachte laut los, dann drückte er den unsicheren Jungen wieder fest an sich. "Hast du nicht",
versicherte er.
Trowa lächelte ebenfalls leicht. "Ich muss zugeben, wir waren überrascht zu hören, wo du bist. Und
vor allem weswegen."
Quatre schnappte plötzlich nach Luft. "Hat... hat es sich gerade bewegt?"
Duo starrte ihn überrascht an. "DAS hast du gespürt? Ich dachte nicht, dass man von aussen schon
etwas fühlen kann."
Quatre legte ausser sich eine Hand an die Stelle und schnappte mit der anderen nach einer von
Trowas. Er legte dessen Hand ebenso darauf.
Duo liess es über sich ergehen und war amüsiert zu sehen, dass Trowas Wangen einen leichten
Rotschimmer annahmen.
Trowa nickte nach einigen Momenten langsam. "Ja, ganz schwach zwar, aber etwas ist spürbar." Und
er hätte es wohl für Darmaktivitäten gehalten, hätte er es nicht besser gewusst.
Auf Quatres Begeisterung hin grinste Duo breit und stupste Trowa an. "Sieht aus, als wäre er der
nächste." Er zwinkerte und lachte laut, als Trowa seinen Blick etwas überfahren erwiderte.
Quatre bekam davon wenig mit. Er leuchtete einfach über sein ganzes Gesicht und hätte mit der
Energie wahrscheinlich eine ganze Kolonie für ein Jahr lang versorgen können.
Trowa warf einen Blick auf den jungen Araber und lächelte. Der Junge strahlte eine solche Wärme,
Herzlichkeit und Güte aus. Etwas, das er nie vergessen könnte, auch nicht, als er sich nicht an ihn
erinnerte...
Trowa sass in seiner Kabine auf dem Bett und starrte vor sich hin. Heute hatte er gekämpft... Er
wusste nicht wirklich wofür und wer die Leute waren, an deren Seite er kämpfte... oder woher er
wusste, wie man kämpft...
In seinem Kopf war ein grosses, schwarzes Loch, wo seine Erinnerungen sein sollten. Ein schwarzes
Loch voller Angst, Schmerz und Unsicherheit.
Er erinnerte sich nur an seine grosse Schwester, die versucht hatte, ihn vom Kämpfen abzuhalten und
schliesslich versagte.
Er musste kämpfen... nur... Wofür? Mit wem? Wie?
Da war dieser Junge. Ein blonder Junge. Kleiner als er. Er hatte sich offensichtlich grosse Sorgen um
ihn gemacht... vielleicht auch Vorwürfe.
Er fragte sich, was dieser kleine Engel in einem solchen Krieg verloren hatte. Er war doch so
unschuldig und liebenswert und freundlich. Niemand, der in den Kampf ziehen sollte.
Aber da war noch etwas an diesem Jungen. Er erinnerte sich, was sein erster Gedanke war, als er ihn
im Zirkus zum ersten Mal wieder gesehen hatte... 'Ich habe Gefühle für ihn...', hatte er Gedacht.
Gefühle. Ja, da waren Gefühle. Denen, die der Junge ausstrahlte, nicht unähnlich. Sie waren warm...
Er fühlte sich geborgen in seiner Nähe.
"Quatre...", kam es aus seinem Mund. Ja, das war sein Name...
Trowa wusste nicht was er tat, als er aufstand und seine Kabine verliess. Erst, als er vor der Kabine
seines Kollegen war, wurde ihm bewusst, dass es nicht das erste Mal gewesen sein konnte, dass er
seine Nähe suchte. Er musste das früher auch schon getan haben. Früher... in dem Früher, an das er
sich nicht erinnern konnte.
Fast unbemerkt hob er seine Hand und klopfte leise an.
Von drinnen klang ein müdes aber freundliches Herein.
Trowa öffnete die Türe und blieb lange stehen.
Quatre sah von seinem Lager auf und blinzelte, als ihn das Licht vom Flur traf. "Trowa?"
Trowa nickte nur.
"Ist etwas nicht in Ordnung?", fragte der Junge besorgt.
Trowa dachte über die Frage nach und antwortete schliesslich: "Ich weiss es nicht."
Quatre rieb sich noch einmal über die Augen und stand auf. Er trug ein T-Shirt und Shorts und machte
ein paar Schritte auf den grossen Jungen zu. "Ist etwas passiert? Hast du geträumt?"
Trowa schüttelte den Kopf und sah, wie sich Quatres Augen besorgt noch mehr weiteten. Schnell
suchte er nach Worten, diese Besorgnis zu lindern. "Ich habe nur nachgedacht, woran ich mich nicht
erinnern kann..."
Quatre nickte und lächelte, die leise Wehmut dahinter versuchte er zu verdecken.
Trowa sah es trotzdem. Eine seiner Hände bewegte sich etwas, er liess sie aber weiter an seiner
Seite herab hängen. "Als wir heute gekämpft haben..."
Quatre nickte wieder. Er würde Trowa Zeit geben, alle Zeit die er brauchte... Aber, Gott, es tat weh...
"Mein Körper hat sich erinnert, wie ich kämpfen muss...", fuhr Trowa fort.
Quatre nickte. "Das hast du gesagt, ja."
Trowa zögerte. "Aber da ist noch etwas... Mein Körper... erinnert sich an dich...", schloss Trowa
flüsternd und hatte Angst, sein Gegenüber könnte das falsch verstehen. "Immer, wenn ich bei dir bin,
möchte ich..."
"Was möchtest du?"
Trowas Hand zuckte wieder, aber diesmal liess er zu, sie zu heben. Er legte sie sanft auf Quatres
Wange, strich mit dem Daumen den Wangenknochen nach. "Dich berühren", hauchte er.
Quatre zitterte, Tränen schossen ihm in die Augen und liefen seine Wangen hinab, trafen auf Trowas
Hand.
Trowa strich mit dem Daumen sachte über Quatres Lippen, als er sehen konnte, dass diesem solche
Erinnerungen nicht fremd waren. Fragend betrachtete er den Junge vor sich. Er wusste nicht, was er
sagen sollte... Seine Augen fragten schliesslich 'Waren wir? Wir waren...?'
Quatre nickte nur auf die unausgesprochenen Worte hin.
Und als Trowa sich zu ihm beugte und die salzigen Lippen des Jungen mit seinen eigenen berührte,
verschwand der stechende Schmerz in seiner Brust, den er jedes Mal fühlte, wenn er Quatre zu
verstehen geben musste, dass er sich nicht an ihn erinnern konnte...
Duo entschied sich dafür, sich mit seinen beiden Besuchern in den Pavillon zu setzen. Der Grund
dafür war einfach: Am Nachmittag wurde dort Tee serviert. Bisher hatte Duo davon keinen Gebrauch
gemacht, dachte sich aber, dass Quatre das gefallen würde... Und natürlich hatte er recht damit.
Quatre verbrachte allerdings beinahe mehr Zeit damit, Duo mit Fragen über sein kleines Wunder zu
löchern, als Tee zu trinken.
Trowa sass still daneben und seufzte ab und zu über Quatres Enthusiasmus. Er dachte sich, wenn
das so weiter ginge, würde Duo mit seiner Bemerkung am Ende noch Recht behalten.
Und Duo war am Erzählen: "Erst hab ich mich ja noch gefragt, ob das Ganze nicht auch ohne
Gebärmutter gehen müsste. Irgendwo im Bauch hat es doch bestimmt genug Platz, aber Heero
meinte, eine Bauchhöhlenschwangerschaft sei innert zwei Tagen tödlich... na ja, schätze, dann war
diese Möglichkeit wohl doch besser." Er grinste.
Trowa blinzelte. "Ich wusste nicht, dass Heero ein Experte dafür ist."
Duo zuckte die Schultern. "Er meinte, er habe diese Mission angenommen und müsse somit alles zur
Verfügung stehende Material kennen. Du weisst ja, wie er in seinem 'Missions-Modus' ist."
Trowa nickte und lächelte leicht, und Quatre kicherte fröhlich und stellte sich vor, wie sich Heero durch
Tonnen von Büchern zu Schwangerschaft und Geburt wühlt... Dann fragte er weiter: "Habt ihr euch
schon für Namen entschieden?"
Duo stiess laut Luft aus. "Er will es unbedingt Duo nennen, wenn es ein Junge ist. Also mal ehrlich, ich
will doch nicht, dass mein Kind so heisst, wie ich! Ich hoffe jetzt einfach, dass es ein Mädchen wird,
dann kann ich mir einen Namen aussuchen." Er lachte unheilvoll und sein düsteres Grinsen teilte sein
Gesicht beinahe in zwei Hälften.
Quatre hob vorsichtig eine Augenbraue. "Wie würdest du ein Mädchen denn nennen?"
"Sag ich nicht", grinste er. "Heero meinte, ich könne ja doch nicht die Klappe halten... Der wird sich
wundern. Kein Wort sage ich! Das bleibt mein Geheimnis, bis es auf der Welt ist. Und ich weiss
genau, es wird ein Mädchen. Allein schon, weil ich sein dummes Gesicht sehen will." Wieder lachte er.
Quatre lachte gut gelaunt mit und Trowa wärmte langsam für den Gedanken auf, den sein Geliebter
ohne Zweifel in seinem Kopf trug.
Quatre zupfte Duo am Ärmel. "Duo, sag mal..."
"Hm? Was denn?"
"Kann ich dich was Persönliches fragen?"
Duo lachte. Die meisten Fragen bisher waren persönlich gewesen.. "Klar, Q. Schiess los."
"Ähm... Wie ist das eigentlich mit Sex?"
Quatre machte so ein verlegenes Gesicht, dass Duo einfach lachen musste. Quatre wurde noch röter
und Duo beruhigte sich langsam. "Na ja... der Arzt sagte, es bestehe keine Gefahr solange wir es
nicht übertreiben. Und solange es natürlich technisch möglich sei..." Duo lachte wieder.
Es dauerte zwei Sekunden, bis die letzen Worte bei Quatre gesunken waren, dann wurde er wieder
rot und lachte mit.
Die fröhliche Runde wurde von einer Pflegerin unterbrochen. "Duo! Da bist du!"
Duo guckte auf die Uhr und machte ein schuldbewusstes Gesicht. "Sorry... Hab die Zeit vergessen..."
Die Pflegerin seufzte. "Zum Glück wirst du betreut... Ich möchte gar nicht wissen, wie du sonst an die
Injektionen denken würdest." Sie angelte eine kleine Druckpistole aus ihrem Koffer.
Duo krempelte seinen Ärmel hoch und grinste. "Entweder würde mich Heero dran erinnern müssen,
oder ein Wecker oder so was..."
Sie setzte die Pistole an seinen Arm. *zack* "Na, bitte. Schon vorbei."
"Was bin ich froh, dass ihr hier keine Nadeln habt. Ich hasse Nadeln!"
Die Pflegerin lachte. "Du brauchst zwei Injektionen am Tag. Ich wüsste wahrscheinlich schon gar nicht
mehr wo stechen." Sie klopfte ihm wohlwollend auf den Arm. "Bis zum nächsten Mal."
Duo grinste. "Danke, Perette."
Duo schaute auf die Sonne, die bereits begann, sich langsam zu senken. " Und... Müsst ihr schon bald
wieder zurück?"
Quatre schüttelte den Kopf. "Wir bleiben bis morgen. Wir gehen über Nacht in die Stadt."
"Oh, ihr müsst nicht in die Stadt", warf Duo ein. "Ihr könnt auch hier ein Zimmer haben."
"Geht das denn?", fragte Trowa.
Duo nickte eifrig. Ihm gefiel der Gedanke nicht, dass sie ganz in der Nähe sein würden, aber doch
nicht bei ihm... Er sagte es zwar nicht, freute sich aber wirklich sehr über den Besuch. "Besucher sind
hier immer mit eingeplant."
Quatre wechselte einen kurzen Blick mit Trowa und lächelte. "Dann bleiben wir gerne."
Trowa nickte knapp.
Duos Gesicht hellte sichtbar auf.
Beim Abendessen dagegen ging es ihm langsam wieder schlechter. Zum einen war ihm übel, und
zum anderen wurde er zusehends depressiver. Er versuchte, das Essen runter zu würgen und seinen
beiden Besuchern gute Laune vor zu spielen. Es gelang ihm nicht, die beiden hatten schon die aller
ersten Anzeichen seiner gespielten Fröhlichkeit bemerkt, und Duo fiel es zunehmend schwerer, sie
aufrecht zu erhalten.
Dazu kam noch, dass Duo müder und müder wurde, aber nicht in sein Zimmer wollte, da er wusste,
dass es dort bestimmt wieder schlimmer werden würde.
Quatre schliesslich setzte dem ein Ende. "Duo, du kippst gleich vom Stuhl..."
Duo wollte sich gleich verteidigen und schüttelte den Kopf.
Quatre liess ihn nicht zu Wort kommen - was bei einem Duo Maxwell schon schwierig genug war -
und fuhr nach einem kurzen Blick zu Trowa fort: "Na, komm. Wir kommen mit dir." Er stand auf und
nahm Duo beim Arm.
Der schaute verwirrt aus der Wäsche. "Hä?"
Quatre zuckte die Schultern. "Wär nicht das erste Mal, dass wir ein Lager teilen, Duo. Mit dem
Unterschied, dass dein Bett wohl grösser und bequemer ist, ne?" Er zwinkerte vergnügt.
Duo senkte seinen Blick, beschämt, dass die zwei so leicht durch seine Fassade blicken konnten.
"Das müsst ihr nicht..."
Trowa legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Das ist kein Problem, Duo. Du solltest nicht alleine sein."
Duo schniefte und hielt vorerst noch erfolgreich seine Tränen zurück, die sich einen Weg nach
draussen suchten, aus weiss der Himmel für einem Grund... Dann nickte er und liess sich auf sein
Zimmer bringen.
Kurze Zeit darauf lag er im Bett, Quatre lag vor ihm und Trowa gegen seinem Rücken und hielten ihn
fest. Er atmete ruckartig und kämpfte immer noch mit seinen Tränen. Er wollte nicht weinen. Jungs
weinen nicht! Schon gar nicht, wenn sie nicht einmal den Grund dafür kennen... Oder zumindest
sollten sie nicht weinen, wenn jemand da war, um es zu sehen...
Quatre strich ihm beruhigen über das Gesicht und die Haare. "Schsch... ganz ruhig. Heero ist doch
nächste Woche wieder hier. Ist doch schon gut."
Bei der sanften Berührung riss ein tiefer Schluchzer Duo beinahe in zwei Hälften, und er verlor den
Kampf gegen seine Tränen. "Das sind... sind nur die Hormone... und...", schluchzte er.
"Das wissen wir", beruhigte ihn Quatre und strich ihm weiterhin über die Haare. "Eine meiner
Schwestern hat letztes Jahr ein Kind bekommen. Sie war während der Schwangerschaft einfach
unausstehlich", kicherte er.
Duo musste unter Tränen etwas mit lachen. "Aber... aber Jungs weinen nicht."
Quatre nahm sein Gesicht in beide Hände und schaute ihm ernst in die Augen. Er gab ihm einen
sanften Kuss auf den Mund und wartete danach, bis sich seine Überraschung langsam legte. "Wir sind
jetzt Männer, also ist es okay", flüsterte er und zog Duo wieder an sich und liess ihn an seiner Schulter
weinen, bis er geborgen einschlummerte.
Als Duo am nächsten Morgen aufwachte, fühlte er sich immer noch wunderbar geborgen. Schnell
bemerkte er, wie die anderen beiden so quasi über ihn hinweg zärtliche Berührungen austauschten
und grinste breit. "Wenn ich irgendwie im Weg liege, braucht ihr das nur zu sagen." Dann öffnete er
die Augen und sah Quatre, der bereits wieder rot wurde, ihn aber anlächelte.
"Geht es dir besser?", fragte der junge Araber.
Duo nickte. "Diese depressiven Schübe kommen zwar immer sehr plötzlich, verschwinden im
Allgemeinen aber auch schnell wieder." Er schloss kurz die Augen und seufzte, als er sie wieder
öffnete. "Danke. Euch beiden."
Quatre leuchtete und drückte ihn fest an sich. "Gern geschehen."
Der Abschied fiel Duo wieder leichter. Heute war einer der Tage, an denen er Bäume ausreissen
konnte. Er drückte den beiden Jungs nacheinander beinahe die Luft ab und knuddelte Quatre gleich
noch mal dafür, dass der blonde Junge versprach, sie würden ihn bald wieder besuchen kommen.
Er winkte ihnen noch hinterher, bis der Wagen nicht mehr zu sehen war. Gut gelaunt, ging er dann ins
Gebäude zurück. Es war schon saugut, Freunde zu haben! Wirkliche Freunde, denen es auch nichts
ausmachte, ihn eine Nacht lang einfach zu halten.
Er grinste. So ein Bisschen verletzlich zu sein hatte auch seine Vorzüge...
Woche 28 - Mittwoch
Duo hatte sich ein neues Hobby zugelegt: Töpfern. Es war ungemein beruhigend, die zähe Masse
unter seinen Fingern zu formen, während die sich drehte.
Zu Beginn war es ganz schön frustrierend, mindestens jeder zweite Versuch endete in einem
klebrigen Klumpen Lehm auf der Drehscheibe, aber nach ein paar Tagen hatte er sprichwörtlich den
'Dreh' raus.
Er arbeitete gerade an einer ziemlich hohen Vase, und er wusste, die kleinste, falsche Bewegung
würde ihm wieder einen Lehmklumpen bereiten.
"Sehr gut...", lobte er sich, als er den schwierigen Hals fertig bekommen hatte und wollte gerade noch
den letzten Schliff...
"Autsch!"
Die Vase begann nach allen Seiten zu wackeln und brach in sich zusammen.
Duo seufzte und grinste gleich darauf. "Dass du stark bist, war schon klar. Aber hättest du nicht noch
ein paar Minuten warten können?", fragte er und blickte vorwurfsvoll auf seinen Bauch. Dann wusch er
sich die Hände ab.
Wenn man bedachte, dass das Kleine in diesem Stadium gerade mal etwas mehr als 30 Zentimeter
gross war, hatte es einen ziemlichen Tritt drauf...
"Das hast du von deinem Vater..." Er lachte leise und strich sich über den Bauch, der jetzt bereits
sichtlich gewölbt war.
Duo fuhr heftig zusammen, als zwei Arme ihn umfingen.
"Was hat es von mir?"
Mit weit geöffneten Augen drehte Duo sich um. "Was... was machst du denn hier?"
Heero grinste. "Soll ich wieder gehen?"
"Baka", lachte Duo, schlang seine Arme um den jungen Mann vor sich und küsste ihn ausgiebig.
"Also...", fuhr er fort, als er Luft holen musste. "Was machst du hier?"
"Dich besuchen...?" Er lachte herzlich.
Duo hob eine Augenbraue und sagte: "Okay, wer bist du, und was hast du mit meinem Freund
gemacht?"
Sofort versteifte Heero sich verwirrt.
Duo schüttelte nur den Kopf und strich ihm übers Gesicht. "Du machst Witze..." Duo rückte wieder
näher, "... Du lachst...", noch näher, ein kleiner Kuss "... hmmm... und ich liebe dich."
Jetzt verstand Heero auch Duos Bemerkung von vorhin. Ja, er hatte sich schon verändert, wenn auch
nur für Duo... Vielleicht auch für seine wenigen Freunde, aber bei denen natürlich nie in demselben
Ausmass. Er konnte wieder lachen. Duo hatte es ihm beigebracht, und manchmal lachte er bloss, um
das Leuchten in Duos Augen zu sehen, das darauf immer folgte.
Plötzlich schob dieser sich etwas weg. "Moment mal... Du hast mir noch keine Antwort gegeben."
Heero seufzte und wiegte Duo etwas in seinen Armen hin und her. "Da ich am Wochenende arbeiten
muss, hab ich mir einfach heute frei genommen. Ich wollte dich überraschen."
"Ist dir gelungen." Duo strahlte. Er hatte mit dem Jungen erst wieder in eineinhalb Wochen gerechnet.
"Wie lange kannst du bleiben?"
"Bis morgen Mittag." Heero lächelte. Zum einen, weil er wusste, dass es Duo zum Schmelzen bringen
würde und zum anderen, weil er ihn so glücklich ansah, dass er gar nicht anders konnte, als zu
lächeln.
"Also gehörst du bis morgen Mittag mir."
Heero schüttelte den Kopf. "Ich gehöre dir auch, wenn ich nicht hier bin." Dann stutzte er und blickte
nach unten.
Duo verzog nur das Gesicht und beide lachten leise.
"Das hast du jetzt auch gespürt, oder?", fragte Duo.
Heero nickte nur fasziniert, wie immer, wenn er sein Kind spüren konnte.
"So geht's ja auch noch", erklärte Duo. "Vorher hat's mich in die Blase getreten, und ich hab die Vase
verhauen." Er nickte mit dem Kopf zu den traurigen Überresten.
Heero grinste. "So lebendig wie du."
"Ja, und so stark wie du." Er zog eine Grimasse. "Eine gefährliche Kombination, besonders in meinem
Bauch drin."
Heero lachte sanft und zog Duo wieder fester an sich. Er sagte nichts weiter, genoss einfach nur die
Gegenwart seines Geliebten. Wie hatte dieser lebendige Junge ihn doch verändert!
Duo blieb ebenfalls still. Zumindest ein Weilchen... "Ich liebe dich."
Heero nickte nur und sie blieben noch lange stehen.
Beim Abendessen redeten sie dann über dies und jenes, da sie genau wussten, wenn sie wieder
alleine waren, würden sie nicht zum Reden kommen...
"Also", begann Duo. "Wie geht's Trowa und Quatre?"
"Sie waren bei deinem Arzt."
Duo fuchtelte mit den Händen. Das schien er bereits gewusst zu haben. "Und...?", fragte er
ungeduldig.
Heero lachte und stützte sein Kinn auf eine Hand.
Duo hüpfte neugierig auf seinem Stuhl. "Was denn? Wird er es übernehmen? Ist Quatre dazu bereit?
Was ist mit Trowa? Raus damit, verdammt!"
Heero grinste breit. "Ja... ja... freut sich wie ein Schneekönig."
Duo hob beleidigt eine Augenbraue und sortierte die Antworten zu seinen davor gestellten Fragen.
Dann strahlte er. "Ehrlich?"
Heero nickte. "Quatre war nicht mehr davon abzubringen, seit er dich hier das erste Mal besucht hatte.
Aber der Arzt will warten, bis unser Kind zur Welt gekommen ist."
Duo nickte. Die beiden waren seit dem ersten Besuch noch zweimal hier gewesen und Quatre
beneidete Duo jedes Mal mehr. "Was ist mit den Vorbereitungen?"
"Man hat Quatre bereits Zellen entnommen, um das Organ zu züchten. Der Rest muss noch warten."
Duo nickte zufrieden. "Das ist gut. Quatre ist der Richtige dafür."
Heero sagte nichts. Er wusste, dass Duo Zweifel an seinen eigenen Qualitäten diesbezüglich hatte,
aber trotzdem mit seiner Entscheidung glücklich war. "Ach, und noch etwas", fügte er an. "Ich habe mit
der letzten Mission Wufei eine Nachricht zukommen lassen. Vielleicht meldet er sich darauf einmal."
"Glaubst du, er wird?", fragte Duo skeptisch.
"Ich dachte, er meldet sich möglicherweise nicht, weil er denkt, wir wollen nach der langen Zeit nichts
mehr von ihm wissen. Die Nachricht würde solche Zweifel ausräumen."
"Immer auf alle Eventualitäten vorbereitet, ne, Hee-chan?"
"Mit jemandem wie dir bleibt mir gar nichts anderes übrig..."
"Oi!"
Woche 31 - Dienstag
Duo hatte ein neues Bild angefangen. Das Gebäude mit der Umgebung. Es würde eine nette
Erinnerung abgeben, und er brauchte auch kein Foto als Vorlage.
Er säuberte gerade seinen Pinsel und begutachtete sein Werk, als ich eine bekannte Stimme aus der
Starre riss.
"Huhuuu! Duo!"
Seine Augen weiteten sich überrascht und er drehte sich nach der Stimme um. "Hilde!"
Das Mädchen rannte auf ihn zu und warf ihn fast zu Boden, als sie ihn umarmte. "Mensch, Duo!
Warum hast du denn nichts gesagt? Ich hätte dich doch eher besucht!" Sie stiess sich etwas von ihm
und begutachtete ihn von Kopf bis Bauch... "Nun sieh sich einer die Mama an!", rief sie aus und
wuselte Duo durch den Pony.
Duo war noch immer völlig von der Rolle. Sein Mund öffnete und schloss sich, ohne dass er einen
Laut von sich gab.
Hilde grinste selbstzufrieden. "Ha! Ich hab dich sprachlos bekommen!"
Das weckte Duos Sinne wieder. "Na, warte! Das werden wir ja sehen. Du mich sprachlos bekommen?
In deinen Träumen!"
Beide lachten und umarmten sich wieder.
Hilde schliesslich schob sich etwas weg und hob eine kleine Tasche hoch. "Rate mal, was da drin
ist..."
Duo blinzelte. Es sah aus, wie eine Kühltasche...
Sie zwinkerte ihm zu und öffnete sie. "Doppelrahm mit Schokochips. Deine Lieblingssorte."
Duo fiel fast der Unterkiefer ab. "Mensch, Mädel, du bist super! Ich hab kein solches Eis mehr
gegessen seit... seit viel zu lange!" Er lachte begeistert.
Sie lächelte, als ihr Versuch, ihm eine Freude zu machen, offensichtlich einschlug. Sie deutete mit
dem Kopf zu einer Sitzgelegenheit. "Lass uns in den Schatten sitzen und die Beweismittel vernichten."
Triumphierend hob sie zwei Löffel vor seine Nase.
Im kühlen Schatten eines Baumes schob sich Duo schliesslich genüsslich den ersten Löffel in den
Mund. Er seufzte laut und lehnte sich in seinem Stuhl nach hinten. "Ist das gut!"
Hilde lachte. Ja, Duo... Wie er leibt und lebt.
Duo liess den zweiten Löffel natürlich auch gleich folgen. "Schade, dass ich Heero nie davon
überzeugen konnte, so etwas zu geniessen..."
"Ach nein?"
Duo schüttelte den Kopf. Der dritte Löffel. "Nicht, dass er nicht geniessen kann, oder so... Er mag nur
keine Süssigkeiten."
Hilde grinste. "Wie langweilig."
"Du hast eben noch nie gegessen, wenn er gekocht hat."
"Heero kann kochen?"
Duo nickte überschwänglich. "Oh, ja." Dann lachte er. "Er ist hier auch schon einfach in die Küche
marschiert, um für mich zu kochen, wenn ich Appetit auf eines seiner Spezialgerichte hatte..."
Sie grinste noch breiter. "Musste er auch schon mitten in der Nacht aufstehen, um Wassermelone zu
besorgen?"
Duo lachte. "Nein, ich hab's eher mit Würstchen oder Gummibärchen..."
Sie lachte mit. "Oder mit beidem zusammen?"
Duo schüttelte sich. "Was? Nein, bäh!" Dann hob er verschmitzt eine Augenbraue. "Aber ich hab
schon Würstchen mit Vanille-Eis gegessen..."
Hilde verzog bei der kulinarischen Vorstellung das Gesicht.
"So ungefähr hat Heero auch geschaut..." Er lachte wieder und fuhr im Plauderton fort: "Dann hat er
sich erinnert, dass das so ist, weil ich schwanger bin, er hat diesen verliebten Blick bekommen und...
Na ja... sagen wir... Ich hatte keine Gelegenheit mehr, zu Ende zu essen." Er grinste.
Sie kicherte. "Ich weiss nicht, ob es nur an deinem Umstand liegt... Wenn ich daran denke, was du
früher schon alles in dich hinein geschaufelt hast..."
Er zog eine kleine Schnute und hob seine Stupsnase. "Oi! Aber doch nicht so wie jetzt! Ausserdem hat
es wieder nachgelassen. Und ich bin nun mal ein Strassenkind... Ich bin es gewohnt zu essen, wenn
ich kann."
Sie nickte. "Das weiss ich doch..." Dann grinste sie unheilvoll. "Aber ich könnte Heero Sachen
erzählen..."
Er lachte. "Untersteh dich...!"
Erst lachte sie mit, dann lächelte sie ehrlich. "Schön, dich wieder zu sehen."
Er nickte. "Es ist auch schön, dich wieder zu sehen." Er grinste. "Und das Eis."
Woche 36 - Donnerstag
Duo sass in seiner Gruppe auf dem Rasen im Kreis. Gruppengespräch.
Immer wieder rutschte er hin und her. Keine Position schien ihm angenehm. Ständig wurde er von
dem Ungeborenen getreten, die Temperatur, die ihm am Anfang seines Aufenthaltes noch angenehm
schien, war ihm jetzt viel zu warm, er fühlte sich viel zu schwer, konnte kaum noch laufen... und er
wollte einfach nur noch, dass die Zeit endlich um sein würde!
Er verzog das Gesicht. Wieder ein Tritt. Sanft strich er über den Bauch. "Nicht so doll, Kleines",
flüsterte er.
Er blickte in die Runde. Es hatte ein paar neue Gesichter. Er vermisste Sina. Sie war vor einem Monat
mit ihrem Baby - einem Jungen - abgereist. Er vermisste Heero, vermisste Trowa und Quatre, er
wollte endlich nach Hause...
Wieder ein Tritt.
Duo lächelte. Na schön, das Kleine wollte offenbar nicht, dass er in Selbstmitleid versank. Okay, dann
eben nicht.
Nach einer Weile fröhlichen Beisammenseins entdeckte Duo jemanden, der oben an der Treppe zum
Gebäude stand und sich umsah. Er schien jemanden zu suchen.
Duo blinzelte. Die Gestalt kam ihm irgendwie bekannt vor... Leger aber elegant gekleidet, schwarze
Haare, die frei über die Schultern fielen, bronzene Haut... Dann drehte der Unbekannte sich in seine
Richtung... schwarze Mandelaugen.
Duos Augen weiteten sich. Wufei! Er bemerkte nicht, wie er den Namen laut ausgesprochen hatte.
Lenka, neben ihm, stupste ihn an. "Alles in Ordnung?"
Duo nickte abwesend und stand auf.
In dem Moment wurde er von dem jungen Mann bemerkt, der aber ruhig stehen blieb.
Duo lief sofort auf ihn zu, so schnell es ihm noch möglich war und blieb schliesslich drei Meter von ihm
stehen.
"Wufei...?", fragte er, als sei er nicht sicher.
Dieser nickte. "Maxwell."
Duo lachte. Yep, das war Wufei.
Wufeis Augen wanderten mehrmals unsicher auf Duos Bauch, bis dieser ihn mit seinem Blick auffing
und ihn angrinste.
Auf Wufeis ertappten Gesichtsaudruck hin lachte er nur. "Genau das frage ich mich auch jeden
Morgen, wenn ich in den Spiegel schaue..." Duo deutete auf seinen Bauch.
Wufei lächelte auf die Bemerkung hin.
'Mann, noch einer, der sich verändert hat', dachte Duo. Dann nickte er Wufei zu. "Siehst gut aus."
Wufei war sichtlich etwas älter geworden, ruhiger, war etwas grösser, die Haare waren länger und
nicht mehr zusammen gebunden... und die Kleidung sah wirklich gut an dem jungen Chinesen aus.
Und da war noch etwas... ein schwarzes Lederband mit einem goldenen Anhänger um den Hals. Der
Anhänger war ein Drache, der eine Rose umschlang....
"Du auch", kam die Antwort. "Und glücklich."
'Stichwort!', dachte Duo. "Du siehst auch nicht gerade unglücklich aus."
Wufei lachte leicht. "Setzen wir uns." Er deutete auf einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen unter einem
Sonnenschirm.
Duo nickte und sie setzten sich.
Lange sagte keiner was. Duo wusste nicht, was er hätte sagen sollen, und Wufei wusste nicht, wie
beginnen.
Wufei suchte nach einem geeigneten Anfang und ein Bild flackerte vor seinen Augen auf.
"Du hast Fortschritte gemacht, Drache!", lobte Treize.
Wufeis Augen verengten sich. Ein Ausfall! Eine Drehung! Angriff! KISAMA! 'Warum kann er alle meine
Angriffe abwehren?!' "Warum verspottest du mich?!", fauchte er.
Der Kampf dauerte länger als der erste. Aber Treize brach nicht einmal in Schweiss aus.
Wufei griff wieder an und fluchte murmelnd vor sich hin. Er war sich so sicher gewesen, dass er
diesmal gut genug für seinen Gegner sein würde!
Treize wich allen Versuchen elegant aus. "Warum sollte ich dich verspotten, Drache?"
"Nenn mich nicht so!", schrie Wufei in Rage und begann, beinahe planlos auf den General
einzuhacken.
Treizes Bewegungen wurden etwas schneller, aber er schien nicht mehr gefordert als zuvor.
Wufei wurde noch wütender. Dieser aristokratische Bastard! Immer dieses überlegene Lächeln, das
siegessichere Glitzern in den Augen... die eleganten Bewegungen...
"Warum?", fragte Treize. "Bist du nicht vom Clan des Drachen, Chang Wufei?" [1]
Wieder und wieder griff Wufei an. Was glaubte der eigentlich wer er war? Er hatte kein Recht seine
Vergangenheit so blosszulegen! Und warum zum Teufel beendete er das hier nicht endlich?! Treize
war besser! Wozu so lange mit ihm spielen? Um ihn noch mehr zu demütigen? "Warum tötest du mich
nicht endlich?!", schrie er aus.
Treize machte ein paar Schritte um den tobenden Jungen herum. "Ich habe dich bei unserer letzten
Begegnung nicht getötet. Warum sollte es diesmal anders sein?", frage er ruhig.
Treizes sanfte Stimme schickte Schauer über seinen Rücken. Nein! Warum dachte er so über seinen
Feind! Aber diese eisblauen Augen durchbohrten ihn tiefer, als es der Stahl in Treizes Händen jemals
vermocht hätte. 'Gib es zu, Chang! Du bist nicht hier, um gegen Treize zu siegen, sondern gegen dich
selbst!' Wufei schüttelte den Kopf.
Treize beobachtete die Verwirrung des Kämpfers mit Unbehagen. Er schien kurz davor zu stehen
zusammen zu brechen. "Wufei...?"
"Halt den Mund!", brüllte Wufei und zitterte. Er konnte kaum noch sein Katana halten. Die Stimme in
seinem Kopf liess ihn nicht zufrieden. 'Du bist hier, weil du sehen wolltest, ob du ihm widerstehen
kannst, nicht wahr, *Drache*.' Wufei schien fiebrig. "Nein", hauchte er. 'Und das kannst du nicht...',
piesackte die Stimme weiter. "Nein... nein... NEIN!" Mit einem lauten Klirren fiel ihm die Klinge aus den
Händen. "Du hast gewonnen! Gewonnen!", schrie er und wusste nicht, ob er Treize oder die Stimme
meinte.
Treize schüttelte nur den Kopf. Er hatte nicht vor, auf diese Weise zu siegen. Er warf seinen Degen
mehrere Meter weit weg und näherte sich dem Jungen.
Wufei sah auf in die Augen, die ihn intensiv betrachteten.
"Kann das sein, Drache?", fragte Treize.
Wufei schüttelte heftig den Kopf, löste aber seine Augen nicht von denen des anderen.
"Darf das sein?"
Instinktiv wusste Wufei, wovon der General sprach, auch wenn er sich dessen noch nicht bewusst war
und schüttelte noch heftiger den Kopf. In Treizes blitzenden Augen stand Sorge und noch etwas...
etwas... Dasselbe wie in seinen...? Wufei riss seine Augen auf und trat einen Schritt zurück. "Nein."
Sein ganzer Körper schüttelte und drohte, ihn zu verraten. Die Beine liessen nach, als er immer
wieder wiederholte: "Nein. Nein. Nein. Nein." Er konnte das nicht zulassen. Er durfte nicht so schwach
sein! Nein. Bitte! Meiran... Nein. Bitte, bitte, bitte...
Treize beobachtete schockiert, wie dem Jungen Tränen übers Gesicht liefen. Über das
wunderschöne, starke und jetzt so verwirrte Gesicht.
Wufeis Knie sackten zusammen, und Treize schnellte nach vorne, um ihn zu halten.
"Lass mich los!" Wufeis Stimme überschlug sich hysterisch. Er begann, mit seinen Fäusten auf
Treizes Brust einzuhämmern.
Treize umfasste seine Handgelenke fest und hielt ihn von weiteren sinnlosen Schlägen ab.
Wufei riss und zerrte an den Händen, die seine festhielten. Nun war er wirklich kurz vor dem
Zusammenbruch. Er schnappte nach Luft und schluchzte. "Lass mich los", bettelte er. "Bitte, lass mich
los."
Treize liess die Handgelenke frei und schlang seine Arme um den Jungen.
Und Wufei erkannte, dass er nun wirklich verloren hatte. "Bitte..." Ein letzter Versuch, den General von
dem, was ihnen bevorstand, abzuhalten, wenn er selbst es schon nicht vermochte. "Bitte nicht."
Treize hob Wufeis Kopf an und sah ihm in die Augen. "Sag die Worte »Ich will nicht« und ich werde
dich gehen lassen."
Wufei wollte sich zwingen, die Worte zu sagen. Sagte sich immer wieder, dass dieser Mann ihn
benutzen würde, ihm nur Informationen entlocken und ihn dann töten würde. Er wollte seinen Kopf
drehen, damit ihn diese blauen Augen nicht vom Gegenteil überzeugen konnten, aber Treize liess ihn
nicht. Hielt seinen Blick fest mit seinem eigenen.
"Kann nicht", keuchte Wufei und zitterte ob seinem Verrat.
"Zweifle nicht an deiner Ehre, Drache."
Wufeis Gesichtsausdruck verriet, dass er noch nicht in der Lage war, die Zweifel auszuräumen. Aber
er verriet auch, dass er die Anziehung, die ihn diesmal hierher geführt hatte, nicht mehr leugnen
konnte, auch wenn sein Verstand weiterhin Nein schrie.
Treize schüttelte leicht den Kopf. "Und zweifle nicht an meiner."
Wufeis Gesicht festigte sich. Er bezweifelte manches an diesem Mann - seinem Gegner - aber nicht
seine Ehre. "Niemals", sagte er sicher.
Treize nickte ihm anerkennend zu, wusste, dass diese Worte aus Wufeis Mund schwer wogen. Dann
erlaubte er, ihrer beidem Verlangen nachzugeben und senkte seine Lippen sanft auf die des jungen
Mannes vor ihm zu einem langen Kuss.
Wufeis Sinne verloren sich in diesem Gefühl. Die Träume, die ihn seit seiner ersten Begegnung mit
Treize heimgesucht hatten, waren nicht auch nur ein Zehntel so verzehrend, wie dieser eine Kuss.
Verzehrend... erfüllend. Vollkommen. Er hatte nicht das Recht, die Vollkommenheit anzuzweifeln. Eine
Vollkommenheit aus weichen Lippen, starken Armen und dem Duft von Rosen.
Rosen... Treize.
Als Wufei nach einer geschlagenen Minute immer noch keinen Ton von sich gab, ergriff Duo die
Initiative und das - wie immer - sehr direkt: "Wie geht's Treize?", fragte er und deutete auf Wufeis
Halskette.
Für einen Moment lang starrte Wufei, aus seiner Gedankenwelt geholt, Duo mit offenem Mund an.
Dann erinnerte er sich daran, dass er ja eigentlich damit gerechnet hatte, dass diese kleine Tatsache
den anderen nicht entgangen sein konnte. Er lächelte sanft. "Du hast dich nicht im Geringsten
verändert, Maxwell."
"Du schon", kam die Antwort. "Nun...?"
Wufei holte tief Luft. "Langsam wieder besser. ... Endlich." Das letzte Wort schien eher unfreiwillig
nachgekommen zu sein.
Duo schaute Wufei verwundert an. "Endlich? Was meinst du mit endlich?"
Wieder atmete Wufei langsam ein. "Die Ärzte hatten ihn zu Beginn nach der Explosion, die ihn töten
sollte fast eineinhalb Jahre in einem künstlichen Koma gehalten..." Wufei kämpfte mit jedem Wort.
"WAS??" Duo riss die Augen weit auf. "Aber... aber... Ich dachte, ihr hättet das geplant! Wie konnte er
dann so schwer verletzt werden? Es ist vier Jahre her!"
Wufei druckste einen Moment lang herum. "Ich war wütend auf ihn. Und in dem... dem Kampf wurde
es wieder stärker und dann... dann hab ich nicht so genau gezielt, wie ich sollte... und..." Er blinzelte,
um aufkeimende Tränen zu verdrängen. "Ich hab Mist gebaut und hätte ihn fast getötet. Es war lange
Zeit mehr als kritisch. Er wurde so oft operiert, dass ich gar nicht mehr mitzählen kann." Er kniff die
Augen kurz zusammen. "Aber jetzt geht's ihm besser", fügte er erleichtert lächelnd an. "Vor fünf Tagen
konnte er zum ersten Mal wieder ein paar Schritte gehen." Er seufzte laut. Der Gedanke liess seine
Augen leuchten. "Die Ärzte hatten vor einem Jahr noch gesagt, dass er das frühestens in drei Jahren
schaffen könnte..." Er lachte, aber es erinnerte leicht an ein unterdrücktes Schluchzen.
Duo liess den früher so stillen Chinesen reden und lächelte vor sich hin. Wufei hatte sich sehr
verändert. Treize hatte schon die Eigenschaft, Menschen in seinen Bann zu ziehen. Und wenn Wufei
dadurch so glücklich wurde... hatte er in dem speziellen Fall nicht einmal was dagegen. "Du musst ihn
wirklich sehr lieben, nicht?"
Wufei nickte sicher. "Ja." Er zögerte nicht mit der Antwort, im Gegenteil: Er schien es gerne zu sagen.
"Mehr als ich je für möglich gehalten hätte."
Duo nickte anerkennend. "Erzählst du mir davon? Von ihm? Von euch?"
"Warum?", kam die Gegenfrage, obwohl ein kleines Glimmen in seinen Augen zeigte, dass er wirklich
dringend mal darüber reden sollte und auch wollte.
Duo zuckte die Schultern. "Du weisst auch alles über Heero und mich. Ich bin neugierig. Wie seid ihr
zusammen gekommen?"
Wufei suchte wieder nach Worten. "Bei unserem zweiten Duell... Es war alles ganz merkwürdig und
dann ging es ganz schnell... Ich konnte einfach nicht mehr anders..."
Duo nickte. Das musste für den ehrgeleiteten Wufei besonders schwer gewesen sein... "War bestimmt
hart für dich", bemerkte er.
Wufei zuckte die Schultern und schüttelte darauf den Kopf. "Nein... eigentlich ging das noch. Wirklich
schwer war es, als ich ihn dann das nächste Mal getroffen hab. Ich bin da schliesslich mit nur einer
Absicht zu ihm gegangen... Keine 'Hitze des Gefechts', die ich als Ausrede hätte benutzen können.
Mir selbst bewusst zu sein, dass ich zu ihm ging, weil ich bei ihm sein wollte, nicht um ihn zu
bekämpfen... Das war viel schwerer."
Duo nickte. Er selbst hätte das nicht gekonnt. Er hätte es nicht geschafft, zwei Leben zu führen.
Wufei fuhr fort: "Jedes weitere Mal war es dann weniger schlimm, und irgendwann musste ich
bemerken, dass ich ihn wirklich liebte."
"Wie hat er darauf reagiert?"
Wufei lachte leicht bei der Erinnerung. "Er meinte, er hätte es mir längst auch gesagt, hätte er nicht
befürchtet, er würde mich damit weg stossen..."
Sie schwiegen lange. Dann griff Duo in der Zeit etwas nach vorne. "Damals, als er im Koma war...
Warst du deswegen so merkwürdig, als wir dich ein Jahr nach Kriegsende wieder gesehen haben?"
Wufei zögerte, fühlte sich sichtlich schlecht deswegen. "Zu der Zeit wusste ich nicht, ob Treize jemals
wieder aufwachen würde... Ich hatte Angst ihn zu verlieren, war das ganze Jahr über nicht weiter von
ihm weg als in den Park vom Krankenhaus gegangen. Ich war davor, die Nerven zu verlieren... Ich
wusste nicht mehr, wer ich wirklich war oder wofür ich gekämpft hatte... Und dann kam dieses
Mädchen, das seine Tochter sein musste... und ich..." Er holte tief Luft. "Ich habe einen Fehler
gemacht und bin froh, dass ich rechtzeitig wieder aufgewacht bin."
Duo nickte abermals. Er verstand ihn gut. "Wie verstehst du dich mit Marimeia jetzt?"
Wufei sah erstaunt auf und grinste. "Jemand hat recherchiert..."
Duo lachte. "Klar. Heero hat sich auch Sorgen gemacht."
Wufei lachte leise. Er war also nicht der einzige, der sich verändert hatte. "Ich hab Marie sehr gerne.
Sie mag mich auch. Wir drei sind fast eine kleine Familie."
"Marie?"
Wufei blinzelte. "Ach so. Treize nennt sie Marie."
Duo fiel noch etwas ein. "Weiss eigentlich Zechs, dass Treize noch am Leben ist?"
Wufei nickte. "Ja, Milliard hat ihn oft besucht. Gleich nach dem Marimeia-Zwischenfall war er das erste
Mal da. Ich war ganz froh, nicht alleine darauf zu warten, dass Treize aufwachen würde. Und Milliard
brachte mich auch dazu, die Hoffnung nicht aufzugeben. Er war überzeugt, dass man Treize nicht so
leicht los werden kann." Er lachte. "Sie können jetzt auch wieder Freunde sein. Das hat Treize nach
seinem Aufwachen sehr erleichtert. Sie kannten sich von Klein an und es hatte ihn geschmerzt, seinen
Freund gehen lassen zu müssen."
Duo fuhr mit einem Finger die Rillen auf dem Tisch nach. "Weisst du... Du hättest auch jemanden von
uns fragen können. Wir wären doch für dich da gewesen..."
Wufei senkte den Blick. "Nun... Ich dachte... Immerhin war Treize der Feind und... Ich wusste nicht..."
Duo half ihm aus seiner Misere und unterbrach ihn. "Schon okay. Ich versteh's ja. Mach dir keinen
Kopf. Ich bin schon froh, dass du jetzt hier bist und es dir gut geht."
"Danke, Maxwell."
Duo grinste breit. "Jederzeit, Wu-babe!"
Wufei stutzte und lachte darauf laut.
Duo schliesslich murmelte: "So sehr ich es hasse, jetzt zu unterbrechen... Aber ich muss ganz
dringend wo hin..."
Wufei grinste. "Die Freuden der Schwangerschaft."
"Haha, wirklich komisch." Duo grinste auch. "Du bleibst schön hier und wartest. Ich bin gleich wieder
zurück und will noch mehr wissen!"
Wufei nickte und sah Duo hinterher, der schnell ins Gebäude huschte. Er lächelte versonnen. Es tat
gut, Duo zu sehen. Er würde danach noch seinen anderen Freunden einen Besuch abstatten, ehe er
wieder zum Krankenhaus zurück kehrte.
Merkwürdig genug, dass das Krankenhaus sozusagen zu seinem Zuhause geworden war... In einem
halben Jahr etwa würden sie sich dann ein eigenes suchen müssen. Er freute sich darauf. Nur er und
Treize und die kleine Marie.
Duo sass mit Wufei noch gemeinsam beim Abendessen, danach würde er wieder weg müssen.
Duo drehte seine Gabel in der Pasta und sah zu Wufei. "Wu-man, sag mal..."
Wufei erwiderte den Blick. "Was?"
"Wie kommt es, dass du so viel redest? Ich meine, klar, nicht so viel wie ich, aber trotzdem. Du redest
über dich und so... Es ist eben ganz anders als früher und..."
"Duo", unterbrach er den jungen Mann.
Duo, der auch prompt schwieg, als er Wufei - soweit er sich erinnern konnte zum ersten Mal - ihn bei
seinem Vornamen nennen hörte. Seine Augen weiteten sich.
Wufei lächelte nur. "Ich denke, das kommt davon, wenn man eineinhalb Jahre neben einem lebenden
Leichnam sitzt. Und noch mehr, wenn dieser wieder aufwacht."
Duo schwieg einen Moment lang. "Mann... Ich will mir nicht mal vorstellen, wie hart das für dich
gewesen sein muss."
Wufei schüttelte den Kopf bestätigend. "Nein, willst du nicht."
Duo setzte ein breites - diesmal sogar ehrliches - Lächeln auf. "Chang Wufei, es ist mir eine Ehre,
dein Freund zu sein!", erklärte er.
"Gleichfalls", kam die Antwort, und Wufei deutete auf Duos Bauch. "Obwohl das meine Vermutung
bestätigt, dass du völlig verrückt bist."
Duo lachte, er wirkte aber etwas unsicher. "Sehe ich auch so. Aber manchmal geht es mir auch ganz
schön an die Nieren."
"Du zweifelst an dir in deiner neuen Rolle?"
Duos Kopf schnellte hoch. "Darauf kannst du wetten! Hey, ich bin Shinigami, weisst du noch? Ich hab
mehr body-counts als ihr alle vier zusammen! Ich bin der Flirt-King! Der bezopfte Baka! Ich bin alles
andere als eine «Mutter»! Und wenn wir hier nicht eine wirklich gute Therapeutin hätten, wäre ich
wahrscheinlich längst durchgedreht. Mann, ich hatte echt keine Ahnung, auf was ich mich eingelassen
hab... Zum Glück hab ich Heero."
Wufei hob eine Augenbraue. "Klingt ja hart."
Duo zuckte die Schultern und grinste. "Ja. Aber weisst du was? Es lohnt sich."
Wufei schien darüber nachzudenken.
"Macht das überhaupt einen Sinn?", fragte Duo schliesslich unsicher.
Wufei lächelte. "Ja. Es macht Sinn." Dann lachte er. "Therapeutin?"
Duo grinste. "Ja, lach du nur. Obwohl ich ja liebend gerne dich mal so sehen würde..."
"MAXWELL!"
Duo lachte laut, und nach einigen Augenblicken stimmte Wufei mit ein.
Woche 39 - Montag/Dienstag
Duo lag in seinem Bett und schlief friedlich. Er war auf die Seite gedreht, obwohl er das eigentlich
absolut nicht leiden konnte. Er war immer schon ein "Bauchschläfer" gewesen, vorzugsweise mit dem
Kopf auf Heeros Brust...
Aber jetzt... Nun, auf dem Bauch schlafen fiel flach, bzw. rund, und wenn er sich mal aus Versehen im
Schlaf auf den Rücken drehte, war dieser am nächsten Tag nicht mehr zu gebrauchen. Also blieb nur
die Seitenlage, die Duo am meisten von allem missfiel, besonders, wenn niemand an seiner Seite lag.
Wenigstens hatte er einen gesunden Schlaf, dass er sich, wenn er denn eingeschlafen war, nicht
mehr darüber aufregen konnte. Und Einschlafen konnte er gut, zumindest seit die depressiven
Schübe etwas nachgelassen hatten (sonst konnte er stundenlang die Wand anstarren und vor sich hin
brüten).
Er hörte nicht, wie sich die Türe leise öffnete, und jemand in das Zimmer schlich.
Heero blieb einige Augenblicke lang vor dem Bett stehen und hörte Duo beim Atmen zu. Selbst im
Schlaf hatte Duo deutlich Mühe damit. Heero seufzte und war im Stillen dankbar, dass es nun nur
noch eine Woche dauern würde. Er zog sich aus, legte sich zu Duo ins Bett und rutschte an seinen
Rücken.
Duo machte ein sanftes Geräusch im Schlaf. "Heero?", murmelte er.
Heero legte einen Arm um Duo auf dessen Bauch. "Ich bin hier, Koi, schlaf ruhig."
Duo lächelte fast schon wieder weggetreten. Er murmelte noch etwas weiter. "Ich... liebe... hmmm..."
Und er schlief wieder.
Heero lächelte.
Am Morgen bemerkte Duo als erstes, dass er nicht alleine war. Wieder ein breites, glückliches
Lächeln und ein zufriedenes Seufzen. "Hmmm..." Also doch kein Traum.
"Guten Morgen", flüsterte Heero.
Duo drehte den Kopf, den Rest des Körpers liess er wohlweislich so liegen. "Morgen, Koi."
Heero küsste ihn sanft. "Wie fühlst du dich?"
Duo liess theatralisch die Zunge aus dem Mund hängen und drehte die Augäpfel nach hinten.
"Erschlagen", krächzte er.
Heero lachte leise. "Armer Koi."
"Ja, ja... Lach du nur. Das nächste Kind kriegst du!" Duo grinste.
Heero lächelte und strich über Duos Bauch. "Ich denke, darüber reden wir, wenn wir sehen, wie wir
mit einem fertig werden, ne...?"
Duo lachte leise. "Du bist früh. Was machst du schon hier?"
"Ich konnte noch zwei Tage zu meinem Monat Urlaub rausschlagen."
Duo grinste breit. "Du bist denen auf die Nerven gegangen, stimmt's?"
Heero lachte mit und streckte ihm die Zunge raus, worauf Duo noch lauter giggelte und ihn wieder
küsste.
Tatsächlich hatte Duo aber nicht unrecht. Zwar war den meisten nicht aufgefallen, wie unruhig und
nervös Heero in der letzten Zeit geworden war... seinen Freunden schon. Und in der letzten Woche
war es einfach kaum mehr zu ertragen. Une hatte ihn schliesslich vorzeitig beurlaubt mit dem
Kommentar, in dem Zustand könnten sie ihn in den zwei Tagen auch nicht mehr brauchen.
Die folgende Woche war für Duo die schönste bisher. Zwar auch gleichzeitig die physikalisch
anstrengendste, aber es war schön, Heero bei sich zu haben und zu wissen, dass er nicht wieder
gehen würde.
Aber sein Körper machte ihm echt zu schaffen. Allein die paar Stufen vom Hauptgebäude in den Park
(und vor allem wieder hinauf) waren schon ein ernstzunehmendes Hindernis. Er war sofort ausser
Atem und fast den ganzen Tag müde. Letzteres machte Heero nichts aus, da die letzte Zeit für ihn in
der Arbeit auch sehr fordernd gewesen war und es ihn absolut nicht störte, eine Woche lang nur zu
dösen.
Duo genoss das alles. Von Heero verhätschelt werden amüsierte ihn besonders - auch wenn es
ausser ihm niemand als Verhätscheln angesehen hätte. Immer wieder ermahnte er Heero, dass er
sich durchaus an eine solche Behandlung gewöhnen könnte... Aber das schien Heero nicht davon
abzuhalten.
Duo gab sich auch alle Mühe, nicht an die OP zu denken. Man hatte ihm erklärt, dass es einfacher sei,
den Eingriff unter Vollnarkose durchzuführen. Und das hasste er! Er wusste, dass es Routine war,
aber er mochte es nicht, einfach so ausgeknipst zu werden, wie er es ausdrückte. Manja hatte ihm
zwar wieder und wieder gesagt, dass es okay sei Angst zu haben - worauf Duo natürlich protestierte,
er habe keine Angst - aber das änderte an dem Gefühl nichts. Und was ihn wirklich überraschte oder
auch beunruhigte war, dass es Heero genau so ging.
Und dann war der Tag da....
Woche 40 - Montag
Duo wurde morgens um 7 geweckt und musste feststellen, dass er nicht in seinem Zimmer im grossen
Bett lag, sondern in einem dieser sterilen, weissen Krankenhausbetten im medizinischen Trakt der
Anlage. Gestern war er hierher verlegt worden.
Heero sass neben ihm auf einem provisorischen Klappbett und lächelte Duo wacklig an. Heute war es
also so weit.
Die Schwester reichte Duo einen kleinen Becher.
"Was ist das?"
Sie lächelte freundlich. "Nur ein leichtes Beruhigungsmittel."
Duo nickte und schluckte die bitte Lösung hinunter. Mit verzogenem Gesicht gab er ihr den Becher
zurück.
Sie nahm ihn entgegen. "In etwa zwanzig Minuten dürfte es wirken. Dann wirst du abgeholt."
Duo nickte. Alle Muskeln in seinem Körper schienen sich planlos zusammenzuziehen und andauernd
zu zucken, sein Magen drehte und wendete sich, und kein Atemzug brachte er kontrolliert ohne zittern
zustande.
Heero stand auf und nahm eine von Duos Händen in seine.
Die Schwester lächelte die beiden an und meinte zu Duo: "Leg dich einfach wieder hin. Du wirst bald
etwas müde."
Duo nickte. "O... okay. Aber... aber ich krieg doch noch alles mir, oder?"
Sie nickte. "Keine Sorge. Bis zu dem Moment in dem die Narkose einsetzt bleibst du noch unter uns."
Er warf wieder einen Blick zu Heero, der versuchte, möglichst ruhig zu wirken... Es gelang ihm nicht.
Die Schwester wandte sich an Heero. "Duo hat uns schon einen Mädchennamen genant, meinte aber,
der Jungenname käme von dir, richtig?"
Heero nickte. "Ein Junge soll Duo heissen."
Duo verdrehte die Augen. "Man könnte meinen in neun Monaten fällt dir was Originelleres ein." Er
lachte leicht.
Die Schwester notierte es und winkte den beiden zu. "Ich komme dann bald wieder."
Duo klammerte sich an Heeros Hand und hatte auch nicht vor, sie los zu lassen. Er konzentrierte sich
voll darauf, seine Atmung zu beruhigen.
Heero lehnte sich zu ihm und küsste ihn auf die Stirn.
Es klappte nicht. Duo konnte sich einfach nicht sammeln. Seine grossen Augen glitzerten verdächtig.
Er atmete tief ein. "Hee... Heero... ich... ich hab Angst." In dem Moment war ihm noch gar nicht
bewusst, dass er zum ersten Mal in seinem Leben diesen Satz aussprach.
Heero nickte und küsste Duos Hand. "Ich weiss, Koi." Es ging ihm nicht viel besser. Er versuchte
krampfhaft nicht daran zu denken, dass man in nicht mal einer Stunde einen bewusstlosen Duo
aufschneiden würde...
"Du... du hast doch auch Angst."
Heero nickte wieder. "Hai." Er beugte sich zu Duo und legte seinen Kopf neben den seines Geliebten.
Er strich ihm langsam mit seiner anderen Hand über den Kopf, sah ihm in die Augen.
Das beruhigte Duo etwas. Vermutlich begann auch das Mittel zu wirken. Sein Blinzeln wurde
langsamer. Es dauerte immer eine Sekunde, ehe er die Augen wieder öffnete.
Heero wünschte sich, man hätte ihm auch was gegeben. Er war unglaublich nervös, aber es schien,
als würde Duo das nicht mehr so richtig mitbekommen.
Sie blieben so, bis die Türe sich öffnete und zwei Schwestern eintraten.
Das weckte Duo aus seiner Trance und er blickte hilfesuchend zu Heero.
Der küsste ihn sanft. "Bleib ganz ruhig. Ich komme mit dir."
Eine der Schwestern löste die Bremse am Bett und die andere half ihr, es aus dem Zimmer zu
navigieren.
Heero ging neben dem Bett her und hielt weiter Duos Hand.
Dieser begann wieder zu zittern, und Heero flüsterte ihm beruhigende Worte zu.
Duo sah die Decke der Krankenhausgänge an sich vorbei ziehen. Die Lichter waren verschwommen
und verwirrten ihn. Er spürte ein Holpern und die Decke änderte sich. Sie waren im Fahrstuhl. Er
zitterte noch mehr, als sich die Fahrstuhltüre hörbar schloss. Er krallte sich an Heeros Hand.
Heero murmelte weiter zu ihm.
Eine der Schwestern meinte sanft: "Es dauert nicht mehr lange, und du hältst dein Kind im Arm. Es
wird alles gut gehen. Keine Sorge."
Duo zwang sich zu nicken. "Ich w-w-weiss, aber t-t-trotzdem... Ich k-kann n-nicht ruhig at-t-men."
Hätte man ihm kein Beruhigungsmittel gegeben, wäre ihm sein Stottern peinlich gewesen, aber so...
Er konnte sich einfach nicht mehr dagegen wehren. Alles in ihm drehte sich.
Das Baby schien die Unruhe zu spüren und begann, Duo zu treten. Da es mit dem Kopf nach unten im
Bauch lag, traf es mit den Tritten in Duos Lunge, was sein Atmen noch mehr erschwerte.
Dann rollten sie ihn in den Vorbereitungsraum. Duo kam auf eine andere Liege und wurde
umgezogen. Ein Katheter und eine Infusion mussten gelegt und seine Haare zugedeckt werden.
Heero trat neben ihn. "Duo, ich muss kurz weg. Ich warte im OP auf dich, okay?"
Duo riss die Augen auf, nickte dann aber. Er war ja schon froh, dass Heero mit in den OP durfte und
ihn nicht alleine lassen würde. Und jetzt musste Heero eben auch noch vorbereitet werden.
Nach ein paar Minuten ruckelte Duos Liege wieder und die Decke bewegte sich, diesmal in Richtung
Nebenraum.
Duo erkannte eine helle Lampe, ein Ärzteteam und verschiedene Instrumente und Apparaturen. Fast
panisch suchte er Heero, der ihm auch gleich zunickte.
Die Liege rastete ein und Duo kam zum Stehen. Heero sass gleich neben ihm auf einem Hocker,
Mund und Nase hinter einer Maske.
Zwei Assistenten bauten ein Tuch auf, das Duos Oberkörper vom Unterkörper trennte.
Duo sah nach unten und erkannte nun unterhalb seiner Brust nichts mehr. Ein Arzt trat auf ihn zu.
"Guten Morgen Duo."
Duo erkannte die Stimme sofort. Das war der Arzt, der ihm damals gesagt hatte, er könne das Kind
bekommen. Er brachte keinen Ton mehr heraus und nickte nur. Ihm war kalt, er hatte Angst und er
wünschte sich sowohl, dass es jetzt endlich schnell vorbei sein würde, als auch, dass er die Narkose
noch lange hinauszögern konnte.
"Dann wollen wir mal", meinte der Arzt weiter.
Er spürte, wie kleine, kalte Plättchen auf seine Brust geklebt wurden. "Um den Herzschlag zu
messen", erklärte die Anästhesistin.
Dann wurde ihm noch kälter, als sein Bauch desinfiziert wurde. Von Zittern konnte man inzwischen
schon gar nicht mehr reden... er schlotterte.
Die Anästhesistin erklärte dem Arzt: "Er ist soweit."
Duo verkrampfte sich noch eine Stufe stärker, auch wenn das schon fast nicht mehr möglich war und
hauchte: "Warte auf mich, Koi..."
Heero nickte heftig. "Ich werde mit unserem Kind auf dich warten."
Duo schluchzte einmal, dann wurde das Licht der Lampe über ihm heller, die Umgebung unscharf und
die Stimmen um ihn herum zu einem tiefen Brummen. Aber bevor er in Panik geraten konnte, dass die
Narkose einsetzte...
Heero sah, wie sich Duos Augen schlossen. Jetzt konnte er die zwei Tränen in seinen eigenen nicht
mehr zurückhalten.
Die Anästhesistin trat an Duo heran und sagte zu Heero: "Ich muss den Tubus legen, sehen Sie
besser weg."
Heero schüttelte den Kopf. Er hatte schon Schlimmeres gesehen und er würde Duo nicht alleine
lassen.
Die Ärztin zuckte die Schultern und schob den langen Schlauch vorsichtig durch Duos Mund in seine
Lunge.
Die Maschine begann mit einem tiefen Zischen Duo das Atmen abzunehmen.
Heero hörte nur noch auf dieses Geräusch, das ihm zeigte, dass Duo atmete und auf das stete
Piepen seines Herzschlages. Er versuchte die Stimmen zu ignorieren, den Arzt, der Skalpelle
verlangte...
Er war dankbar, dass er mit dem Tuch in der Mitte davon abgehalten wurde, etwas zu sehen.
Tupfer... Absaugen... Skalpell...
Heero blickte unverwandt auf das schlafende Gesicht. Piep... piep... piep... zisch… piep… piep...
piep... zisch...
Er schnappte nach Luft, als er plötzlich ein Gerät hörte, das eine grosse Menge an Flüssigkeit
absaugte... Im ersten Moment erschrak er furchtbar...
Dann der Arzt... "Da ist es. Der Kopf..."
Heero konnte wieder ein Geräusch ausmachen. Als würde sich jemand durch einen wirklich
schlammigen Matsch wühlen... Und dann... Ein Schrei. Seine Augen weiteten sich, er hielt die Luft an,
darauf liefen plötzlich seine Tränen und er lachte leise, sah Duo glücklich an.
Der Schrei klang wie etwas, was er noch nie gehört hatte. Wie ein lauter Protestschrei, wie Wut und
Angst und Hilflosigkeit und... Kraft. Immense Kraft.
Ein Assistenzärztin trat hinter dem Tuch hervor, mit einem kleinen etwas in eine Decke gehüllt.
Heero stockte, wusste plötzlich nicht, was er tun sollte.
Die Frau lächelte ihn nur hinter ihrer Maske an und reichte ihm sein Kind.
Heero blickte gebannt auf das kleine Bündel, das nun aufgehört hatte zu schreien und hielt ihm aus
einem plötzlichen Impuls heraus seinen Finger hin.
Es schnappte sofort danach und hielt ihn fest. Es öffnete noch etwas trübe Augen und blinzelte müde.
Heero bemerkte nicht, wie er immer noch weinte. Er sah in diese grossen Augen - grosse, violette
Augen - und lächelte.
Die Ärztin trat wieder näher und band dem kleinen Wesen ein Plastikband um das Handgelenk.
Heero konnte eine Nummer ausmachen. 'PATIENT 54867' Dieselbe Nummer, wie sie auch Duo am
Arm trug. Heero drehte das Band ein Bisschen. Ihm stockte der Atem, als ihm bewusst wurde, was
noch darauf stehen würde...
Name: Maxwell-Yuy
Vorname: Wing
Ein kehliges Lachen kam aus seinem Mund. Er drehte sich zu Duo. "Verrückter Kerl", murmelte er.
Die Ärztin lächelte immer noch freundlich. "Wir müssen die Kleine jetzt untersuchen."
Heero nickte und reichte ihr seine Tochter.
"Heero... Es ist alles gut gegangen. Sie müssen Duo jetzt wieder zunähen, das dauert sehr lange.
Komm doch mit, hm?"
Heero schüttelte den Kopf, aber die Frau unterbrach ihn schnell: "Wir sind gleich hinter dem Vorhang
dort."
Zögerlich nickte Heero darauf und beugte sich zu Duo. "Wir haben eine Tochter", flüsterte er. Er strich
eine Haarsträne von Duos Stirn, die unter der Abdeckhaube hervorlugte. Kurz schob er seinen
Mundschutz nach unten und küsste Duo auf die Stirn. Dann folgte er der Ärztin.
Duo kam langsam zu sich und sein erster Gedanke war, wann denn endlich diese Narkose einsetzen
würde... Mit seinem zweiten Gedanken stellte er fest, dass er nicht mehr im OP sein konnte... Es roch
ganz anders, die Geräusche waren weg und das grelle Licht auch. Der dritte Gedanke schliesslich
machte ihm deutlich, dass noch etwas anders war... Sein Bauch! Wo war...? Da, wo die letzten neun
Monate lang das beruhigende Gefühl von seinem Kind war, spürte er jetzt nur einen brennenden
Schmerz.
Er war verwirrt. Was...? Seine Kehle war trocken und er hatte einen merkwürdigen Geschmack im
Mund.
Er musste wohl seinen Kopf bewegt haben, denn alles drehte sich, und das sogar bei geschlossenen
Augen. Er hörte, wie er daraufhin stöhnte.
Dann fühlte er eine vertraute Wärme und eine ebensolche Stimme. "Koi?"
Wieder stöhnte Duo und zwang sich, seine Augen zu öffnen. Er blinzelte, seine Augenlider waren
furchtbar schwer und er konnte sie kaum auf behalten. Aber dann sah er Heero, wie er sich näherte
und ihm etwas auf die Brust legte.
Duo wandte seinen Kopf nach unten und erkannte ein kleines Köpfchen... ein kleines Händchen... Er
sah wieder zu Heero auf. Er schluckte heftig, was ihn auch gleich schmerzte, und brachte ein Lächeln
zustande.
Heero lächelte zurück. "Unsere Tochter."
Duo liefen Tränen aus den Augenwinkeln über seine Schläfen und in seine Haare. Und es
überraschte ihn unter diesen Umständen nicht einmal, dass es Heero ebenso ging.
Heero lachte leise. "Sie hat schon ein Fläschchen getrunken... Ein ganzer Maxwell, gesund und
gefrässig..." [2]
Duo wollte auch lachen, aber schon beim ersten Atemzug fühlte es sich an, als würde man ihm den
Bauch noch mal aufschneiden. Er war noch sehr müde, so dass der Schmerz gleich wieder vergessen
war. Es fiel ihm zusehends schwerer, die Augen nach dem Blinzeln zu öffnen.
Heero bemerkte es und nahm im das Baby wieder ab. Er küsste Duo auf den Mund und flüsterte:
"Schlaf dich aus. Es ist alles gut."
Und Duo schlief wieder ein. Aber diesmal mit einem Lächeln auf den Lippen und dem Bild von Heero
mit ihrem Kind auf den Armen vor Augen. Nun war der Krieg für sie wirklich vorbei... In dem Moment,
in dem sie bewiesen hatten, dass sie nicht nur kämpfen konnten - sie das Leben nicht nur
vernichteten, sondern auch erschufen...
OWARI
15.03.02
[1] Ich weiss nicht, ob Wufei tatsächlich zu diesem Clan gehört, ich konnte in der Serie keinen solchen
Anhaltspunkt finden. Ich habe es nur mal in einer Fanfiction gelesen und fand, es klingt gut ^-^
[2] Gruss an meine Schwester ^-^
20
Teil: 1/1
Autor: SOrion
E-Mail: haruka@tic.ch
Fanfiction: Gundam Wing
Rating: all audiences
Warnung: sap; Spoiler: Episoden 19/20; 38/39, nicht wirklich gravierend
Pairing: 1x2 (3x4, 5x13)
Disclamer: Gundam Wing und die enthaltenen Charaktere gehören mir nicht und ich mache keinen
Profit damit.
Kommentar: War ein Bisschen schwer, die Figuren nicht OOC werden zu lassen, aber ich denke, es
hat geklappt.
Die Idee hab ich im November begonnen... Hat also ein wenig gedauert ^-^ Gomen.
Heute - Gestern
Schritte klangen durch die Gänge des Gebäudes, das an ein Krankenhaus erinnerte. Schritte, die
durch die weichen Sohlen gedämpft wurden.
Eine Frau mittleren Alters, gekleidet in Weiss und ein junger Mann, ebenfalls in Weiss, liefen einen
Flur entlang.
Die Frau allerdings schien sich ihrer Schritte wesentlich sicherer, als der Mann. Das Weiss ihrer
Kleidung erweckte den Anschein einer Krankenschwester oder Pflegerin.
Der junge Mann hingegen schien in dem Weiss irgendwie deplaziert und es war mehr als
offensichtlich, dass er die Farbe lieber gegen eine andere getauscht hätte. Überhaupt fühlte er sich
unwohl. Er tribbelte neben der Frau her, obwohl er grösser war und fingerte nervös am Saum seiner
weiten, weissen Ärmel.
Seine Augen wanderten unsicher umher. Die meisten Anwesenden, denen sie auf ihrem Weg
begegneten, waren weiblich, mit Ausnahme einiger Pfleger oder Therapeuten. 'Tolle Erkenntnis,
Maxwell', schalt er sich in Gedanken. 'Was glaubst du, woran das liegt?', fuhr er sarkastisch fort.
Mittlerweile dienten ihm die Ärmel nicht mehr genug als Ablenkung und er begann, das Ende seines
Zopfes in seinen zitternden Fingern zu drehen.
Die Frau neben ihm lächelte. "Entspannen Sie sich. Es wurden bereits alle in diesem Flügel informiert.
Es wird also niemand übermässig verwirrt sein."
"Sie meinen, verwirrter als ich?" Er schickte ihr ein keckes Grinsen, aber seine wacklige Atmung
verriet ihn.
Sie hielt an, legte eine Hand auf seine Schulter und sah ihn verständnisvoll an.
Duo holte tief Luft und deutete ihr, weiter zu gehen.
Er beobachtete die Beschriftungen und Wegweiser in den Gängen und entdeckte, dass sie wohl bald
an ihrem Ziel ankommen würden. Einen kurzen Moment schloss er seine Augen und atmete erneut
tief durch. 'Du bist hier, weil du das so wolltest!', versicherte er sich immer wieder. 'Weil du stur genug
warst, das durch zu ziehen und den ganzen medizinischen Müll über dich ergehen zu lassen!'
Ja, er wollte hier sein... Nun ja, vielleicht nicht unbedingt an diesem Ort, aber in dieser Situation...
Nein, ganz bestimmt nicht an diesem Ort und so weit weg von...
Wieder ein lautes Schnaufen. 'Heute ist Montag. Am Samstag ist er hier.' Er nickte vor sich hin. Das
war doch auszuhalten.
Die Frau hielt an. "Wir sind da." Sie deutete auf eine Türe und klopfte darauf schnell an. Sie öffnete,
und Duo blinzelte über ihre Schulter hinein.
Sie ging vor und Duo unsicher hinter ihr her.
'Oh Gott, oh Gott, oh Gott...' Er sah sich einer Gesprächsrunde gegenüber. Einer Gesprächsrunde
voller Frauen, wohl gemerkt. Seine Finger zitterten mittlerweile so stark, dass es jedem aufgefallen
wäre, und ausserdem waren sie eiskalt. Weiss der Himmel, wo das Blut alles hingelaufen war...
Vermutlich in seine Wangen, die gerade jetzt leuchtend pink erstrahlten. Unbewusst legte er seine
kalten Hände auf seinen Bauch und sie entspannten sich etwas.
Die junge Ärztin, die Leiterin der Runde, stand auf und begrüsste Duo mit einem kräftigen
Händedruck. "Sie sind also das medizinische Wunder, ja?"
Duo nickte gezwungen. "Wohl eher der erste, der verrückt genug war, es an sich ausprobieren zu
lassen."
Die Ärztin grinste. "Medizinisches Wunder klingt doch besser als medizinisches Experiment, nicht?"
Dabei legte sie freundschaftlich einen Arm um Duo.
Duo lachte. "Ja." Seine Stimme zitterte immer noch.
"Ach ja...", fuhr die Ärztin fort, "wir nennen uns hier alle beim Vornamen, und das Siezen lassen wir
ganz bleiben. Das ist doch kein Problem, nicht wahr, Duo?"
Duo schüttelte den Kopf und wagte zum ersten Mal, sich die Anwesenden anzuschauen. Alle trugen
denselben, weissen, bequemen Zweiteiler, wie er selbst.
So schlimm war es gar nicht. Er hatte sich auf so ziemlich alles vorbereitet. Von Starren, bis
angeekelten Blicken... Aber die Frauen lächelten ihn alle freundlich an. Und es war ein ehrliches
freundlich... Er kannte ein falsches Lachen, wenn er eines sah. Er benutzte es selbst zu oft.
Er zupfte an seinen Ärmeln.
Die Ärztin zog ihn mit sich bis in die Mitte der Runde und bekundete: "Meine Damen... Das neuste
Mitglied in unserer Schwangerschaftsgruppe. Duo Maxwell."
***
Duo war auf seinem Zimmer, das man ihm gezeigt hatte und sass am Schreibtisch vor dem Computer.
Er tippte eine kurze Nachricht an Heero, dass er gut angekommen und alles nicht so schlimm war.
Er war zwar versucht gewesen, einfach Heero anzurufen, aber er liess es dann doch bleiben, als er
sich an ihre Abmachung erinnerte. Keine Telefonate. Die würden es nur schwerer machen, wieder
aufzulegen. Das war wohl wahr... Aber er hätte gerne seine Stimme gehört, und wenn es nur ein
knappes "hn" oder "ah" war.
So schrieb er bloss, was sich heute ereignet hatte. Er erzählte von den Leuten, die er kennen gelernt
hatte... von Clara, der Ärztin, die während seinem Aufenthalt für ihn zuständig war, bis zu Sina, der
Frau des Senators im fünften Monat. Er erzählte, dass er sich mit Sina gut verstand, wahrscheinlich,
weil sie so gerne und viel redete wie er selbst.
Ach, und natürlich erzählte er, wie gut ausgestattet alles war, und er es kaum erwarten könne, ihm
den Speisesaal und sein Zimmer zu zeigen... und besonders das grosse Bett...
Dass man sich beinahe vor kam, wie auf einer von Quatres Residenzen. Bloss, dass anstelle der
Bediensteten Pfleger durch die Gänge huschten.
Duo endete nach zweieinhalb Seiten mit einem einfach "Aishiteiru, Koi" und unterzeichnete es. Und
einem "P.S. Wie sehen uns Samstag".
Duo verschickte die Nachricht und drehte sich auf seinem Stuhl. Sein Zimmer, oder besser Suite, war
wirklich gross und luxuriös, vom Bad ganz zu schweigen.
Das ist wohl ein Vorteil, wenn man als "medizinisches Experiment" galt, dachte er. Er musste für
nichts aufkommen, wurde von Anfang bis Ende genauestens Untersucht, um sicher zu gehen. Aber
das beinhaltete, dass er ab dem dritten Monat in diese Spezialklinik eingewiesen wurde... und das bis
zum Ende der... Verdammt! Er konnte das Wort noch immer nicht zu Ende denken. Schwangerschaft!
Und? War das jetzt so schwer?!
Er seufzte laut und liess seinen Blick weiter ziellos umherschweifen. Und Heero würde ihn die ganze
Zeit nur besuchen können, wenn die Arbeit es erlaubte... Das bedeutete, im besten Fall jedes zweite
Wochenende. Und das fast sieben verdammte Monate lang!
Nun, die Klinik war natürlich nicht zu verachten. Sie war eigentlich für reiche und einflussreiche Frauen
konzipiert worden. Oft Frauen von Politikern oder sonstigen Berühmtheiten, die in der
Schwangerschaft abschalten wollten. Die Patientinnen waren entsprechend exklusiv. Er war nur hier,
weil er vermutlich in die Geschichtsschreibung eingehen würde...
Aber zu seiner Überraschung waren die Frauen in seiner Gruppe nicht überheblich oder Ähnliches,
sondern sehr umgänglich und nur zu froh, einmal nicht dem Superieur-Image entsprechen zu müssen.
Das war gut, ja. Ein Punkt von vielen, der ihm zuerst noch Unbehagen bereitete.
Nach einigen gedankenverlorenen Minuten machte er sich schliesslich bettfertig.
Die Matratze war weich, aber nicht zu weich, die Decke warm, aber nicht zu warm... Wie alles hier:
perfekt abgestimmt.
Er seufzte laut und driftete langsam ins Land der Träume. Seine letzten Gedanken kreisten darum,
wie er in der Praxis des Arztes gesessen hatte... an jenem Tag.
"Nein, auf keinen Fall. Das will ich nicht. Da adoptiere ich lieber. Ich denke nicht im Traum dran.
Niemals. Das scheint mir einfach nicht richtig. Alles, nur das nicht. Nein!"
Heero hob eine Augenbraue, zeigte ansonsten keine grosse Reaktion über Duos Ausbruch. "Duo..."
Duo schüttelte vehement den Kopf. "Denk doch nur mal nach. Die Medizin ist zwar weit genug, aus
einem Spermium eine Eizelle zu konstruieren, und das ist ja wirklich eine tolle Sache, aber ich will
nicht, dass eine fremde Frau UNSER Kind in sich trägt! Dann hört dieses - UNSER - Kind neun
Monate lang die Herzschläge und die Stimme irgendeiner Fremden! Wie sollen WIR dann seine Eltern
sein. Das ist doch absurd!"
Heero atmete hörbar. "Wenn du ein Kind adoptieren willst ist das auch nicht anders."
Duo rieb sich enttäuscht die Augen. Ihm hatte die Idee eines leiblichen Kindes zuerst wirklich gut
gefallen. Bis dann eben Mutter Natur doch noch ein Wörtchen mitzureden hatte. "Das ist etwas
anderes", protestierte er. "Dann gäben wir einem Kind ein Zuhause. Was bestimmt auch schön wäre.
Aber ich will nicht, dass MEIN Kind im Bauch einer Frau landet, die Geld braucht!"
Heeros Augenbraue zuckte erneut. Duo schien langsam ernsthafte Muttergefühle zu entwickeln.
Lange schaute er seinen Koibito an.
Unter diesem Blick schmolz Duo förmlich dahin. Und nur jemand wie Duo konnte in dem Gesicht vor
ihm das Lächeln entdecken.
Nach einem weiteren Moment des Schweigens wandte sich Heero an den Arzt, der vor den beiden auf
der anderen Seite des Schreibtisches sass und gespannt die Diskussion mitverfolgte. "Wir werden auf
ihr Angebot verzichten. Die Adoption scheint uns die bessere Lösung", erklärte er knapp.
Der Arzt druckste einen Moment lang rum, seine Gegenüber wären beide mehr als geeignet... Als
frühere Gundampiloten war ihr Gesundheitscheck absolut beeindruckend - besonders der von Yuy...
Schliesslich warf er zögerlich ein: "Es gäbe da allenfalls eine weitere Möglichkeit..."
Heero warf einen schnellen Blick auf Duo, dem die Hoffnung bereits wieder in den Augen leuchtete. Er
wusste, warum Duos Kinderwunsch so gross war, das Verlangen nach einer Familie... Er seufzte und
entschied, dass er zumindest alle Möglichkeiten kennen sollte und liess den Mediziner fortfahren.
"Sehen Sie...", begann der Arzt auszuführen, "... So wie ich ein Spermium manipulieren kann, kann mit
der heutigen Medizin jede beliebige menschliche Zelle umgeformt werden. Es besteht die Möglichkeit
aus den Eigenzellen von einem von Ihnen eine Gebärmutter zu formen und diese dann operativ in der
Bauchhöhle an den Blutkreislauf anzuschliessen. Die befruchtete Eizelle müsste dann nur noch
eingesetzt werden. Ausgewählte Hormone täuschen dem Körper eine Schwangerschaft vor und..."
"Moment mal, einen Augenblick", unterbrach Duo. "Habe ich Sie richtig verstanden? Ich könnte
tatsächlich das Kind selber bekommen?" Ihm fiel in dem Moment gar nicht auf, dass er von sich
gesprochen hatte.
"Duo..."
"Nein, nein, nein. Ich will das jetzt hören." Er sah den Arzt durchdingend an. "Ist das wirklich möglich?"
"Nun..." Er seufzte. "Ich will ehrlich zu Ihnen sein. Es ist theoretisch möglich, aber es wurde am
Menschen noch nie ausprobiert. Wir haben allerdings bisher fünf erfolgreiche Versuche an
Schimpansen..."
"Schimpansen?!", rief Heero aus und stand auf. "Duo, wir gehen."
Aber dieser liess sich so schnell nicht abschrecken und packte ihn am Arm. "Nein, warte, Heero, bitte."
Er schaute ihn aus grossen, flehenden, violetten Augen an und Heero setzte sich wieder. Duo fuhr so
gelassen wie möglich fort: "Was für Risiken bestehen?"
Der Arzt zuckte die Schultern. "Eigentlich kaum welche. Die kritischsten Phasen finden ausserhalb
ihres Köpers statt. Zum Beispiel das konstruieren der Gebärmutter. Die Operation an sich ist zwar ein
komplizierter Eingriff, damit das künstliche Organ auch richtig durchblutet wird, aber für den Patienten
besteht eigentlich keinerlei Gefahr. Die Geburt selbst ist dann ein einfacher Kaiserschnitt... Routine..."
Heero warf Duo einen Blick zu, der nur dieser als unsicher bezeichnet hätte. "Duo, ich weiss nicht..."
Aber Duo war bereits Feuer und Flamme. "Verstehst du denn nicht? Ich könnte das Kind bekommen.
Das ist doch toll!"
Heero schaute ihn skeptisch an und zwar so lange, bis Duo verstand, was er da eigentlich von sich
gab. "Ist dir klar, was du eben gesagt hast?"
Nun doch etwas nachdenklich kaute Duo auf dem Ende seines Zopfes herum. Schliesslich nickte er.
"Das ist es mir wert." Dann grinste er unheilvoll. "Es sei denn natürlich... du willst..."
Woche 8 - Dienstag
Am nächsten Tag sah sich Duo die ganze Anlage an. Seine Kurse würden erst am Mittwoch
anfangen, damit er Zeit hatte, sich an seine neue Umgebung zu gewöhnen. Er studierte den Plan für
die sportlichen Aktivitäten, der in der Empfangshalle aufgehängt war und runzelte enttäuscht die Stirn.
Oh Mann, das würde vielleicht langweilig... Es war ja nicht so, dass kein Sport getrieben wurde - im
Gegenteil - aber die Sportarten, die erlaubt waren... nun, sagen wir, sie entsprachen nicht wirklich
seinem Geschmack. Okay, vielleicht Schwimmen... aber der Rest... Nichts, was irgend ein Risikofaktor
beinhaltete. Natürlich, hier waren bloss Schwangere und er konnte eine gewisse Vorsicht verstehen,
aber SO.
Er seufzte tief und schlenderte davon. Wenn das so war, würde er sich noch ein weiteres Hobby
suchen müssen. Und um sich wenigstens einigermassen beweglich zu halten, reichte das
Sportprogramm schon aus.
Sein nächster Punkt auf der Liste war der Park. Die meiste Zeit wurde dort verbracht, laut den
Ausführungen seiner zuständigen Ärztin, Clara. Und der Park war, wie der Rest der Anlage, riesig. Mit
verschiedenen Sportplätzen, Sitzgruppen, einem Verpflegungshaus und vielen - mehr als gepflegten
- Bäumen mit merkwürdig getrimmten Formen.
Er sah in den blauen Himmel. Allein der Wetterregulator für diese Gegend musste ein Vermögen
gekostet haben (ein wirkliches Vermögen). Sie befanden sich irgendwo in Nordeuropa und die Sonne
schien täglich, die Temperatur war angenehm und die Luftfeuchtigkeit ein kleines Bisschen über dem
Normalwert, um das Atmen zu erleichtern. Dieser Ort war wirklich durchdacht und das bis ins letzte
Detail. Gemütlich steuerte er auf eine breite Sitzschaukel zu, die bei einem kleinen Tisch mit drei
weiteren Stühlen stand. Zufrieden sank er hinein und schaukelte hin und her. Nach einer Weile legte
er sich hin, blickte in den Himmel und schlief bald ein. Sein letzter Gedanke war noch, dass es sich
hier doch aushalten liesse.
Nach dem Aufwachen setzte er seine Tour fort. Mann, in letzter Zeit war er vielleicht müde, es war
geradezu nervenaufreibend. Das war eines der Dinge, die ihn in langsam in den Wahnsinn trieben.
Das andere war die Tatsache, dass der Gott des Todes ein Kind kriegen sollte. 'Was stimmt an dem
Bild nicht? Mann, ich bin echt beknackt!' Er fragte sich wieder und wieder, welcher Teufel ihn geritten
hatte, sich darauf einzulassen. Nein, kein Teufel, erinnerte er sich und grinste...
Sehr zu seinem Entsetzen musste Duo nach zwei weiteren Tagen feststellen, dass psychologische
Betreuung zum Grundprogramm gehörte... Und Grundprogramm bedeutete in diesem Falle,
mindestens eine Sitzung wöchentlich.
Gerade jetzt sass er auf einem - eigentlich sehr bequemen - Stuhl im Wartezimmer der Psychologin
und rutschte unbehaglich hin und her. Das letzte, was er jetzt brauchen konnte, war so eine
Besserwisserin, die ihm weismachen wollte, dass er unbedingt jemanden benötigte, um über den
Krieg zu reden... Er hatte seine eigenen Methoden, damit fertig zu werden. Schliesslich hatte er so
lange überlebt. Es gab keinen Grund in Vergangenem herum zu wühlen.
Die Türe öffnete sich und lenkte Duo von seinen Gedankengängen ab. Eine junge Frau trat heraus -
eigentlich fast zu jung für ihren Beruf, stellte Duo verwundert fest. Andererseits... er war auch zu jung
gewesen, um einen Gundam zu steuern.
Sie winkte ihn freundlich zu sich herein und reichte ihm die Hand, nachdem sie die Türe hinter sich
wieder geschlossen hatte. "Morgen, Duo. Ich bin Manja."
Er drückte ihre Hand etwas, um seine Unsicherheit zu verbergen und lachte. "Morgen."
Sie atmete aufgekratzt tief ein und deutete auf die zwei Sessel in der Mitte des Raumes. "Setzen wir
uns doch", schlug sie enthusiastisch vor.
Duo tat ihr den Gefallen. Er musste sich schliesslich die nächsten paar Monate mit ihr rumschlagen.
Es brachte nichts, sich quer zu stellen.
Einen Augenblick lang schaute sie ihn begeistert an und begann schliesslich: "Ich freue mich schon
die ganze Woche auf dich!", bekundete sie und strahlte. Dann leuchtete ein gefährliches Licht in ihren
Augen und sie setzte ein breites Grinsen auf. "Du bist der erste Mann mit Mumm in den Knochen, den
ich kenne. Die meisten Typen würden sich eher freiwillig kastrieren lassen, als schwanger zu werden."
Duo stutzte zuerst einige Sekunden lang, ehe sich wieder fing und ihr Grinsen erwiderte. "Ich frage
mich gerade, ob das jetzt ein Kompliment war..." Er lachte.
"Selbstverständlich. Warum?"
"Ich weiss nicht, ob ich mutig bin."
Sie hob eine Augenbraue und Duo wurde gerade bewusst, dass sie bereits mit ihrer Analyse
begonnen hatte und funkelte sie düster an.
Sie zuckte nur die Schultern und meinte: "Es ist mein Job. Also... Du glaubst nicht, dass ein Kind zu
bekommen mutig ist?"
"Das hab ich nicht gesagt, verdammt!" Dann atmete er tief, um sich zu beruhigen. Das brachte nichts.
Schliesslich hatte er sich das bereits vorhin überlegt. "Ich weiss nicht, ob ich dafür geeignet bin - nein,
ich WEISS, dass ich dafür NICHT geeignet bin..."
"Warum hast du es dann getan?"
"Weil ich nicht unser Kind einer Fremden einpflanzen wollte."
Sie lächelte. "Glaube mir... du bist so geeignet, wie man nur sein kann."
Wieder stutzte er. Dieses Gespräch ging so schnell voran, er kam gar nicht mit... "Ich meine nur, dass
ich mir so was früher gar nicht hätte vorstellen können. Und ich meine nicht den medizinischen
Aspekt."
Manja zuckte erneut die Schultern. "Das geht den meisten Frauen auch so." Sie grinste. "Ich wette, du
hast, bevor du hier reingekommen bist, noch gedacht, du würdest mich nicht brauchen. Habe ich
recht?"
Duo grinste. Er mochte sie... Sie dachte ähnlich wie er selbst. "Ja."
"Glaubst du das immer noch?"
Er überlegte kurz und antwortete: "Ich dachte erst, du würdest mit mir über den Krieg reden wollen.
Das will ich nun wirklich nicht. Aber kann schon sein, dass ich dich vielleicht doch brauche." Er
überlegte einen Moment lang, musste aber feststellen, dass sein angeborener Trieb zu reden, seine
Vorsicht schliesslich besiegte. "Ich meine, ich kann mir ja selbst kaum vorstellen, auf was ich mich
eingelassen habe oder wieso. Ich weiss, es ist, weil ich Heero liebe, aber er hätte es ja auch tun
können, obwohl er das bestimmt nicht gewollt hätte und ich hätte auch nicht gewollt, dass er da durch
muss. Aber es ist doch ein schöner Gedanke ein eigenes Kind zu haben, etwas, das Teil von einem
ist. Scheisse... ich rede wirres Zeug."
Sie lachte freundlich. "Nein, das macht sehr viel Sinn. Und auf den Krieg zurück kommen können wir
ja später immer noch, wenn du willst. Momentan haben wir genug Material..." Sie sah ihm in die
Augen. "Du redest gerne, ne?"
Duo grinste. "Darauf kannst du wetten."
"Sehr schön. Ich werde dafür bezahlt zuzuhören... Wir ergänzen uns perfekt."
Duo verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. "Gut, ich kann den ganzen Tag lang reden."
Sie blätterte kurz in einem Dossier, was offensichtlich Duos Profil war. "Du hast dich früher Shinigami
genannt, ist das richtig?"
Duo setzte sich erschrocken aufrecht hin. "DAS steht da drin?"
"Yep."
"Mann... die haben aber auch nichts ausgelassen."
"Ich dachte mir nur... Dass diese Einstellung zum Teil erklärt, weswegen es dir unangenehm ist,
schwanger zu sein."
Bei dem Wort 'schwanger' zuckte Duo kaum merklich zusammen - Manja bemerkte es wohl und das
war ihm auch bewusst. "Es ist mir nicht unangenehm", protestierte er.
"Gut. Dann sag doch mal 'Ich bin schwanger und bekomme ein Kind' und das ohne zu stottern oder
eine Pause zu machen."
Duo starrte sie wütend an und versuchte sein Bestes, eine Kopie von Heeros Death-Glare
hinzubekommen.
Sie grinste. "Nicht schlecht, aber ich bin nicht beeindruckt." Dann seufzte sie resignierend, als Duo
nicht aufgab. "Hör mal, es wäre geradezu unnormal, wenn du keine Probleme damit hättest."
"Mir reicht's jetzt!", schimpfte er und war drauf und dran einfach aufzustehen und zu gehen. "Warum
soll ich dann hier darüber reden, wenn's doch normal ist?"
Sie wechselte ihren Gesichtsausdruck in einen verständnisvollen. "Ich will dir nur helfen, damit fertig
zu werden. Aber das ist unsere erste Sitzung. Das braucht Zeit... und davon hast du eine Menge. Nur
eines noch... Ich weiss, dass es dir Kopfschmerzen bereitet, dass du dich in diese Situation gebracht
hast, aber... Freust du dich denn nicht?"
Duos Wut ebbte ab, und er entspannte sich wieder. Nach einer Weile lächelte er. "Doch, natürlich."
Sie lächelte ebenfalls erleichtert. "Darauf wollte ich hinaus." Sie sah auf die Uhr. "Ich weiss, die Zeit ist
noch lange nicht um, aber ich glaube, das reicht für heute. Wir werden beim nächsten Mal richtig
reden. Einverstanden?"
Duo nickte. Er brauchte jetzt wirklich etwas Zeit für sich alleine. Vielleicht würden ihm die Gespräche
doch etwas nützen.
Manja machte die Aufzeichnungen von Duos Sitzung, als es an der Türe klopfte. "Herein." Sie hatte
keine weitere Sitzung heute, Duo war der letzte. Um so erstaunter war sie, als eben dieser eintrat.
Ihre Augen weiteten sich. Duo sah mehr als niedergeschlagen aus. "Was ist denn passiert?"
"Hast du noch etwas Zeit?"
"Natürlich. Du warst der letzte Patient. Was gibt's denn?"
Duo machte einen Schritt zurück. "Oh... Du hast Feierabend? Tut mir leid, es ist nicht so wichtig. Ich
kann morgen wieder kommen... und..."
Sie lächelte. "Setz dich."
Duo gehorchte und setzte sich ihr gegenüber zurück in den Sessel.
"Also, was ist los?"
Duo setzte an, etwas zu sagen, brach aber ab. "Es ist nichts, wirklich... es war albern her zu kommen."
Er wollte wieder aufstehen, als ihn Manja am Arm festhielt.
"Das ist doch eine dämliche Ausrede! Wenn es nichts wäre, wärst du nicht hier."
Duo zögerte noch eine Weile und starrte auf seine Hände, ehe murmelte: "Heero... Er wollte am
Wochenende herkommen..."
"Er schafft es nicht", folgerte sie.
Duo schüttelte den Kopf. "Das ist bescheuert! Wir waren auch schon länger getrennt... Er wird es ja
dann nächste Woche versuchen. Ist doch kein Grund für so einen Aufstand... Es ist ja nicht das erste
Mal..."
Manja nahm ihn bei der Hand. "Aber das erste Mal, seit du schwanger bist."
"Scheisse!", fluchte Duo. "Das sind diese verdammten Hormone! Die machen mich noch verrückt. Ich
könnte tausend Mal am Tag heulen." Wütend versuchte er, die Tränen wegzuwischen, die sich in
seinen Augen sammelten. "Mist!"
"Dein Heero muss ja ein echter Hammer sein..."
Duo sah auf und brachte ein Lächeln zustande. "Klar. Was sonst." Er fischte ein Bild aus seiner
Tasche und reichte es ihr. Er war zusammen mit Heero darauf zu sehen, und beide sahen sehr
verliebt aus - so weit man Heero so etwas ansehen konnte.
Manja pfiff anerkennend. "Wow. Nicht schlecht." Dann grinste sie. "Er ist nicht wirklich der emotionale
Typ, oder?"
"Wenn man ihn nicht gut kennt, sieht es wohl so aus..." Er wusste, dass Heero auf Fremde diesen
Eindruck machte. Aber er selbst... Er kannte Heero so gut wie niemand anders. Er konnte jedes
versteckte Lächeln sehen und wusste selbst am besten, wie zärtlich sein Geliebter sein konnte.
Manja reichte ihm das Bild zurück und lächelte. "Was hältst du davon, wenn wir essen gehen und
dabei noch weiterreden?"
Duo hob eine Augenbraue. "Musst du denn nicht nach Hause?"
Sie schüttelte den Kopf. "Ich wohne hier. Und du brauchst Ablenkung."
Duo nickte dankbar und sein Blick fiel auf das Foto in seiner Hand. Bei dem Anblick zog sich ihm der
Magen zusammen, und der schien gar nicht erfreut über die Idee, etwas essen zu gehen.
Manja fiel die Veränderung natürlich sofort auf... Das flache Atmen, die blasse Gesichtsfarbe... Sie
stand auf und zog Duo am Arm hoch.
Dieser warf ihr einen hilfesuchenden Blick zu, als sich ein ekelhafter Würgereflex in seiner Kehle breit
machte.
Manja zog ihn zielsicher in einen angrenzenden Raum, in dem sich ein kleines Badezimmer befand.
Duo schaffte es gerade noch knapp zur Toilette, ehe er seinen gesamten Mageninhalt wieder erbrach.
Manja holte einen feuchten, kalten Lappen und legte ihn in Duos Nacken. Sie rieb über seinen Rücken
und wartete, bis er sich wieder beruhigte.
Duo atmete schwer. "Das passiert hier wohl nicht das erste Mal...", bemerkte er leise und versuchte zu
grinsen.
"Nein. Ich bin es langsam gewöhnt." Sie stand auf und holte Duo ein Glas Wasser. "Hier." Sie hielt es
ihm hin. "Das hilft."
Duo nahm das Glas dankbar an und Manja spülte die Sauerei weg.
Duo stellte sehr zu seiner Freude fest, dass Manja, wenn sie gerade mal nicht bezahlt wurde
zuzuhören, auch gerne redete. Im Moment kaute er auf einem Stück Erdbeertorte rum, das er sich als
Nachtisch ausgesucht hatte. Er war erstaunt, dass sein Appetit gleich wieder kam, nachdem er seinen
Magen geleert hatte... Manja meinte, er sollte sich besser auf zwei, drei Monate Erbrechen
vorbereiten. Na ja, dann eben das Beste aus einem Übelkeit freien Moment machen und gehörig
reinhauen.
Manja hob überrascht beide Augenbrauen.
Duo grinste nur und nickte bestätigend.
"Aber..." Sie schüttelte den Kopf und grinste nun auch. "Das kann doch kein Zufall sein. Ihr alle
fünf???"
Duo tunkte eine Erdbeere in etwas Sahne und schob sie sich in den Mund. "Während dem Krieg
haben wir uns darüber nie Gedanken gemacht. Aber vor einem Jahr stellte sich heraus, dass es
Absicht gewesen war." Er zuckte die Schultern. "In dem Bericht hiess es, dass von Anfang an geplant
war, dass wir zusammen arbeiten sollten. Und scheinbar hielten sie es für einfacher, eine Truppe
Teenager unter Kontrolle zu behalten, die untereinander... Dampf ablassen können." Er grinste breit.
"Woher sie allerdings schon lange vor uns wussten, dass wir auf Männer stehen würden, weiss ich
nicht."
Manja starrte ihn mit offenem Mund an. Sie lachte wieder. "Das ist eine interessante Methode...",
kicherte sie.
Duo nickte. "Finde ich auch", stimmte er zu und pickte sich eine weitere Erdbeere von der Torte. Er
grinste. "Ich kann ja auch nicht sagen, dass ich was dagegen hätte..."
"Ha! Bei einem Typen wie Heero? Klar hast du nichts dagegen." Sie rührte in ihrem Pudding. "Du
sagtest Pilot 03 und 04 sind zusammen, ja?"
Duo nickte.
"Was ist mit 05?"
Duos Blick schweifte etwas ab. "Er hat sich... anderweitig Erleichterung verschafft. Und ich bin mir
ziemlich sicher, dass es ihm nicht recht wäre, wenn ich darüber reden würde."
"Nun, ER ist ja nicht mein Patient."
Duo prustete. "Wufei bei einer Psychologin? Ja, genau! Das wäre ein Bild für Götter!"
"Und er ist wohl auch nicht der Typ, sich auf ein solches Experiment einzulassen...?"
Duo lachte weiter. "Das wäre in seinen Augen eine infame Ungerechtigkeit."
"Deine Freunde sind dir sehr wichtig?"
Duo nickte stumm. "Ich hab Trowa und Quatre seit einem Jahr nicht mehr gesehen... und Wufei ist
nach Kriegsende gleich verschwunden."
Manja spürte deutlich, dass das an Duo nagte. An wem würde es nicht... Über drei Jahre. "Und er hat
keine Spur hinterlassen? Nichts?"
Duo lachte traurig auf. "Wenn Wufei keine Spuren hinterlassen will, hinterlässt er auch keine... Aber...
ich habe vielleicht eine wage Vermutung wo er hingegangen sein könnte." Er seufzte. "Zumindest
hoffe ich das..."
Lange blieb Manja stumm. "Du weisst ja..."
Duo nickte. "Ich kann jederzeit mit dir reden, und Geheimnisse sind bei dir gut aufgehoben. Ich weiss."
Dann schüttelte er sanft den Kopf. "Trotzdem. Es wäre ihm nicht recht."
"Mann... Ich hoffe, deine Freunde wissen, was sie an dir haben."
Wieder ein breites Grinsen. "Das will ich ihnen auch raten."
Wufei...
Wufei machte sich in der Dunkelheit aus dem Safe-Haus davon. Er warf einen flüchtigen Blick zurück,
um sicher zu gehen, dass ihm niemand folgte, dann rannte er weiter ins Gebüsch.
"Yo! Wu-man!"
Wufei fuhr zusammen, als die bekannte Gestalt vor ihm auftauchte. "Was willst du, Maxwell?"
Duo lehnte sich grinsend an einen Baum und machte ein paar Schritte auf Wufei zu. "Was hast du
denn vor? Mal wieder ein paar Tage trainieren?"
"Auch wenn dich das nichts angeht... Ja."
Duo grinste noch breiter und stellte sich vor seinen Kameraden. Er schniefte einmal. "Du riechst gut...
Rosenöl?"
Wufei dankte der Dunkelheit, die seine leicht erröteten Wangen kaschierte. "Was soll das Verhör? Ich
benutze es immer."
Duo schüttelte theatralisch den Kopf. "Nicht ganz... Aber immer, wenn du verschwindest..."
"War's das?"
Duos Gesicht wurde mit einem Mal ernst, da Wufei offenbar nicht vor hatte einzulenken. "Nur eine
Frage, Wufei... Sind wir oder unsere Mission in Gefahr?"
"Ich weiss nicht wovon du...", fauchte Wufei.
"Oh, doch! Das weisst du."
Sie starrten sich lange an und keiner sagte etwas.
Und so sehr es Wufei missfiel... er gab als erster auf und senkte seinen Blick. "Nein", flüsterte er. "Es
bringt uns und unsere Mission nicht in Gefahr."
Duo nickte zufrieden. "Gut."
Wufei schaute unsicher auf. "Was jetzt?"
"Puh!" Duo atmete laut auf. "Na ja, gute Frage... Ich würde sagen, du solltest deinen Rosenkavalier
nicht warten lassen." Er grinste.
"Was?!"
Duo zuckte die Schultern. "Du hast gesagt, dass wir nicht in Gefahr sind. Ich glaube dir."
Wufeis Gesicht strahlte nun unübersehbar Dankbarkeit aus.
"Aber kann ich dich noch etwas fragen?"
Der Chinese nickte zögerlich.
"Liebst du ihn?"
Wufei nickte.
"Und behandelt er dich gut?"
Wieder ein Nicken. "Und ich vertraue auf seine Aufrichtigkeit, wenn er sagt, er liebe mich auch."
"Du machst es dir wirklich nie leicht, oder, Wu-man?"
Wufei lachte zynisch. "Verrat war noch nie so leicht, wie jetzt..."
Duo betrachtete ihn besorgt. "Du verrätst niemanden, Wufei. Es wäre ein Verrat an dir selbst, würdest
du es leugnen. Und du verdienst es, wie wir alle, wenigstens ein paar Stunden lang glücklich zu sein."
Wufei starrte auf seine Füsse. Nach einer Weile murmelte er: "Danke, Maxwell."
Duo klopfte ihm auf die Schulter. "Hey, kein Problem, Wu-babe! Geh und amüsier dich!"
Wufei konnte nicht anders, als lachen - und rot werden. Dann verschwand er in den Schatten.
"Du verdienst es, Wufei", flüsterte Duo in die Nacht.
Woche 9 - Freitag
Duo war unglaublich guter Laune. Es war immerhin schon Freitag und er hatte bisher noch keinen
negativen Bescheid von Heero erhalten... Die Chancen standen gut, dass er also morgen hier sein
würde. Und selbst für den Fall, dass er es doch nicht schaffte... nun, er hatte einen kleinen Halt darin
gefunden, ihm oft zu schreiben. Aber trotzdem gingen seine depressiven Schübe ihm manchmal auf
die Nerven.
Jetzt allerdings gab es keinen Grund deprimiert zu sein. Er sass auf der grossen Schaukel im Park,
die er an seinem ersten Erkundungstag entdeckt und sozusagen zu seinem Stammplatz erklärt hatte.
Bei ihm war Sina, die Frau des Senators.
Er schaukelte halb liegend hin und her, eine Hand stützte den Kopf, den Ellbogen auf der Lehne
abgelegt, die andere Hand lag unbemerkt auf seinem Bauch.
Sina war gerade in einem Redefluss, und er wusste es besser, als jemanden in dem Zustand zu
unterbrechen...
Duo lächelte zufrieden vor sich hin. Er fühlte sich im Moment einfach sauwohl.
Das war leicht zu sehen. Und auch wenn es für Duo einfach eine gute Laune war, für seinen
Beobachter oben an der kleinen Treppe zum Hauptgebäude, wirkte der junge Mann auf der Schaukel
einfach strahlend schön.
Heero stand lange still und sah seinen Koibito an. Eines seiner hauchzarten Lächeln schlich sich über
seine Gesichtszüge.
Es hatte zwar einiges an Überredungskunst erfordert, dass er heute schon herkommen konnte, aber
dieser Anblick löhnte ihn tausendfach.
Natürlich brachte die Arbeit als Preventers-Agent einiges mit sich, aber der letzte Auftrag war
ausgeführt und sogar der Papierkram erledigt. Er hatte sich das Wochenende verdient.
Er machte ein paar vorsichtige Schritte die Treppe hinunter, als hätte er Angst, das wunderschöne Bild
vor ihm zu stören.
Eine Erinnerung tauchte in ihm auf.
Duo sass auf seinem Bett, die Knie angezogen, die Ellbogen darauf gestützt und das Kinn in die
Hände gelegt.
Heero trat ein, nahm Duos offenbares Unbehagen im Hinterkopf auf und zwang es weiter zurück. Er
musste erst die Aufträge checken.
Sie waren in einem Internat untergebracht. Sie beide in einem Zimmer. Der Auftrag war noch nicht
eingegangen. Bloss unauffällig verhalten und auf das Startsignal und weitere Anweisungen warten.
Heero setzte sich an den kleinen Tisch im Zimmer und schaltete seinen Laptop ein. Er brauchte nicht
lange, um festzustellen, dass keine Infos eingegangen waren.
Die kurze Zeit reichte allerdings für Duo, sich aus dem Zimmer zu schleichen. Heero hörte es
natürlich, ignorierte es aber. Er wusste sehr genau, dass Duo wütend auf ihn war, und es würde Zeit
brauchen, ihn wieder versöhnlich zu stimmen.
Heero schloss den Laptop und seufzte. Er wusste auch, was in Duos Kopf vorging. Zum einen war da
natürlich, dass für Heero die Mission an erster Stelle stand, wo sein Geliebter gerne mehr
Aufmerksamkeit gehabt hätte. Und zum anderen - und das war auch der eigentliche Knackpunkt -
Duo hatte zwar dem Wing-Piloten oft gesagt, dass er ihn liebe, aber nie eine solche Erwiderung
bekommen. Zumindest nicht in Worten, fand Heero. Immerhin war Duo der einzige, der Heero zum
Lächeln brachte. Duo war derjenige, mit dem er die Nächte verbrachte. Und Duo war es auch, der von
ihm mehr Zärtlichkeit bekam, als er es von sich für möglich gehalten hätte... Aber Duo war auch ein
sehr wortgelenkter Typ.
Heero seufzte erneut. Warum nur wollte Duo unbedingt diese Worte hören? Warum reichten die
Gesten nicht aus? Das war schon schwierig genug... aber es sagen?
Heeros stand auf und verliess das Zimmer und das Gebäude. Duo war wahrscheinlich irgendwo auf
dem Gelände und versuchte, sich ab zu reagieren.
Bis auf den Vollmond war es dunkel. Grillen zirpten... Eigentlich eine romantische Stimmung. Aber
Heero hatte einen Auftrag. Und der lautete, wie so oft, Duo.
Er fand ihn schliesslich auf einer Bank sitzend, wie er wütend vor sich hin starrte.
Duo sah nicht auf, obwohl er Heero längst gehört hatte. Er war wütend, ja. Aber noch mehr hatte er
Angst. Er würde es Heero diesmal nicht einfach machen. Aber was, wenn Heero entschied, dass es
das nicht mehr wert war?
Heero setzte sich neben ihn.
Duo sah nicht auf. "Hast du dich doch noch entschieden her zu kommen?" Ein leiser Sarkasmus
schwang in der Stimme mit.
Heero atmete hörbar aus. Er hatte auch keine sonderlich gute Laune. Diese Mission zog sich dahin,
ohne Nachricht. Es war frustrierend. Dazu kam nun auch noch ein schmollender Liebhaber. "Was ist
es diesmal?", fragte er und klang barscher, als er vor hatte. Er wollte Duo ja eigentlich beruhigen.
Duo schnaubte. "Diesmal?" Er lachte traurig. "Bin ich das für dich? Eine Aneinanderreihung von
unangenehmen Momenten, aus denen du uns wieder rausholen musst? Einfach ein 'Diesmal', das
dich mal wieder genervt hat? Was muss ich tun, damit du überhaupt mit mir redest? Überhaupt
bemerkst, dass ich auch noch da bin?"
Heero hob eine Augenbraue. Ansonsten veränderte sich sein Ausdruck nicht. Wirkte sein Verhalten
wirklich SO auf Duo? Das war doch niemals seine Absicht... Es war nun mal Krieg! Ein Krieg, den sie
beenden sollten! Und sie sassen einfach in diesem Loch von Schule und mussten seit Ewigkeiten nur
warten! "Das ist es nicht."
"Hmpf. Ach was. Was ist es dann?"
"Die Mission geht nicht voran."
Duo seufzte melodramatisch und wandte sich schliesslich nach Heero um. "Okay, der perfekte Soldat
ist frustriert. Das verstehe ich sogar. Glaubst du, mir geht es anders? Trotzdem ignoriere ich dich
nicht! Wir sind hier, wir haben nichts zu tun... Warum können wir die Zeit nicht für uns nutzen?"
"Verdammt! Wir sind im Krieg, Duo!"
"Was du nicht sagst. Aber daran können wir im Moment nichts ändern!"
Das brachte eine Reaktion auf Heeros Gesicht zu Tage. Kaum zu sehen, aber... Es zeigte
Verzweiflung. "Ich kann nun mal nicht einfach 'abschalten', wie du." Er wurde sanfter. "Aber das ist
auch gar nicht das Problem, nicht?"
Duo schüttelte traurig den Kopf. "Es ist nicht nur die Mission, die nicht voran kommt. Was ist mit uns?"
Aha... nun kamen sie also auf den Punkt. "Ich denke, das weisst du."
"Nein, das weiss ich nicht!", schrie Duo. "Ich liebe dich, gottverdammt noch mal! Aber was ist mit dir?
Was ist mit uns? Ist da überhaupt ein uns? Wie lange wird das noch dauern? Wann hast du genug
von mir? Was ist für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir den Krieg überleben? Was dann?! Du
zeigst mir jeden Tag aufs Neue, dass du nicht überleben willst!" Er verwarf die Hände. "Klar, wozu
dann auch gefühlsduselig werden? Wir kratzen ja morgen eh ab!" Tränen liefen über sein vor Wut
gerötetes Gesicht. "SCHEISSE!!!"
Duo begann zu zittern. So redselig er auch war, das Essenzielle behielt er ansonsten meistens für
sich... Dieser Ausbruch kostete ihn mehr Kraft, als er angenommen hatte.
Heero schwieg lange. "Ich möchte nicht sterben", flüsterte er schliesslich.
Duo sah überrascht auf.
"Warum glaubst du denn, dass ich sterben möchte, wo ich doch endlich einen Grund habe, leben zu
wollen?"
"Was?" Seine Stimme zitterte, liess ihn im Stich.
Heero zitterte ebenfalls, wenn auch etwas leichter. Seine stoische Maske bröckelte. Er zögerte, holte
mehrmals Luft, etwas zu sagen und brach wieder ab. Dann hob er vorsichtig die Hände und umrahmte
Duos Gesicht.
In Duos Augen leuchtete Hoffnung.
Heero sah es und lächelte. Das war für den sprunghaften Amerikaner selten. Er mochte vielleicht oft
reden und lachen... aber er hatte schon zu viel verloren, um wirklich noch an die Hoffnung zu
glauben... Und Heero lächelte, da er der Grund war, dass es für ihn doch noch Hoffnung gab. Er
beugte sich etwas vor und küsste Duo federleicht auf die Lippen.
Duo öffnete den Mund und schaute sein Gegenüber fragend an. 'Heero?', er bewegte nur den Mund,
brachte keinen Ton heraus.
Und Heero zwang sich, nur in diese hoffnungsvollen, violetten Augen zu sehen. Auf dieses
wunderschöne Gesicht. Er wusste doch, was er fühlte. Er hatte es von Anfang an gewusst, seit dem
Moment, in dem Duo ihn gezwungen hatte, seine Gefühle zumindest auszudrücken, wenn er sie
schon nicht in Worte fassen konnte. "Duo... ich..." Sein kleiner, persönlicher Krieg, den zu gewinnen
ihn bei Weitem mehr Überwindung kostete, als sämtliche Selbstzerstörungsknöpfe dieser Welt! Sag
es! Sag es! Sag es! Er holte tief Luft, schloss die Augen, öffnete sie langsam und schaute wieder in
das tiefe Violett. "Duo, ich liebe dich."
Heero machte noch einen Schritt und lächelte. Er erinnerte sich so deutlich an dieses strahlende
Gesicht! Und er konnte es von da an viel öfter sehen. Ein ehrliches Lächeln, nicht das Grinsen
Shinigamis. Duo... mein Duo.
Duo hielt in seinem Gespräch auf der Schaukel plötzlich inne. Er blinzelte und drehte langsam den
Kopf. Seine Augen blieben and der Gestalt hängen, die auf ihn zu kam, sie weiteten sich, und dann
hellte sich sein ganzes Gesicht auf. Er schoss von seinem Sitz hoch und rannte auf den Besucher zu.
"Heero!"
Heero blieb kaum genug Zeit, sich von seinem Beinahe-Trance-Zustand zu lösen, da hatte er schon
zwei Arme voll von emotionalem Duo. Er hielt ihn fest.
"Heero! Du bist hier..." Duo kämpfte schwer damit, die Tränen in den Augen zu behalten.
"Ich bin hier."
Duo küsste ihn überschwänglich, und obwohl Heero solcherlei Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit
unangenehm waren, liess er ihn gewähren... Verdammt, dieser Baka hatte ihm gefehlt.
Duo löste den Kuss und verbarg sein Gesicht in Heeros Halsbeuge. "Ich habe dich so vermisst."
"Ah." Heero hielt seinen Koi noch etwas fester und schloss die Augen. "Ich dich auch."
Eine Weile später sassen sie im Speisesaal.
Duos Übelkeit schien sich - zumindest heute - auf den Morgen beschränkt zu haben, und er konnte
wieder richtig zuschlagen.
Heero sass ihm die meiste Zeit stumm gegenüber und hörte seinen Erzählungen zu. So verlief ihr
gemeinsames Essen meistens. Duo redete zwischen seinen Happen und Heero hörte zu. Es gab ihm
beinahe das Gefühl, als seien sie zu Hause, und er war froh, dass Duo ihnen einen kleinen
Zweiertisch am Rande des Saales gesucht und sich von seinen üblichen Begleiterinnen höflich
entschuldigt hatte. Er hatte ihn für sich alleine.
"Und? Wie ist dein Auftrag verlaufen?", fragte Duo schliesslich.
Heero wurde aus seinen Gedankengängen geholt und er überlegte einen kaum merklichen Moment
lang. "Gut. Keine Probleme."
Duo nickte. "Aha. Worum ging's überhaupt?"
"Personenschutz."
Duo grinste. "Sag bloss, dir ist langweilig...?"
Heero erwiderte das Grinsen. "Nun, es ist nicht so herausfordernd, wie zu fünft einen Krieg gegen den
Rest der Welt zu führen, aber wenigstens halten mich meine Gefühle für dich nicht mehr davon ab,
meinen Auftrag zu erfüllen."
"Du bist aber auch leicht zu beeinflussen", witzelte Duo.
Heero lachte leise und warf einen Blick auf ihre leeren Teller, dann leuchtete das Glimmen des Jägers
in seinen Augen, als er aufsah. "Du hast mal was von einem grossen Bett gesagt..."
Duo kicherte. "Ein grosses, warmes, weiches Bett..."
"Bist du müde?"
"Nicht im Geringsten."
"Gut." Er blickte knapp über Duos Schulter. Sie waren weit genug von den anderen Leuten im Saal
entfernt, und die waren alle mit sich selbst beschäftigt... Er griff kurzerhand über den Tisch, legte seine
Hand in Duos Nacken und zog ihn zu sich.
Duo seufzte glücklich. Etwas an Heeros Küssen liess ihm jedes Mal Flügel wachsen. Er fühlte sich, als
könne er fliegen, wenn sich ihre Lippen zärtlich berührten.
Lange teilten sie kurze, kleine Küsse, ohne sich zwischen ihnen wirklich zu trennen. Ihre Zungen
berührten sich flüchtig und zogen sich immer wieder zurück.
Heero biss Duo neckisch in die Unterlippe und zog sich etwas zurück. "Gehen wir?"
Duo nickte. "Mit dir? Aber immer doch." Er grinste.
Und auf ihrem Weg in Duos Zimmer erinnerte sich Duo an ihren ersten Kuss...
Duo lag auf dem Krankenbett und überlegte wieder und wieder, warum Heero ihn gerettet hatte... Sein
Auftrag war es, ihn zu töten, nicht ihn zu befreien. Und diese Bemerkung, er würde ihn nur töten, wenn
das sein Wunsch war...
Durch diese Aktion hatte Heero sich und seine Mission in Gefahr gebracht. Wieso?
Duo drehte sich auf die Seite und bereute es auch gleich wieder. Er legte sich zurück auf den Rücken
und hielt sich die schmerzenden Rippen. Dann seufzte er und schüttelte den Kopf. Es war zwar ganz
nett noch am Leben zu sein, aber er sollte nicht zu viel in Heeros Rettungsaktion hineininterpretieren.
Bestimmt hatte Heero gedacht, Duo würde ihm noch einmal nützlich sein.
Aber, hey, ein Mann konnte doch träumen, oder?
Duo grinste. Ja, klar, Heero würde ihn standesgerecht erschiessen, würde er Annäherungsversuche
starten. Aber dafür hatte er ja seine Gedanken, und die gehörten nur ihm allein. Und in diesen konnte
er seinen Kameraden 'mein kleiner, süsser Hee-chan' nennen, ohne gleich gemeuchelt zu werden.
Bei dem Bild musste Duo laut lachen, den Schmerz an seinen Rippen ignorierte er einfach.
Die Türe öffnete sich und das Objekt seiner Begierde trat ein.
Duo setzte sich. "Ohayo!", grüsste er ihn mit einem absolut lächerlichen Grinsen auf dem Gesicht, da
ihm immer noch diese abstruse Szene im Kopf herumschwirrte.
Heero nickte ihm zu. "Etwas ist auf der Mondbasis am Laufen. Ich warte noch auf mehr
Informationen." In seinem Kopf beschäftigte ihn ebenfalls der Gedanke, weshalb er Duo gerettet hatte.
Genau wie bei Relena! Diese beiden hielten ihn immer wieder von seiner Mission ab! Er warf einen
flüchtigen Blick auf Duo und stellte fest, dass dieser aber in ihm noch etwas anderes auslöste als
Relena... Nur was?
Er wusste, bei Relena war es eine Erinnerung... 'Hast du dich verlaufen, Brüderchen?' Ein kleines
Mädchen mit seinem Hund... ihr schuldete er sein Leben... Der Tag, an dem er das Mädchen getötet
hatte, war der Tag, an dem er zu lächeln aufhörte. Das kleine Mädchen... Ihre Augen waren wie
Relenas.
Aber was war mit Duo...?
Dieser schwang sich so elegant wie möglich von seinem Bett, um die Verletzungen zu verdecken. Er
wog Pro und Kontra einer Idee ab, die sich in seinem Hinterkopf formte. 'Hm... Soll ich...? Oder soll ich
nicht...? Entscheidungen, Entscheidungen...' Er grinste. Falls Heero ihn dafür tötete, war es das wert...
Er trat auf den stoischen Piloten zu. "Ne, Heero...?"
Heero drehte sich mit einer perfekt sitzenden Maske der Gefühllosigkeit zu ihm um.
Bei dem Anblick zögerte Duo kurz. Dann dachte er 'Zur Hölle! Was soll's...' und beugte sich vor, um
dem Jungen vor sich einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Als er sich löste, erwartete ihn ein Bild,
das er nicht erwartet hatte...
Heero war verwirrt. Er starrte Duo mit weit aufgerissenen Augen an und wusste nicht weiter. Es war
genau das, worüber er sich davor noch Gedanken gemacht hatte. Das Gefühl, das bei Duo anders
war als bei Relena, überwältigte ihn bei diesem Kuss mit noch grösserer Wucht als sonst.
Duo versuchte die unangenehme Stille zu durchbrechen. "Oi, man, schon okay. Ich wollte mich nur
bedanken", hastete er. Er wollte Heero nicht so durcheinander bringen. Er hatte eher einen Kinnhaken
oder eine Kugel im Kopf erwartet... aber nicht das...
Die Worte suchten sich einen äusserst gewundenen Pfad in Heeros Kopf und es dauerte
entsprechend lange, bis er sie wahr nahm. Duo wollte sich bedanken? Nichts weiter. War er jetzt
erleichtert oder enttäuscht? In seinem momentanen Zustand der Verwirrung konnte er gar keine
rationale Antwort auf die Frage finden, und zu seinem Entsetzen stellte er fest, dass er das auch nicht
wollte... Er presste die Augen zwei Sekunden lang zu.
Duo beobachtete das Ganze mit Unbehagen. Und als er sah, wie Heero die Augen wieder öffnete fiel
ihm beinahe der Unterkiefer ab. Heeros Ausdruck war flehend, vielleicht für jeden anderen nicht zu
erkennen... für Duo schon. Stumm bat er Duo um etwas, was dieser nicht wusste.
Heero machte einen Schritt vorwärts.
Und da konnte Duo noch etwas anderes als Verwirrung in den blauen Tiefen von Heeros Augen
erkennen. Er machte ebenfalls einen Schritt nach vorne und überlegte sich die richtigen Worte.
"Heero, du sagst immer, man soll auf seine Gefühle hören..."
Heero nickte, mehr als Bestätigung es mal gesagt zu haben, als um zu zeigen, dass er die Bedeutung
der Worte in diesem Fall auch verstand.
Duo wartete geduldig, bis Heeros Gesichtsausdruck ihm einen Hinweis gab, dass dieser verstanden
hatte. Und der Hinweis kam.
Heero entspannte sich, schmolz unter Duos warmem Blick dahin.
Duo lächelte, als sich Heeros Gesichtsmuskeln der Reihe nach - und nur für ihn sichtbar - lösten und
beugte sich wieder zu einem Kuss nach vorne. Diesmal aber hielt er länger an. Duo legte nun alle
Gefühle mit hinein, nicht mehr nur die kecke Neugierde von vorhin. Er bewegte seine Lippen sanft
gegen die des anderen, und als er ihn zögernd erwidern spürte, seufzte er zufrieden. Er liess Heero
das Tempo vorgeben, wartete, bis dieser seinen Mund leicht öffnete.
Heero fühlte sich, als würde eine riesige Last von seinen Schultern fallen. Trotzdem brauchte er eine
Weile, bis er den zärtlichen Kuss erwidern und Duos Körper mit seinen Armen umfangen konnte.
Duo seufzte leise im Schlaf und rutschte näher an den warmen Körper neben ihm. Er lächelte, als er
langsam wach genug wurde, um sich zu erinnern, woher die Wärme kam. "Guten Morgen", hörte er
den anderen flüstern.
"Morgen", erwiderte Duo verschlafen. Dann hob er den Kopf und küsste Heero lange. Und gerade als
er den Kuss vertiefen wollte, unterbrach ihn das unverschämte Grollen seines Magens.
Heero lachte leise. "Hunger?"
Duo schien einen Moment darüber nachzudenken und nickte schliesslich, als sich bei dem Gedanken
an Essbares sein Magen nicht beschwerte.
Heero seufzte. "Dann werden wir wohl aufstehen müssen."
Duo grinste breit und schüttelte den Kopf. "Müssen wir nicht. Aber reich mir doch mal das Telefon
neben dir auf dem Nachttischchen..."
Heero grinste ebenfalls und tat, was Duo ihm gesagt hatte.
Duo tippte drei Ziffern ein und wartete, bis am anderen Ende jemand antwortete. "Ohayo!", rief er
fröhlich.
-Ich hab gehört, du hast Besucht...-, klang es vom anderen Ende aus amüsiert.
Duo lachte. "Yep. Und wir wollen noch nicht aufstehen und haben Hunger..."
Das andere Ende lachte mit ihm. -Das Übliche mal zwei, ist das in Ordnung?-
"Ja, danke."
-Ist in einer halben Stunde oben.-
"Danke, du bist super! Bis bald mal wieder!" Er legte auf und strahlte Heero an. "Wir haben noch eine
halbe Stunde... Was meinst du, sollten wir die nicht sinnvoll nutzen?"
"Aber absolut."
Sie überwanden sich erst gegen Mittag, das Zimmer zu verlassen und schlenderten nun über das
Gelände.
Duo griff nach Heeros Hand und lehnte sich an ihn. "Ich bin froh, dass du hier bist."
"Ah. Das bin ich auch."
"Wann musst du wieder zurück?", fragte er etwas wehmütig.
"Morgen Nachmittag."
Duo seufzte und klammerte sich etwas fester.
Heero fuhr fort: "Aber ich habe Une gesagt, dass ich so was wie letzte Woche nicht noch einmal
dulde. Wenn ich sage, ich komme hierher, dann komme ich auch hierher."
Duo lachte, aber es schmerzte ihn trotzdem ein Bisschen, und er zwang den morgigen Nachmittag
aus seinen Gedanken. "Was hat sie gesagt?"
Heero zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Sie hat keine Wahl. Beim nächsten Mal steige ich aus,
bis du wieder nach Hause kommst."
Duos Augen weiteten sich. "Das hast du ihr gesagt?"
Heero wandte sich nach ihm um. "Natürlich. Ich weiss, dass sie so lange nicht auf mich verzichten
wollen, und ich will dir nicht noch mal wehtun. Es wird nicht wieder passieren", schloss er de facto.
Duo leuchtete und küsste Heero geräuschvoll. "Du bist ein Goldstück, Heero Yuy."
Heero strich Duo liebevoll über eine Wange. "Du bist für uns beide hier. Und wenn ich nicht gewusst
hätte, dass sie mich dringend brauchen, wäre ich von Anfang an bei dir geblieben. Aber ich lasse nicht
zu, dass ich dich auch nur noch ein Mal deretwegen verletzen muss. Dann müssen sie sich eben auf
ihre anderen Agenten verlassen."
Duo drückte ihn fest an sich und vergrub sein Gesicht in seiner Halsbeuge. Warme Hände strichen
ihm über den Rücken und liessen ihn wissen, dass Heero sein Wort halten würde.
Nach langen Minuten fragte Duo schliesslich. "Apropos Agenten... Du hast nicht etwas von Wufei
gehört?"
Heero schüttelte den Kopf. "Nein, er ist nur noch in der Missionsplanung tätig. Er nimmt die Aufträge
an und schickt die Pläne zurück. Der Datenweg ist jedes Mal so zerhackt, dass man ihn nicht
zurückverfolgen kann."
"Du auch nicht?"
Heero schwieg eine Zeit lang. "Ich könnte... Aber es ist seine Privatsache, ob er gefunden werden will
oder nicht."
Duo nickte. "Du hast Recht... Trotzdem. Ich fühle mich nicht gut und wüsste gerne, wie's ihm geht."
"Quatre hat auch schon alle Hebel in Bewegung gesetzt. Er hat auch mich schon gefragt, ob ich ihn
nicht zurückverfolgen könne."
Duo zögerte. "Du... Denkst du, er lebt noch?"
Sie beide wusste, dass er nicht von Wufei redete.
Heero fasste zusammen: "Du weisst, alle Teile, bis auf das Cockpit, wurden gefunden... und wir waren
beide der Ansicht, dass man Wufei nach Kriegsende nicht wirklich einen Verlust ansehen konnte..."
Duo nickte.
Etwas zögernd fügte Heero noch etwas an: "Da ist noch etwas anderes..."
Duo sah auf.
"... Une ist in letzter Zeit oft in China gewesen... Das ist an und für sich nichts Aussergewöhnliches,
aber sie hat Marimeia jedes Mal mitgenommen..."
Wieder nickte Duo, diesmal erleichtert und grinste. "Verstanden."
Woche 19 - Samstag
Duo stand im Park vor einer Staffelei und pinselte drauf los. Nun ja, nicht wirklich einfach drauf los, er
war beinahe mit dem Bild fertig, das er vor zwei Wochen angefangen hatte.
Es war ihm glücklicherweise nicht schwer gefallen, sich Hobbies ausser Sport zu suchen, und Malen
schien ihm besonders zu liegen.
Das Bild an dem er gerade arbeitete, war eines von Heero und sich selbst, wie sie schlafend auf
'seiner' Schaukel gelegen hatten. Sina hatte ein Foto gemacht.
Er stand an derselben Stelle, an der Sina gestanden haben musste und benutzte die meiste Zeit nicht
das Bild, sondern die Landschaft als Vorlage. Er hatte noch ein paar Ausbesserungen zu machen,
hier und da noch einen Schatten oder einen Lichtreflex zu verbessern, würde aber wohl in den
nächsten zwei Stunden oder so fertig sein.
Dieses Wochenende konnte Heero nicht herkommen. Aber das war schon okay, da Duo darauf
vorbereitet gewesen war und sich nun halt auf das nächste freute. Und während dem Tag fühlte er
sich nie so einsam wie nachts.
Nach einer Weile hörte er hinter sich Schritte... Zwei Personen. Er brachte noch drei Lichttupfer auf
die Leinwand und grinste... Diese beiden kannte er. Und kurz bevor einer der beiden etwas sagen
konnte, sagte er: "Tag, ihr zwei. Kommt ihr mich in meinem Exil besuchen?" Er drehte sich um und
stand einem vor Freude fast platzenden Quatre und einem wie immer gelassenen Trowa gegenüber.
Duo legte den Pinsel zur Seite und umarmte Quatre, der sich ihm gleich an den Hals warf.
"Ist das schön, dich zu sehen!", tschirpte der blonde Junge.
"Ich freu mich auch, euch zu sehen", erwiderte dieser. "Wie habt ihr mich gefunden?"
"Heero", antwortete Trowa, da Quatre vor Freude offenbar die Luft weg blieb.
Quatre nickte. "Wir wollten euch besuchen, aber nur er war zu Hause..." Er stoppte plötzlich und
schob sich mit hochroten Wangen etwas weg.
Duo blinzelte überrascht, bis er den Grund für Quatres Unsicherheit erkannte und ihn angrinste.
Quatres Augen wanderten unvermittelt zu Duos Bauch und er stotterte: "Ich hab dich doch nicht zu
fest gedrückt, oder?"
Duo lachte laut los, dann drückte er den unsicheren Jungen wieder fest an sich. "Hast du nicht",
versicherte er.
Trowa lächelte ebenfalls leicht. "Ich muss zugeben, wir waren überrascht zu hören, wo du bist. Und
vor allem weswegen."
Quatre schnappte plötzlich nach Luft. "Hat... hat es sich gerade bewegt?"
Duo starrte ihn überrascht an. "DAS hast du gespürt? Ich dachte nicht, dass man von aussen schon
etwas fühlen kann."
Quatre legte ausser sich eine Hand an die Stelle und schnappte mit der anderen nach einer von
Trowas. Er legte dessen Hand ebenso darauf.
Duo liess es über sich ergehen und war amüsiert zu sehen, dass Trowas Wangen einen leichten
Rotschimmer annahmen.
Trowa nickte nach einigen Momenten langsam. "Ja, ganz schwach zwar, aber etwas ist spürbar." Und
er hätte es wohl für Darmaktivitäten gehalten, hätte er es nicht besser gewusst.
Auf Quatres Begeisterung hin grinste Duo breit und stupste Trowa an. "Sieht aus, als wäre er der
nächste." Er zwinkerte und lachte laut, als Trowa seinen Blick etwas überfahren erwiderte.
Quatre bekam davon wenig mit. Er leuchtete einfach über sein ganzes Gesicht und hätte mit der
Energie wahrscheinlich eine ganze Kolonie für ein Jahr lang versorgen können.
Trowa warf einen Blick auf den jungen Araber und lächelte. Der Junge strahlte eine solche Wärme,
Herzlichkeit und Güte aus. Etwas, das er nie vergessen könnte, auch nicht, als er sich nicht an ihn
erinnerte...
Trowa sass in seiner Kabine auf dem Bett und starrte vor sich hin. Heute hatte er gekämpft... Er
wusste nicht wirklich wofür und wer die Leute waren, an deren Seite er kämpfte... oder woher er
wusste, wie man kämpft...
In seinem Kopf war ein grosses, schwarzes Loch, wo seine Erinnerungen sein sollten. Ein schwarzes
Loch voller Angst, Schmerz und Unsicherheit.
Er erinnerte sich nur an seine grosse Schwester, die versucht hatte, ihn vom Kämpfen abzuhalten und
schliesslich versagte.
Er musste kämpfen... nur... Wofür? Mit wem? Wie?
Da war dieser Junge. Ein blonder Junge. Kleiner als er. Er hatte sich offensichtlich grosse Sorgen um
ihn gemacht... vielleicht auch Vorwürfe.
Er fragte sich, was dieser kleine Engel in einem solchen Krieg verloren hatte. Er war doch so
unschuldig und liebenswert und freundlich. Niemand, der in den Kampf ziehen sollte.
Aber da war noch etwas an diesem Jungen. Er erinnerte sich, was sein erster Gedanke war, als er ihn
im Zirkus zum ersten Mal wieder gesehen hatte... 'Ich habe Gefühle für ihn...', hatte er Gedacht.
Gefühle. Ja, da waren Gefühle. Denen, die der Junge ausstrahlte, nicht unähnlich. Sie waren warm...
Er fühlte sich geborgen in seiner Nähe.
"Quatre...", kam es aus seinem Mund. Ja, das war sein Name...
Trowa wusste nicht was er tat, als er aufstand und seine Kabine verliess. Erst, als er vor der Kabine
seines Kollegen war, wurde ihm bewusst, dass es nicht das erste Mal gewesen sein konnte, dass er
seine Nähe suchte. Er musste das früher auch schon getan haben. Früher... in dem Früher, an das er
sich nicht erinnern konnte.
Fast unbemerkt hob er seine Hand und klopfte leise an.
Von drinnen klang ein müdes aber freundliches Herein.
Trowa öffnete die Türe und blieb lange stehen.
Quatre sah von seinem Lager auf und blinzelte, als ihn das Licht vom Flur traf. "Trowa?"
Trowa nickte nur.
"Ist etwas nicht in Ordnung?", fragte der Junge besorgt.
Trowa dachte über die Frage nach und antwortete schliesslich: "Ich weiss es nicht."
Quatre rieb sich noch einmal über die Augen und stand auf. Er trug ein T-Shirt und Shorts und machte
ein paar Schritte auf den grossen Jungen zu. "Ist etwas passiert? Hast du geträumt?"
Trowa schüttelte den Kopf und sah, wie sich Quatres Augen besorgt noch mehr weiteten. Schnell
suchte er nach Worten, diese Besorgnis zu lindern. "Ich habe nur nachgedacht, woran ich mich nicht
erinnern kann..."
Quatre nickte und lächelte, die leise Wehmut dahinter versuchte er zu verdecken.
Trowa sah es trotzdem. Eine seiner Hände bewegte sich etwas, er liess sie aber weiter an seiner
Seite herab hängen. "Als wir heute gekämpft haben..."
Quatre nickte wieder. Er würde Trowa Zeit geben, alle Zeit die er brauchte... Aber, Gott, es tat weh...
"Mein Körper hat sich erinnert, wie ich kämpfen muss...", fuhr Trowa fort.
Quatre nickte. "Das hast du gesagt, ja."
Trowa zögerte. "Aber da ist noch etwas... Mein Körper... erinnert sich an dich...", schloss Trowa
flüsternd und hatte Angst, sein Gegenüber könnte das falsch verstehen. "Immer, wenn ich bei dir bin,
möchte ich..."
"Was möchtest du?"
Trowas Hand zuckte wieder, aber diesmal liess er zu, sie zu heben. Er legte sie sanft auf Quatres
Wange, strich mit dem Daumen den Wangenknochen nach. "Dich berühren", hauchte er.
Quatre zitterte, Tränen schossen ihm in die Augen und liefen seine Wangen hinab, trafen auf Trowas
Hand.
Trowa strich mit dem Daumen sachte über Quatres Lippen, als er sehen konnte, dass diesem solche
Erinnerungen nicht fremd waren. Fragend betrachtete er den Junge vor sich. Er wusste nicht, was er
sagen sollte... Seine Augen fragten schliesslich 'Waren wir? Wir waren...?'
Quatre nickte nur auf die unausgesprochenen Worte hin.
Und als Trowa sich zu ihm beugte und die salzigen Lippen des Jungen mit seinen eigenen berührte,
verschwand der stechende Schmerz in seiner Brust, den er jedes Mal fühlte, wenn er Quatre zu
verstehen geben musste, dass er sich nicht an ihn erinnern konnte...
Duo entschied sich dafür, sich mit seinen beiden Besuchern in den Pavillon zu setzen. Der Grund
dafür war einfach: Am Nachmittag wurde dort Tee serviert. Bisher hatte Duo davon keinen Gebrauch
gemacht, dachte sich aber, dass Quatre das gefallen würde... Und natürlich hatte er recht damit.
Quatre verbrachte allerdings beinahe mehr Zeit damit, Duo mit Fragen über sein kleines Wunder zu
löchern, als Tee zu trinken.
Trowa sass still daneben und seufzte ab und zu über Quatres Enthusiasmus. Er dachte sich, wenn
das so weiter ginge, würde Duo mit seiner Bemerkung am Ende noch Recht behalten.
Und Duo war am Erzählen: "Erst hab ich mich ja noch gefragt, ob das Ganze nicht auch ohne
Gebärmutter gehen müsste. Irgendwo im Bauch hat es doch bestimmt genug Platz, aber Heero
meinte, eine Bauchhöhlenschwangerschaft sei innert zwei Tagen tödlich... na ja, schätze, dann war
diese Möglichkeit wohl doch besser." Er grinste.
Trowa blinzelte. "Ich wusste nicht, dass Heero ein Experte dafür ist."
Duo zuckte die Schultern. "Er meinte, er habe diese Mission angenommen und müsse somit alles zur
Verfügung stehende Material kennen. Du weisst ja, wie er in seinem 'Missions-Modus' ist."
Trowa nickte und lächelte leicht, und Quatre kicherte fröhlich und stellte sich vor, wie sich Heero durch
Tonnen von Büchern zu Schwangerschaft und Geburt wühlt... Dann fragte er weiter: "Habt ihr euch
schon für Namen entschieden?"
Duo stiess laut Luft aus. "Er will es unbedingt Duo nennen, wenn es ein Junge ist. Also mal ehrlich, ich
will doch nicht, dass mein Kind so heisst, wie ich! Ich hoffe jetzt einfach, dass es ein Mädchen wird,
dann kann ich mir einen Namen aussuchen." Er lachte unheilvoll und sein düsteres Grinsen teilte sein
Gesicht beinahe in zwei Hälften.
Quatre hob vorsichtig eine Augenbraue. "Wie würdest du ein Mädchen denn nennen?"
"Sag ich nicht", grinste er. "Heero meinte, ich könne ja doch nicht die Klappe halten... Der wird sich
wundern. Kein Wort sage ich! Das bleibt mein Geheimnis, bis es auf der Welt ist. Und ich weiss
genau, es wird ein Mädchen. Allein schon, weil ich sein dummes Gesicht sehen will." Wieder lachte er.
Quatre lachte gut gelaunt mit und Trowa wärmte langsam für den Gedanken auf, den sein Geliebter
ohne Zweifel in seinem Kopf trug.
Quatre zupfte Duo am Ärmel. "Duo, sag mal..."
"Hm? Was denn?"
"Kann ich dich was Persönliches fragen?"
Duo lachte. Die meisten Fragen bisher waren persönlich gewesen.. "Klar, Q. Schiess los."
"Ähm... Wie ist das eigentlich mit Sex?"
Quatre machte so ein verlegenes Gesicht, dass Duo einfach lachen musste. Quatre wurde noch röter
und Duo beruhigte sich langsam. "Na ja... der Arzt sagte, es bestehe keine Gefahr solange wir es
nicht übertreiben. Und solange es natürlich technisch möglich sei..." Duo lachte wieder.
Es dauerte zwei Sekunden, bis die letzen Worte bei Quatre gesunken waren, dann wurde er wieder
rot und lachte mit.
Die fröhliche Runde wurde von einer Pflegerin unterbrochen. "Duo! Da bist du!"
Duo guckte auf die Uhr und machte ein schuldbewusstes Gesicht. "Sorry... Hab die Zeit vergessen..."
Die Pflegerin seufzte. "Zum Glück wirst du betreut... Ich möchte gar nicht wissen, wie du sonst an die
Injektionen denken würdest." Sie angelte eine kleine Druckpistole aus ihrem Koffer.
Duo krempelte seinen Ärmel hoch und grinste. "Entweder würde mich Heero dran erinnern müssen,
oder ein Wecker oder so was..."
Sie setzte die Pistole an seinen Arm. *zack* "Na, bitte. Schon vorbei."
"Was bin ich froh, dass ihr hier keine Nadeln habt. Ich hasse Nadeln!"
Die Pflegerin lachte. "Du brauchst zwei Injektionen am Tag. Ich wüsste wahrscheinlich schon gar nicht
mehr wo stechen." Sie klopfte ihm wohlwollend auf den Arm. "Bis zum nächsten Mal."
Duo grinste. "Danke, Perette."
Duo schaute auf die Sonne, die bereits begann, sich langsam zu senken. " Und... Müsst ihr schon bald
wieder zurück?"
Quatre schüttelte den Kopf. "Wir bleiben bis morgen. Wir gehen über Nacht in die Stadt."
"Oh, ihr müsst nicht in die Stadt", warf Duo ein. "Ihr könnt auch hier ein Zimmer haben."
"Geht das denn?", fragte Trowa.
Duo nickte eifrig. Ihm gefiel der Gedanke nicht, dass sie ganz in der Nähe sein würden, aber doch
nicht bei ihm... Er sagte es zwar nicht, freute sich aber wirklich sehr über den Besuch. "Besucher sind
hier immer mit eingeplant."
Quatre wechselte einen kurzen Blick mit Trowa und lächelte. "Dann bleiben wir gerne."
Trowa nickte knapp.
Duos Gesicht hellte sichtbar auf.
Beim Abendessen dagegen ging es ihm langsam wieder schlechter. Zum einen war ihm übel, und
zum anderen wurde er zusehends depressiver. Er versuchte, das Essen runter zu würgen und seinen
beiden Besuchern gute Laune vor zu spielen. Es gelang ihm nicht, die beiden hatten schon die aller
ersten Anzeichen seiner gespielten Fröhlichkeit bemerkt, und Duo fiel es zunehmend schwerer, sie
aufrecht zu erhalten.
Dazu kam noch, dass Duo müder und müder wurde, aber nicht in sein Zimmer wollte, da er wusste,
dass es dort bestimmt wieder schlimmer werden würde.
Quatre schliesslich setzte dem ein Ende. "Duo, du kippst gleich vom Stuhl..."
Duo wollte sich gleich verteidigen und schüttelte den Kopf.
Quatre liess ihn nicht zu Wort kommen - was bei einem Duo Maxwell schon schwierig genug war -
und fuhr nach einem kurzen Blick zu Trowa fort: "Na, komm. Wir kommen mit dir." Er stand auf und
nahm Duo beim Arm.
Der schaute verwirrt aus der Wäsche. "Hä?"
Quatre zuckte die Schultern. "Wär nicht das erste Mal, dass wir ein Lager teilen, Duo. Mit dem
Unterschied, dass dein Bett wohl grösser und bequemer ist, ne?" Er zwinkerte vergnügt.
Duo senkte seinen Blick, beschämt, dass die zwei so leicht durch seine Fassade blicken konnten.
"Das müsst ihr nicht..."
Trowa legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Das ist kein Problem, Duo. Du solltest nicht alleine sein."
Duo schniefte und hielt vorerst noch erfolgreich seine Tränen zurück, die sich einen Weg nach
draussen suchten, aus weiss der Himmel für einem Grund... Dann nickte er und liess sich auf sein
Zimmer bringen.
Kurze Zeit darauf lag er im Bett, Quatre lag vor ihm und Trowa gegen seinem Rücken und hielten ihn
fest. Er atmete ruckartig und kämpfte immer noch mit seinen Tränen. Er wollte nicht weinen. Jungs
weinen nicht! Schon gar nicht, wenn sie nicht einmal den Grund dafür kennen... Oder zumindest
sollten sie nicht weinen, wenn jemand da war, um es zu sehen...
Quatre strich ihm beruhigen über das Gesicht und die Haare. "Schsch... ganz ruhig. Heero ist doch
nächste Woche wieder hier. Ist doch schon gut."
Bei der sanften Berührung riss ein tiefer Schluchzer Duo beinahe in zwei Hälften, und er verlor den
Kampf gegen seine Tränen. "Das sind... sind nur die Hormone... und...", schluchzte er.
"Das wissen wir", beruhigte ihn Quatre und strich ihm weiterhin über die Haare. "Eine meiner
Schwestern hat letztes Jahr ein Kind bekommen. Sie war während der Schwangerschaft einfach
unausstehlich", kicherte er.
Duo musste unter Tränen etwas mit lachen. "Aber... aber Jungs weinen nicht."
Quatre nahm sein Gesicht in beide Hände und schaute ihm ernst in die Augen. Er gab ihm einen
sanften Kuss auf den Mund und wartete danach, bis sich seine Überraschung langsam legte. "Wir sind
jetzt Männer, also ist es okay", flüsterte er und zog Duo wieder an sich und liess ihn an seiner Schulter
weinen, bis er geborgen einschlummerte.
Als Duo am nächsten Morgen aufwachte, fühlte er sich immer noch wunderbar geborgen. Schnell
bemerkte er, wie die anderen beiden so quasi über ihn hinweg zärtliche Berührungen austauschten
und grinste breit. "Wenn ich irgendwie im Weg liege, braucht ihr das nur zu sagen." Dann öffnete er
die Augen und sah Quatre, der bereits wieder rot wurde, ihn aber anlächelte.
"Geht es dir besser?", fragte der junge Araber.
Duo nickte. "Diese depressiven Schübe kommen zwar immer sehr plötzlich, verschwinden im
Allgemeinen aber auch schnell wieder." Er schloss kurz die Augen und seufzte, als er sie wieder
öffnete. "Danke. Euch beiden."
Quatre leuchtete und drückte ihn fest an sich. "Gern geschehen."
Der Abschied fiel Duo wieder leichter. Heute war einer der Tage, an denen er Bäume ausreissen
konnte. Er drückte den beiden Jungs nacheinander beinahe die Luft ab und knuddelte Quatre gleich
noch mal dafür, dass der blonde Junge versprach, sie würden ihn bald wieder besuchen kommen.
Er winkte ihnen noch hinterher, bis der Wagen nicht mehr zu sehen war. Gut gelaunt, ging er dann ins
Gebäude zurück. Es war schon saugut, Freunde zu haben! Wirkliche Freunde, denen es auch nichts
ausmachte, ihn eine Nacht lang einfach zu halten.
Er grinste. So ein Bisschen verletzlich zu sein hatte auch seine Vorzüge...
Woche 28 - Mittwoch
Duo hatte sich ein neues Hobby zugelegt: Töpfern. Es war ungemein beruhigend, die zähe Masse
unter seinen Fingern zu formen, während die sich drehte.
Zu Beginn war es ganz schön frustrierend, mindestens jeder zweite Versuch endete in einem
klebrigen Klumpen Lehm auf der Drehscheibe, aber nach ein paar Tagen hatte er sprichwörtlich den
'Dreh' raus.
Er arbeitete gerade an einer ziemlich hohen Vase, und er wusste, die kleinste, falsche Bewegung
würde ihm wieder einen Lehmklumpen bereiten.
"Sehr gut...", lobte er sich, als er den schwierigen Hals fertig bekommen hatte und wollte gerade noch
den letzten Schliff...
"Autsch!"
Die Vase begann nach allen Seiten zu wackeln und brach in sich zusammen.
Duo seufzte und grinste gleich darauf. "Dass du stark bist, war schon klar. Aber hättest du nicht noch
ein paar Minuten warten können?", fragte er und blickte vorwurfsvoll auf seinen Bauch. Dann wusch er
sich die Hände ab.
Wenn man bedachte, dass das Kleine in diesem Stadium gerade mal etwas mehr als 30 Zentimeter
gross war, hatte es einen ziemlichen Tritt drauf...
"Das hast du von deinem Vater..." Er lachte leise und strich sich über den Bauch, der jetzt bereits
sichtlich gewölbt war.
Duo fuhr heftig zusammen, als zwei Arme ihn umfingen.
"Was hat es von mir?"
Mit weit geöffneten Augen drehte Duo sich um. "Was... was machst du denn hier?"
Heero grinste. "Soll ich wieder gehen?"
"Baka", lachte Duo, schlang seine Arme um den jungen Mann vor sich und küsste ihn ausgiebig.
"Also...", fuhr er fort, als er Luft holen musste. "Was machst du hier?"
"Dich besuchen...?" Er lachte herzlich.
Duo hob eine Augenbraue und sagte: "Okay, wer bist du, und was hast du mit meinem Freund
gemacht?"
Sofort versteifte Heero sich verwirrt.
Duo schüttelte nur den Kopf und strich ihm übers Gesicht. "Du machst Witze..." Duo rückte wieder
näher, "... Du lachst...", noch näher, ein kleiner Kuss "... hmmm... und ich liebe dich."
Jetzt verstand Heero auch Duos Bemerkung von vorhin. Ja, er hatte sich schon verändert, wenn auch
nur für Duo... Vielleicht auch für seine wenigen Freunde, aber bei denen natürlich nie in demselben
Ausmass. Er konnte wieder lachen. Duo hatte es ihm beigebracht, und manchmal lachte er bloss, um
das Leuchten in Duos Augen zu sehen, das darauf immer folgte.
Plötzlich schob dieser sich etwas weg. "Moment mal... Du hast mir noch keine Antwort gegeben."
Heero seufzte und wiegte Duo etwas in seinen Armen hin und her. "Da ich am Wochenende arbeiten
muss, hab ich mir einfach heute frei genommen. Ich wollte dich überraschen."
"Ist dir gelungen." Duo strahlte. Er hatte mit dem Jungen erst wieder in eineinhalb Wochen gerechnet.
"Wie lange kannst du bleiben?"
"Bis morgen Mittag." Heero lächelte. Zum einen, weil er wusste, dass es Duo zum Schmelzen bringen
würde und zum anderen, weil er ihn so glücklich ansah, dass er gar nicht anders konnte, als zu
lächeln.
"Also gehörst du bis morgen Mittag mir."
Heero schüttelte den Kopf. "Ich gehöre dir auch, wenn ich nicht hier bin." Dann stutzte er und blickte
nach unten.
Duo verzog nur das Gesicht und beide lachten leise.
"Das hast du jetzt auch gespürt, oder?", fragte Duo.
Heero nickte nur fasziniert, wie immer, wenn er sein Kind spüren konnte.
"So geht's ja auch noch", erklärte Duo. "Vorher hat's mich in die Blase getreten, und ich hab die Vase
verhauen." Er nickte mit dem Kopf zu den traurigen Überresten.
Heero grinste. "So lebendig wie du."
"Ja, und so stark wie du." Er zog eine Grimasse. "Eine gefährliche Kombination, besonders in meinem
Bauch drin."
Heero lachte sanft und zog Duo wieder fester an sich. Er sagte nichts weiter, genoss einfach nur die
Gegenwart seines Geliebten. Wie hatte dieser lebendige Junge ihn doch verändert!
Duo blieb ebenfalls still. Zumindest ein Weilchen... "Ich liebe dich."
Heero nickte nur und sie blieben noch lange stehen.
Beim Abendessen redeten sie dann über dies und jenes, da sie genau wussten, wenn sie wieder
alleine waren, würden sie nicht zum Reden kommen...
"Also", begann Duo. "Wie geht's Trowa und Quatre?"
"Sie waren bei deinem Arzt."
Duo fuchtelte mit den Händen. Das schien er bereits gewusst zu haben. "Und...?", fragte er
ungeduldig.
Heero lachte und stützte sein Kinn auf eine Hand.
Duo hüpfte neugierig auf seinem Stuhl. "Was denn? Wird er es übernehmen? Ist Quatre dazu bereit?
Was ist mit Trowa? Raus damit, verdammt!"
Heero grinste breit. "Ja... ja... freut sich wie ein Schneekönig."
Duo hob beleidigt eine Augenbraue und sortierte die Antworten zu seinen davor gestellten Fragen.
Dann strahlte er. "Ehrlich?"
Heero nickte. "Quatre war nicht mehr davon abzubringen, seit er dich hier das erste Mal besucht hatte.
Aber der Arzt will warten, bis unser Kind zur Welt gekommen ist."
Duo nickte. Die beiden waren seit dem ersten Besuch noch zweimal hier gewesen und Quatre
beneidete Duo jedes Mal mehr. "Was ist mit den Vorbereitungen?"
"Man hat Quatre bereits Zellen entnommen, um das Organ zu züchten. Der Rest muss noch warten."
Duo nickte zufrieden. "Das ist gut. Quatre ist der Richtige dafür."
Heero sagte nichts. Er wusste, dass Duo Zweifel an seinen eigenen Qualitäten diesbezüglich hatte,
aber trotzdem mit seiner Entscheidung glücklich war. "Ach, und noch etwas", fügte er an. "Ich habe mit
der letzten Mission Wufei eine Nachricht zukommen lassen. Vielleicht meldet er sich darauf einmal."
"Glaubst du, er wird?", fragte Duo skeptisch.
"Ich dachte, er meldet sich möglicherweise nicht, weil er denkt, wir wollen nach der langen Zeit nichts
mehr von ihm wissen. Die Nachricht würde solche Zweifel ausräumen."
"Immer auf alle Eventualitäten vorbereitet, ne, Hee-chan?"
"Mit jemandem wie dir bleibt mir gar nichts anderes übrig..."
"Oi!"
Woche 31 - Dienstag
Duo hatte ein neues Bild angefangen. Das Gebäude mit der Umgebung. Es würde eine nette
Erinnerung abgeben, und er brauchte auch kein Foto als Vorlage.
Er säuberte gerade seinen Pinsel und begutachtete sein Werk, als ich eine bekannte Stimme aus der
Starre riss.
"Huhuuu! Duo!"
Seine Augen weiteten sich überrascht und er drehte sich nach der Stimme um. "Hilde!"
Das Mädchen rannte auf ihn zu und warf ihn fast zu Boden, als sie ihn umarmte. "Mensch, Duo!
Warum hast du denn nichts gesagt? Ich hätte dich doch eher besucht!" Sie stiess sich etwas von ihm
und begutachtete ihn von Kopf bis Bauch... "Nun sieh sich einer die Mama an!", rief sie aus und
wuselte Duo durch den Pony.
Duo war noch immer völlig von der Rolle. Sein Mund öffnete und schloss sich, ohne dass er einen
Laut von sich gab.
Hilde grinste selbstzufrieden. "Ha! Ich hab dich sprachlos bekommen!"
Das weckte Duos Sinne wieder. "Na, warte! Das werden wir ja sehen. Du mich sprachlos bekommen?
In deinen Träumen!"
Beide lachten und umarmten sich wieder.
Hilde schliesslich schob sich etwas weg und hob eine kleine Tasche hoch. "Rate mal, was da drin
ist..."
Duo blinzelte. Es sah aus, wie eine Kühltasche...
Sie zwinkerte ihm zu und öffnete sie. "Doppelrahm mit Schokochips. Deine Lieblingssorte."
Duo fiel fast der Unterkiefer ab. "Mensch, Mädel, du bist super! Ich hab kein solches Eis mehr
gegessen seit... seit viel zu lange!" Er lachte begeistert.
Sie lächelte, als ihr Versuch, ihm eine Freude zu machen, offensichtlich einschlug. Sie deutete mit
dem Kopf zu einer Sitzgelegenheit. "Lass uns in den Schatten sitzen und die Beweismittel vernichten."
Triumphierend hob sie zwei Löffel vor seine Nase.
Im kühlen Schatten eines Baumes schob sich Duo schliesslich genüsslich den ersten Löffel in den
Mund. Er seufzte laut und lehnte sich in seinem Stuhl nach hinten. "Ist das gut!"
Hilde lachte. Ja, Duo... Wie er leibt und lebt.
Duo liess den zweiten Löffel natürlich auch gleich folgen. "Schade, dass ich Heero nie davon
überzeugen konnte, so etwas zu geniessen..."
"Ach nein?"
Duo schüttelte den Kopf. Der dritte Löffel. "Nicht, dass er nicht geniessen kann, oder so... Er mag nur
keine Süssigkeiten."
Hilde grinste. "Wie langweilig."
"Du hast eben noch nie gegessen, wenn er gekocht hat."
"Heero kann kochen?"
Duo nickte überschwänglich. "Oh, ja." Dann lachte er. "Er ist hier auch schon einfach in die Küche
marschiert, um für mich zu kochen, wenn ich Appetit auf eines seiner Spezialgerichte hatte..."
Sie grinste noch breiter. "Musste er auch schon mitten in der Nacht aufstehen, um Wassermelone zu
besorgen?"
Duo lachte. "Nein, ich hab's eher mit Würstchen oder Gummibärchen..."
Sie lachte mit. "Oder mit beidem zusammen?"
Duo schüttelte sich. "Was? Nein, bäh!" Dann hob er verschmitzt eine Augenbraue. "Aber ich hab
schon Würstchen mit Vanille-Eis gegessen..."
Hilde verzog bei der kulinarischen Vorstellung das Gesicht.
"So ungefähr hat Heero auch geschaut..." Er lachte wieder und fuhr im Plauderton fort: "Dann hat er
sich erinnert, dass das so ist, weil ich schwanger bin, er hat diesen verliebten Blick bekommen und...
Na ja... sagen wir... Ich hatte keine Gelegenheit mehr, zu Ende zu essen." Er grinste.
Sie kicherte. "Ich weiss nicht, ob es nur an deinem Umstand liegt... Wenn ich daran denke, was du
früher schon alles in dich hinein geschaufelt hast..."
Er zog eine kleine Schnute und hob seine Stupsnase. "Oi! Aber doch nicht so wie jetzt! Ausserdem hat
es wieder nachgelassen. Und ich bin nun mal ein Strassenkind... Ich bin es gewohnt zu essen, wenn
ich kann."
Sie nickte. "Das weiss ich doch..." Dann grinste sie unheilvoll. "Aber ich könnte Heero Sachen
erzählen..."
Er lachte. "Untersteh dich...!"
Erst lachte sie mit, dann lächelte sie ehrlich. "Schön, dich wieder zu sehen."
Er nickte. "Es ist auch schön, dich wieder zu sehen." Er grinste. "Und das Eis."
Woche 36 - Donnerstag
Duo sass in seiner Gruppe auf dem Rasen im Kreis. Gruppengespräch.
Immer wieder rutschte er hin und her. Keine Position schien ihm angenehm. Ständig wurde er von
dem Ungeborenen getreten, die Temperatur, die ihm am Anfang seines Aufenthaltes noch angenehm
schien, war ihm jetzt viel zu warm, er fühlte sich viel zu schwer, konnte kaum noch laufen... und er
wollte einfach nur noch, dass die Zeit endlich um sein würde!
Er verzog das Gesicht. Wieder ein Tritt. Sanft strich er über den Bauch. "Nicht so doll, Kleines",
flüsterte er.
Er blickte in die Runde. Es hatte ein paar neue Gesichter. Er vermisste Sina. Sie war vor einem Monat
mit ihrem Baby - einem Jungen - abgereist. Er vermisste Heero, vermisste Trowa und Quatre, er
wollte endlich nach Hause...
Wieder ein Tritt.
Duo lächelte. Na schön, das Kleine wollte offenbar nicht, dass er in Selbstmitleid versank. Okay, dann
eben nicht.
Nach einer Weile fröhlichen Beisammenseins entdeckte Duo jemanden, der oben an der Treppe zum
Gebäude stand und sich umsah. Er schien jemanden zu suchen.
Duo blinzelte. Die Gestalt kam ihm irgendwie bekannt vor... Leger aber elegant gekleidet, schwarze
Haare, die frei über die Schultern fielen, bronzene Haut... Dann drehte der Unbekannte sich in seine
Richtung... schwarze Mandelaugen.
Duos Augen weiteten sich. Wufei! Er bemerkte nicht, wie er den Namen laut ausgesprochen hatte.
Lenka, neben ihm, stupste ihn an. "Alles in Ordnung?"
Duo nickte abwesend und stand auf.
In dem Moment wurde er von dem jungen Mann bemerkt, der aber ruhig stehen blieb.
Duo lief sofort auf ihn zu, so schnell es ihm noch möglich war und blieb schliesslich drei Meter von ihm
stehen.
"Wufei...?", fragte er, als sei er nicht sicher.
Dieser nickte. "Maxwell."
Duo lachte. Yep, das war Wufei.
Wufeis Augen wanderten mehrmals unsicher auf Duos Bauch, bis dieser ihn mit seinem Blick auffing
und ihn angrinste.
Auf Wufeis ertappten Gesichtsaudruck hin lachte er nur. "Genau das frage ich mich auch jeden
Morgen, wenn ich in den Spiegel schaue..." Duo deutete auf seinen Bauch.
Wufei lächelte auf die Bemerkung hin.
'Mann, noch einer, der sich verändert hat', dachte Duo. Dann nickte er Wufei zu. "Siehst gut aus."
Wufei war sichtlich etwas älter geworden, ruhiger, war etwas grösser, die Haare waren länger und
nicht mehr zusammen gebunden... und die Kleidung sah wirklich gut an dem jungen Chinesen aus.
Und da war noch etwas... ein schwarzes Lederband mit einem goldenen Anhänger um den Hals. Der
Anhänger war ein Drache, der eine Rose umschlang....
"Du auch", kam die Antwort. "Und glücklich."
'Stichwort!', dachte Duo. "Du siehst auch nicht gerade unglücklich aus."
Wufei lachte leicht. "Setzen wir uns." Er deutete auf einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen unter einem
Sonnenschirm.
Duo nickte und sie setzten sich.
Lange sagte keiner was. Duo wusste nicht, was er hätte sagen sollen, und Wufei wusste nicht, wie
beginnen.
Wufei suchte nach einem geeigneten Anfang und ein Bild flackerte vor seinen Augen auf.
"Du hast Fortschritte gemacht, Drache!", lobte Treize.
Wufeis Augen verengten sich. Ein Ausfall! Eine Drehung! Angriff! KISAMA! 'Warum kann er alle meine
Angriffe abwehren?!' "Warum verspottest du mich?!", fauchte er.
Der Kampf dauerte länger als der erste. Aber Treize brach nicht einmal in Schweiss aus.
Wufei griff wieder an und fluchte murmelnd vor sich hin. Er war sich so sicher gewesen, dass er
diesmal gut genug für seinen Gegner sein würde!
Treize wich allen Versuchen elegant aus. "Warum sollte ich dich verspotten, Drache?"
"Nenn mich nicht so!", schrie Wufei in Rage und begann, beinahe planlos auf den General
einzuhacken.
Treizes Bewegungen wurden etwas schneller, aber er schien nicht mehr gefordert als zuvor.
Wufei wurde noch wütender. Dieser aristokratische Bastard! Immer dieses überlegene Lächeln, das
siegessichere Glitzern in den Augen... die eleganten Bewegungen...
"Warum?", fragte Treize. "Bist du nicht vom Clan des Drachen, Chang Wufei?" [1]
Wieder und wieder griff Wufei an. Was glaubte der eigentlich wer er war? Er hatte kein Recht seine
Vergangenheit so blosszulegen! Und warum zum Teufel beendete er das hier nicht endlich?! Treize
war besser! Wozu so lange mit ihm spielen? Um ihn noch mehr zu demütigen? "Warum tötest du mich
nicht endlich?!", schrie er aus.
Treize machte ein paar Schritte um den tobenden Jungen herum. "Ich habe dich bei unserer letzten
Begegnung nicht getötet. Warum sollte es diesmal anders sein?", frage er ruhig.
Treizes sanfte Stimme schickte Schauer über seinen Rücken. Nein! Warum dachte er so über seinen
Feind! Aber diese eisblauen Augen durchbohrten ihn tiefer, als es der Stahl in Treizes Händen jemals
vermocht hätte. 'Gib es zu, Chang! Du bist nicht hier, um gegen Treize zu siegen, sondern gegen dich
selbst!' Wufei schüttelte den Kopf.
Treize beobachtete die Verwirrung des Kämpfers mit Unbehagen. Er schien kurz davor zu stehen
zusammen zu brechen. "Wufei...?"
"Halt den Mund!", brüllte Wufei und zitterte. Er konnte kaum noch sein Katana halten. Die Stimme in
seinem Kopf liess ihn nicht zufrieden. 'Du bist hier, weil du sehen wolltest, ob du ihm widerstehen
kannst, nicht wahr, *Drache*.' Wufei schien fiebrig. "Nein", hauchte er. 'Und das kannst du nicht...',
piesackte die Stimme weiter. "Nein... nein... NEIN!" Mit einem lauten Klirren fiel ihm die Klinge aus den
Händen. "Du hast gewonnen! Gewonnen!", schrie er und wusste nicht, ob er Treize oder die Stimme
meinte.
Treize schüttelte nur den Kopf. Er hatte nicht vor, auf diese Weise zu siegen. Er warf seinen Degen
mehrere Meter weit weg und näherte sich dem Jungen.
Wufei sah auf in die Augen, die ihn intensiv betrachteten.
"Kann das sein, Drache?", fragte Treize.
Wufei schüttelte heftig den Kopf, löste aber seine Augen nicht von denen des anderen.
"Darf das sein?"
Instinktiv wusste Wufei, wovon der General sprach, auch wenn er sich dessen noch nicht bewusst war
und schüttelte noch heftiger den Kopf. In Treizes blitzenden Augen stand Sorge und noch etwas...
etwas... Dasselbe wie in seinen...? Wufei riss seine Augen auf und trat einen Schritt zurück. "Nein."
Sein ganzer Körper schüttelte und drohte, ihn zu verraten. Die Beine liessen nach, als er immer
wieder wiederholte: "Nein. Nein. Nein. Nein." Er konnte das nicht zulassen. Er durfte nicht so schwach
sein! Nein. Bitte! Meiran... Nein. Bitte, bitte, bitte...
Treize beobachtete schockiert, wie dem Jungen Tränen übers Gesicht liefen. Über das
wunderschöne, starke und jetzt so verwirrte Gesicht.
Wufeis Knie sackten zusammen, und Treize schnellte nach vorne, um ihn zu halten.
"Lass mich los!" Wufeis Stimme überschlug sich hysterisch. Er begann, mit seinen Fäusten auf
Treizes Brust einzuhämmern.
Treize umfasste seine Handgelenke fest und hielt ihn von weiteren sinnlosen Schlägen ab.
Wufei riss und zerrte an den Händen, die seine festhielten. Nun war er wirklich kurz vor dem
Zusammenbruch. Er schnappte nach Luft und schluchzte. "Lass mich los", bettelte er. "Bitte, lass mich
los."
Treize liess die Handgelenke frei und schlang seine Arme um den Jungen.
Und Wufei erkannte, dass er nun wirklich verloren hatte. "Bitte..." Ein letzter Versuch, den General von
dem, was ihnen bevorstand, abzuhalten, wenn er selbst es schon nicht vermochte. "Bitte nicht."
Treize hob Wufeis Kopf an und sah ihm in die Augen. "Sag die Worte »Ich will nicht« und ich werde
dich gehen lassen."
Wufei wollte sich zwingen, die Worte zu sagen. Sagte sich immer wieder, dass dieser Mann ihn
benutzen würde, ihm nur Informationen entlocken und ihn dann töten würde. Er wollte seinen Kopf
drehen, damit ihn diese blauen Augen nicht vom Gegenteil überzeugen konnten, aber Treize liess ihn
nicht. Hielt seinen Blick fest mit seinem eigenen.
"Kann nicht", keuchte Wufei und zitterte ob seinem Verrat.
"Zweifle nicht an deiner Ehre, Drache."
Wufeis Gesichtsausdruck verriet, dass er noch nicht in der Lage war, die Zweifel auszuräumen. Aber
er verriet auch, dass er die Anziehung, die ihn diesmal hierher geführt hatte, nicht mehr leugnen
konnte, auch wenn sein Verstand weiterhin Nein schrie.
Treize schüttelte leicht den Kopf. "Und zweifle nicht an meiner."
Wufeis Gesicht festigte sich. Er bezweifelte manches an diesem Mann - seinem Gegner - aber nicht
seine Ehre. "Niemals", sagte er sicher.
Treize nickte ihm anerkennend zu, wusste, dass diese Worte aus Wufeis Mund schwer wogen. Dann
erlaubte er, ihrer beidem Verlangen nachzugeben und senkte seine Lippen sanft auf die des jungen
Mannes vor ihm zu einem langen Kuss.
Wufeis Sinne verloren sich in diesem Gefühl. Die Träume, die ihn seit seiner ersten Begegnung mit
Treize heimgesucht hatten, waren nicht auch nur ein Zehntel so verzehrend, wie dieser eine Kuss.
Verzehrend... erfüllend. Vollkommen. Er hatte nicht das Recht, die Vollkommenheit anzuzweifeln. Eine
Vollkommenheit aus weichen Lippen, starken Armen und dem Duft von Rosen.
Rosen... Treize.
Als Wufei nach einer geschlagenen Minute immer noch keinen Ton von sich gab, ergriff Duo die
Initiative und das - wie immer - sehr direkt: "Wie geht's Treize?", fragte er und deutete auf Wufeis
Halskette.
Für einen Moment lang starrte Wufei, aus seiner Gedankenwelt geholt, Duo mit offenem Mund an.
Dann erinnerte er sich daran, dass er ja eigentlich damit gerechnet hatte, dass diese kleine Tatsache
den anderen nicht entgangen sein konnte. Er lächelte sanft. "Du hast dich nicht im Geringsten
verändert, Maxwell."
"Du schon", kam die Antwort. "Nun...?"
Wufei holte tief Luft. "Langsam wieder besser. ... Endlich." Das letzte Wort schien eher unfreiwillig
nachgekommen zu sein.
Duo schaute Wufei verwundert an. "Endlich? Was meinst du mit endlich?"
Wieder atmete Wufei langsam ein. "Die Ärzte hatten ihn zu Beginn nach der Explosion, die ihn töten
sollte fast eineinhalb Jahre in einem künstlichen Koma gehalten..." Wufei kämpfte mit jedem Wort.
"WAS??" Duo riss die Augen weit auf. "Aber... aber... Ich dachte, ihr hättet das geplant! Wie konnte er
dann so schwer verletzt werden? Es ist vier Jahre her!"
Wufei druckste einen Moment lang herum. "Ich war wütend auf ihn. Und in dem... dem Kampf wurde
es wieder stärker und dann... dann hab ich nicht so genau gezielt, wie ich sollte... und..." Er blinzelte,
um aufkeimende Tränen zu verdrängen. "Ich hab Mist gebaut und hätte ihn fast getötet. Es war lange
Zeit mehr als kritisch. Er wurde so oft operiert, dass ich gar nicht mehr mitzählen kann." Er kniff die
Augen kurz zusammen. "Aber jetzt geht's ihm besser", fügte er erleichtert lächelnd an. "Vor fünf Tagen
konnte er zum ersten Mal wieder ein paar Schritte gehen." Er seufzte laut. Der Gedanke liess seine
Augen leuchten. "Die Ärzte hatten vor einem Jahr noch gesagt, dass er das frühestens in drei Jahren
schaffen könnte..." Er lachte, aber es erinnerte leicht an ein unterdrücktes Schluchzen.
Duo liess den früher so stillen Chinesen reden und lächelte vor sich hin. Wufei hatte sich sehr
verändert. Treize hatte schon die Eigenschaft, Menschen in seinen Bann zu ziehen. Und wenn Wufei
dadurch so glücklich wurde... hatte er in dem speziellen Fall nicht einmal was dagegen. "Du musst ihn
wirklich sehr lieben, nicht?"
Wufei nickte sicher. "Ja." Er zögerte nicht mit der Antwort, im Gegenteil: Er schien es gerne zu sagen.
"Mehr als ich je für möglich gehalten hätte."
Duo nickte anerkennend. "Erzählst du mir davon? Von ihm? Von euch?"
"Warum?", kam die Gegenfrage, obwohl ein kleines Glimmen in seinen Augen zeigte, dass er wirklich
dringend mal darüber reden sollte und auch wollte.
Duo zuckte die Schultern. "Du weisst auch alles über Heero und mich. Ich bin neugierig. Wie seid ihr
zusammen gekommen?"
Wufei suchte wieder nach Worten. "Bei unserem zweiten Duell... Es war alles ganz merkwürdig und
dann ging es ganz schnell... Ich konnte einfach nicht mehr anders..."
Duo nickte. Das musste für den ehrgeleiteten Wufei besonders schwer gewesen sein... "War bestimmt
hart für dich", bemerkte er.
Wufei zuckte die Schultern und schüttelte darauf den Kopf. "Nein... eigentlich ging das noch. Wirklich
schwer war es, als ich ihn dann das nächste Mal getroffen hab. Ich bin da schliesslich mit nur einer
Absicht zu ihm gegangen... Keine 'Hitze des Gefechts', die ich als Ausrede hätte benutzen können.
Mir selbst bewusst zu sein, dass ich zu ihm ging, weil ich bei ihm sein wollte, nicht um ihn zu
bekämpfen... Das war viel schwerer."
Duo nickte. Er selbst hätte das nicht gekonnt. Er hätte es nicht geschafft, zwei Leben zu führen.
Wufei fuhr fort: "Jedes weitere Mal war es dann weniger schlimm, und irgendwann musste ich
bemerken, dass ich ihn wirklich liebte."
"Wie hat er darauf reagiert?"
Wufei lachte leicht bei der Erinnerung. "Er meinte, er hätte es mir längst auch gesagt, hätte er nicht
befürchtet, er würde mich damit weg stossen..."
Sie schwiegen lange. Dann griff Duo in der Zeit etwas nach vorne. "Damals, als er im Koma war...
Warst du deswegen so merkwürdig, als wir dich ein Jahr nach Kriegsende wieder gesehen haben?"
Wufei zögerte, fühlte sich sichtlich schlecht deswegen. "Zu der Zeit wusste ich nicht, ob Treize jemals
wieder aufwachen würde... Ich hatte Angst ihn zu verlieren, war das ganze Jahr über nicht weiter von
ihm weg als in den Park vom Krankenhaus gegangen. Ich war davor, die Nerven zu verlieren... Ich
wusste nicht mehr, wer ich wirklich war oder wofür ich gekämpft hatte... Und dann kam dieses
Mädchen, das seine Tochter sein musste... und ich..." Er holte tief Luft. "Ich habe einen Fehler
gemacht und bin froh, dass ich rechtzeitig wieder aufgewacht bin."
Duo nickte abermals. Er verstand ihn gut. "Wie verstehst du dich mit Marimeia jetzt?"
Wufei sah erstaunt auf und grinste. "Jemand hat recherchiert..."
Duo lachte. "Klar. Heero hat sich auch Sorgen gemacht."
Wufei lachte leise. Er war also nicht der einzige, der sich verändert hatte. "Ich hab Marie sehr gerne.
Sie mag mich auch. Wir drei sind fast eine kleine Familie."
"Marie?"
Wufei blinzelte. "Ach so. Treize nennt sie Marie."
Duo fiel noch etwas ein. "Weiss eigentlich Zechs, dass Treize noch am Leben ist?"
Wufei nickte. "Ja, Milliard hat ihn oft besucht. Gleich nach dem Marimeia-Zwischenfall war er das erste
Mal da. Ich war ganz froh, nicht alleine darauf zu warten, dass Treize aufwachen würde. Und Milliard
brachte mich auch dazu, die Hoffnung nicht aufzugeben. Er war überzeugt, dass man Treize nicht so
leicht los werden kann." Er lachte. "Sie können jetzt auch wieder Freunde sein. Das hat Treize nach
seinem Aufwachen sehr erleichtert. Sie kannten sich von Klein an und es hatte ihn geschmerzt, seinen
Freund gehen lassen zu müssen."
Duo fuhr mit einem Finger die Rillen auf dem Tisch nach. "Weisst du... Du hättest auch jemanden von
uns fragen können. Wir wären doch für dich da gewesen..."
Wufei senkte den Blick. "Nun... Ich dachte... Immerhin war Treize der Feind und... Ich wusste nicht..."
Duo half ihm aus seiner Misere und unterbrach ihn. "Schon okay. Ich versteh's ja. Mach dir keinen
Kopf. Ich bin schon froh, dass du jetzt hier bist und es dir gut geht."
"Danke, Maxwell."
Duo grinste breit. "Jederzeit, Wu-babe!"
Wufei stutzte und lachte darauf laut.
Duo schliesslich murmelte: "So sehr ich es hasse, jetzt zu unterbrechen... Aber ich muss ganz
dringend wo hin..."
Wufei grinste. "Die Freuden der Schwangerschaft."
"Haha, wirklich komisch." Duo grinste auch. "Du bleibst schön hier und wartest. Ich bin gleich wieder
zurück und will noch mehr wissen!"
Wufei nickte und sah Duo hinterher, der schnell ins Gebäude huschte. Er lächelte versonnen. Es tat
gut, Duo zu sehen. Er würde danach noch seinen anderen Freunden einen Besuch abstatten, ehe er
wieder zum Krankenhaus zurück kehrte.
Merkwürdig genug, dass das Krankenhaus sozusagen zu seinem Zuhause geworden war... In einem
halben Jahr etwa würden sie sich dann ein eigenes suchen müssen. Er freute sich darauf. Nur er und
Treize und die kleine Marie.
Duo sass mit Wufei noch gemeinsam beim Abendessen, danach würde er wieder weg müssen.
Duo drehte seine Gabel in der Pasta und sah zu Wufei. "Wu-man, sag mal..."
Wufei erwiderte den Blick. "Was?"
"Wie kommt es, dass du so viel redest? Ich meine, klar, nicht so viel wie ich, aber trotzdem. Du redest
über dich und so... Es ist eben ganz anders als früher und..."
"Duo", unterbrach er den jungen Mann.
Duo, der auch prompt schwieg, als er Wufei - soweit er sich erinnern konnte zum ersten Mal - ihn bei
seinem Vornamen nennen hörte. Seine Augen weiteten sich.
Wufei lächelte nur. "Ich denke, das kommt davon, wenn man eineinhalb Jahre neben einem lebenden
Leichnam sitzt. Und noch mehr, wenn dieser wieder aufwacht."
Duo schwieg einen Moment lang. "Mann... Ich will mir nicht mal vorstellen, wie hart das für dich
gewesen sein muss."
Wufei schüttelte den Kopf bestätigend. "Nein, willst du nicht."
Duo setzte ein breites - diesmal sogar ehrliches - Lächeln auf. "Chang Wufei, es ist mir eine Ehre,
dein Freund zu sein!", erklärte er.
"Gleichfalls", kam die Antwort, und Wufei deutete auf Duos Bauch. "Obwohl das meine Vermutung
bestätigt, dass du völlig verrückt bist."
Duo lachte, er wirkte aber etwas unsicher. "Sehe ich auch so. Aber manchmal geht es mir auch ganz
schön an die Nieren."
"Du zweifelst an dir in deiner neuen Rolle?"
Duos Kopf schnellte hoch. "Darauf kannst du wetten! Hey, ich bin Shinigami, weisst du noch? Ich hab
mehr body-counts als ihr alle vier zusammen! Ich bin der Flirt-King! Der bezopfte Baka! Ich bin alles
andere als eine «Mutter»! Und wenn wir hier nicht eine wirklich gute Therapeutin hätten, wäre ich
wahrscheinlich längst durchgedreht. Mann, ich hatte echt keine Ahnung, auf was ich mich eingelassen
hab... Zum Glück hab ich Heero."
Wufei hob eine Augenbraue. "Klingt ja hart."
Duo zuckte die Schultern und grinste. "Ja. Aber weisst du was? Es lohnt sich."
Wufei schien darüber nachzudenken.
"Macht das überhaupt einen Sinn?", fragte Duo schliesslich unsicher.
Wufei lächelte. "Ja. Es macht Sinn." Dann lachte er. "Therapeutin?"
Duo grinste. "Ja, lach du nur. Obwohl ich ja liebend gerne dich mal so sehen würde..."
"MAXWELL!"
Duo lachte laut, und nach einigen Augenblicken stimmte Wufei mit ein.
Woche 39 - Montag/Dienstag
Duo lag in seinem Bett und schlief friedlich. Er war auf die Seite gedreht, obwohl er das eigentlich
absolut nicht leiden konnte. Er war immer schon ein "Bauchschläfer" gewesen, vorzugsweise mit dem
Kopf auf Heeros Brust...
Aber jetzt... Nun, auf dem Bauch schlafen fiel flach, bzw. rund, und wenn er sich mal aus Versehen im
Schlaf auf den Rücken drehte, war dieser am nächsten Tag nicht mehr zu gebrauchen. Also blieb nur
die Seitenlage, die Duo am meisten von allem missfiel, besonders, wenn niemand an seiner Seite lag.
Wenigstens hatte er einen gesunden Schlaf, dass er sich, wenn er denn eingeschlafen war, nicht
mehr darüber aufregen konnte. Und Einschlafen konnte er gut, zumindest seit die depressiven
Schübe etwas nachgelassen hatten (sonst konnte er stundenlang die Wand anstarren und vor sich hin
brüten).
Er hörte nicht, wie sich die Türe leise öffnete, und jemand in das Zimmer schlich.
Heero blieb einige Augenblicke lang vor dem Bett stehen und hörte Duo beim Atmen zu. Selbst im
Schlaf hatte Duo deutlich Mühe damit. Heero seufzte und war im Stillen dankbar, dass es nun nur
noch eine Woche dauern würde. Er zog sich aus, legte sich zu Duo ins Bett und rutschte an seinen
Rücken.
Duo machte ein sanftes Geräusch im Schlaf. "Heero?", murmelte er.
Heero legte einen Arm um Duo auf dessen Bauch. "Ich bin hier, Koi, schlaf ruhig."
Duo lächelte fast schon wieder weggetreten. Er murmelte noch etwas weiter. "Ich... liebe... hmmm..."
Und er schlief wieder.
Heero lächelte.
Am Morgen bemerkte Duo als erstes, dass er nicht alleine war. Wieder ein breites, glückliches
Lächeln und ein zufriedenes Seufzen. "Hmmm..." Also doch kein Traum.
"Guten Morgen", flüsterte Heero.
Duo drehte den Kopf, den Rest des Körpers liess er wohlweislich so liegen. "Morgen, Koi."
Heero küsste ihn sanft. "Wie fühlst du dich?"
Duo liess theatralisch die Zunge aus dem Mund hängen und drehte die Augäpfel nach hinten.
"Erschlagen", krächzte er.
Heero lachte leise. "Armer Koi."
"Ja, ja... Lach du nur. Das nächste Kind kriegst du!" Duo grinste.
Heero lächelte und strich über Duos Bauch. "Ich denke, darüber reden wir, wenn wir sehen, wie wir
mit einem fertig werden, ne...?"
Duo lachte leise. "Du bist früh. Was machst du schon hier?"
"Ich konnte noch zwei Tage zu meinem Monat Urlaub rausschlagen."
Duo grinste breit. "Du bist denen auf die Nerven gegangen, stimmt's?"
Heero lachte mit und streckte ihm die Zunge raus, worauf Duo noch lauter giggelte und ihn wieder
küsste.
Tatsächlich hatte Duo aber nicht unrecht. Zwar war den meisten nicht aufgefallen, wie unruhig und
nervös Heero in der letzten Zeit geworden war... seinen Freunden schon. Und in der letzten Woche
war es einfach kaum mehr zu ertragen. Une hatte ihn schliesslich vorzeitig beurlaubt mit dem
Kommentar, in dem Zustand könnten sie ihn in den zwei Tagen auch nicht mehr brauchen.
Die folgende Woche war für Duo die schönste bisher. Zwar auch gleichzeitig die physikalisch
anstrengendste, aber es war schön, Heero bei sich zu haben und zu wissen, dass er nicht wieder
gehen würde.
Aber sein Körper machte ihm echt zu schaffen. Allein die paar Stufen vom Hauptgebäude in den Park
(und vor allem wieder hinauf) waren schon ein ernstzunehmendes Hindernis. Er war sofort ausser
Atem und fast den ganzen Tag müde. Letzteres machte Heero nichts aus, da die letzte Zeit für ihn in
der Arbeit auch sehr fordernd gewesen war und es ihn absolut nicht störte, eine Woche lang nur zu
dösen.
Duo genoss das alles. Von Heero verhätschelt werden amüsierte ihn besonders - auch wenn es
ausser ihm niemand als Verhätscheln angesehen hätte. Immer wieder ermahnte er Heero, dass er
sich durchaus an eine solche Behandlung gewöhnen könnte... Aber das schien Heero nicht davon
abzuhalten.
Duo gab sich auch alle Mühe, nicht an die OP zu denken. Man hatte ihm erklärt, dass es einfacher sei,
den Eingriff unter Vollnarkose durchzuführen. Und das hasste er! Er wusste, dass es Routine war,
aber er mochte es nicht, einfach so ausgeknipst zu werden, wie er es ausdrückte. Manja hatte ihm
zwar wieder und wieder gesagt, dass es okay sei Angst zu haben - worauf Duo natürlich protestierte,
er habe keine Angst - aber das änderte an dem Gefühl nichts. Und was ihn wirklich überraschte oder
auch beunruhigte war, dass es Heero genau so ging.
Und dann war der Tag da....
Woche 40 - Montag
Duo wurde morgens um 7 geweckt und musste feststellen, dass er nicht in seinem Zimmer im grossen
Bett lag, sondern in einem dieser sterilen, weissen Krankenhausbetten im medizinischen Trakt der
Anlage. Gestern war er hierher verlegt worden.
Heero sass neben ihm auf einem provisorischen Klappbett und lächelte Duo wacklig an. Heute war es
also so weit.
Die Schwester reichte Duo einen kleinen Becher.
"Was ist das?"
Sie lächelte freundlich. "Nur ein leichtes Beruhigungsmittel."
Duo nickte und schluckte die bitte Lösung hinunter. Mit verzogenem Gesicht gab er ihr den Becher
zurück.
Sie nahm ihn entgegen. "In etwa zwanzig Minuten dürfte es wirken. Dann wirst du abgeholt."
Duo nickte. Alle Muskeln in seinem Körper schienen sich planlos zusammenzuziehen und andauernd
zu zucken, sein Magen drehte und wendete sich, und kein Atemzug brachte er kontrolliert ohne zittern
zustande.
Heero stand auf und nahm eine von Duos Händen in seine.
Die Schwester lächelte die beiden an und meinte zu Duo: "Leg dich einfach wieder hin. Du wirst bald
etwas müde."
Duo nickte. "O... okay. Aber... aber ich krieg doch noch alles mir, oder?"
Sie nickte. "Keine Sorge. Bis zu dem Moment in dem die Narkose einsetzt bleibst du noch unter uns."
Er warf wieder einen Blick zu Heero, der versuchte, möglichst ruhig zu wirken... Es gelang ihm nicht.
Die Schwester wandte sich an Heero. "Duo hat uns schon einen Mädchennamen genant, meinte aber,
der Jungenname käme von dir, richtig?"
Heero nickte. "Ein Junge soll Duo heissen."
Duo verdrehte die Augen. "Man könnte meinen in neun Monaten fällt dir was Originelleres ein." Er
lachte leicht.
Die Schwester notierte es und winkte den beiden zu. "Ich komme dann bald wieder."
Duo klammerte sich an Heeros Hand und hatte auch nicht vor, sie los zu lassen. Er konzentrierte sich
voll darauf, seine Atmung zu beruhigen.
Heero lehnte sich zu ihm und küsste ihn auf die Stirn.
Es klappte nicht. Duo konnte sich einfach nicht sammeln. Seine grossen Augen glitzerten verdächtig.
Er atmete tief ein. "Hee... Heero... ich... ich hab Angst." In dem Moment war ihm noch gar nicht
bewusst, dass er zum ersten Mal in seinem Leben diesen Satz aussprach.
Heero nickte und küsste Duos Hand. "Ich weiss, Koi." Es ging ihm nicht viel besser. Er versuchte
krampfhaft nicht daran zu denken, dass man in nicht mal einer Stunde einen bewusstlosen Duo
aufschneiden würde...
"Du... du hast doch auch Angst."
Heero nickte wieder. "Hai." Er beugte sich zu Duo und legte seinen Kopf neben den seines Geliebten.
Er strich ihm langsam mit seiner anderen Hand über den Kopf, sah ihm in die Augen.
Das beruhigte Duo etwas. Vermutlich begann auch das Mittel zu wirken. Sein Blinzeln wurde
langsamer. Es dauerte immer eine Sekunde, ehe er die Augen wieder öffnete.
Heero wünschte sich, man hätte ihm auch was gegeben. Er war unglaublich nervös, aber es schien,
als würde Duo das nicht mehr so richtig mitbekommen.
Sie blieben so, bis die Türe sich öffnete und zwei Schwestern eintraten.
Das weckte Duo aus seiner Trance und er blickte hilfesuchend zu Heero.
Der küsste ihn sanft. "Bleib ganz ruhig. Ich komme mit dir."
Eine der Schwestern löste die Bremse am Bett und die andere half ihr, es aus dem Zimmer zu
navigieren.
Heero ging neben dem Bett her und hielt weiter Duos Hand.
Dieser begann wieder zu zittern, und Heero flüsterte ihm beruhigende Worte zu.
Duo sah die Decke der Krankenhausgänge an sich vorbei ziehen. Die Lichter waren verschwommen
und verwirrten ihn. Er spürte ein Holpern und die Decke änderte sich. Sie waren im Fahrstuhl. Er
zitterte noch mehr, als sich die Fahrstuhltüre hörbar schloss. Er krallte sich an Heeros Hand.
Heero murmelte weiter zu ihm.
Eine der Schwestern meinte sanft: "Es dauert nicht mehr lange, und du hältst dein Kind im Arm. Es
wird alles gut gehen. Keine Sorge."
Duo zwang sich zu nicken. "Ich w-w-weiss, aber t-t-trotzdem... Ich k-kann n-nicht ruhig at-t-men."
Hätte man ihm kein Beruhigungsmittel gegeben, wäre ihm sein Stottern peinlich gewesen, aber so...
Er konnte sich einfach nicht mehr dagegen wehren. Alles in ihm drehte sich.
Das Baby schien die Unruhe zu spüren und begann, Duo zu treten. Da es mit dem Kopf nach unten im
Bauch lag, traf es mit den Tritten in Duos Lunge, was sein Atmen noch mehr erschwerte.
Dann rollten sie ihn in den Vorbereitungsraum. Duo kam auf eine andere Liege und wurde
umgezogen. Ein Katheter und eine Infusion mussten gelegt und seine Haare zugedeckt werden.
Heero trat neben ihn. "Duo, ich muss kurz weg. Ich warte im OP auf dich, okay?"
Duo riss die Augen auf, nickte dann aber. Er war ja schon froh, dass Heero mit in den OP durfte und
ihn nicht alleine lassen würde. Und jetzt musste Heero eben auch noch vorbereitet werden.
Nach ein paar Minuten ruckelte Duos Liege wieder und die Decke bewegte sich, diesmal in Richtung
Nebenraum.
Duo erkannte eine helle Lampe, ein Ärzteteam und verschiedene Instrumente und Apparaturen. Fast
panisch suchte er Heero, der ihm auch gleich zunickte.
Die Liege rastete ein und Duo kam zum Stehen. Heero sass gleich neben ihm auf einem Hocker,
Mund und Nase hinter einer Maske.
Zwei Assistenten bauten ein Tuch auf, das Duos Oberkörper vom Unterkörper trennte.
Duo sah nach unten und erkannte nun unterhalb seiner Brust nichts mehr. Ein Arzt trat auf ihn zu.
"Guten Morgen Duo."
Duo erkannte die Stimme sofort. Das war der Arzt, der ihm damals gesagt hatte, er könne das Kind
bekommen. Er brachte keinen Ton mehr heraus und nickte nur. Ihm war kalt, er hatte Angst und er
wünschte sich sowohl, dass es jetzt endlich schnell vorbei sein würde, als auch, dass er die Narkose
noch lange hinauszögern konnte.
"Dann wollen wir mal", meinte der Arzt weiter.
Er spürte, wie kleine, kalte Plättchen auf seine Brust geklebt wurden. "Um den Herzschlag zu
messen", erklärte die Anästhesistin.
Dann wurde ihm noch kälter, als sein Bauch desinfiziert wurde. Von Zittern konnte man inzwischen
schon gar nicht mehr reden... er schlotterte.
Die Anästhesistin erklärte dem Arzt: "Er ist soweit."
Duo verkrampfte sich noch eine Stufe stärker, auch wenn das schon fast nicht mehr möglich war und
hauchte: "Warte auf mich, Koi..."
Heero nickte heftig. "Ich werde mit unserem Kind auf dich warten."
Duo schluchzte einmal, dann wurde das Licht der Lampe über ihm heller, die Umgebung unscharf und
die Stimmen um ihn herum zu einem tiefen Brummen. Aber bevor er in Panik geraten konnte, dass die
Narkose einsetzte...
Heero sah, wie sich Duos Augen schlossen. Jetzt konnte er die zwei Tränen in seinen eigenen nicht
mehr zurückhalten.
Die Anästhesistin trat an Duo heran und sagte zu Heero: "Ich muss den Tubus legen, sehen Sie
besser weg."
Heero schüttelte den Kopf. Er hatte schon Schlimmeres gesehen und er würde Duo nicht alleine
lassen.
Die Ärztin zuckte die Schultern und schob den langen Schlauch vorsichtig durch Duos Mund in seine
Lunge.
Die Maschine begann mit einem tiefen Zischen Duo das Atmen abzunehmen.
Heero hörte nur noch auf dieses Geräusch, das ihm zeigte, dass Duo atmete und auf das stete
Piepen seines Herzschlages. Er versuchte die Stimmen zu ignorieren, den Arzt, der Skalpelle
verlangte...
Er war dankbar, dass er mit dem Tuch in der Mitte davon abgehalten wurde, etwas zu sehen.
Tupfer... Absaugen... Skalpell...
Heero blickte unverwandt auf das schlafende Gesicht. Piep... piep... piep... zisch… piep… piep...
piep... zisch...
Er schnappte nach Luft, als er plötzlich ein Gerät hörte, das eine grosse Menge an Flüssigkeit
absaugte... Im ersten Moment erschrak er furchtbar...
Dann der Arzt... "Da ist es. Der Kopf..."
Heero konnte wieder ein Geräusch ausmachen. Als würde sich jemand durch einen wirklich
schlammigen Matsch wühlen... Und dann... Ein Schrei. Seine Augen weiteten sich, er hielt die Luft an,
darauf liefen plötzlich seine Tränen und er lachte leise, sah Duo glücklich an.
Der Schrei klang wie etwas, was er noch nie gehört hatte. Wie ein lauter Protestschrei, wie Wut und
Angst und Hilflosigkeit und... Kraft. Immense Kraft.
Ein Assistenzärztin trat hinter dem Tuch hervor, mit einem kleinen etwas in eine Decke gehüllt.
Heero stockte, wusste plötzlich nicht, was er tun sollte.
Die Frau lächelte ihn nur hinter ihrer Maske an und reichte ihm sein Kind.
Heero blickte gebannt auf das kleine Bündel, das nun aufgehört hatte zu schreien und hielt ihm aus
einem plötzlichen Impuls heraus seinen Finger hin.
Es schnappte sofort danach und hielt ihn fest. Es öffnete noch etwas trübe Augen und blinzelte müde.
Heero bemerkte nicht, wie er immer noch weinte. Er sah in diese grossen Augen - grosse, violette
Augen - und lächelte.
Die Ärztin trat wieder näher und band dem kleinen Wesen ein Plastikband um das Handgelenk.
Heero konnte eine Nummer ausmachen. 'PATIENT 54867' Dieselbe Nummer, wie sie auch Duo am
Arm trug. Heero drehte das Band ein Bisschen. Ihm stockte der Atem, als ihm bewusst wurde, was
noch darauf stehen würde...
Name: Maxwell-Yuy
Vorname: Wing
Ein kehliges Lachen kam aus seinem Mund. Er drehte sich zu Duo. "Verrückter Kerl", murmelte er.
Die Ärztin lächelte immer noch freundlich. "Wir müssen die Kleine jetzt untersuchen."
Heero nickte und reichte ihr seine Tochter.
"Heero... Es ist alles gut gegangen. Sie müssen Duo jetzt wieder zunähen, das dauert sehr lange.
Komm doch mit, hm?"
Heero schüttelte den Kopf, aber die Frau unterbrach ihn schnell: "Wir sind gleich hinter dem Vorhang
dort."
Zögerlich nickte Heero darauf und beugte sich zu Duo. "Wir haben eine Tochter", flüsterte er. Er strich
eine Haarsträne von Duos Stirn, die unter der Abdeckhaube hervorlugte. Kurz schob er seinen
Mundschutz nach unten und küsste Duo auf die Stirn. Dann folgte er der Ärztin.
Duo kam langsam zu sich und sein erster Gedanke war, wann denn endlich diese Narkose einsetzen
würde... Mit seinem zweiten Gedanken stellte er fest, dass er nicht mehr im OP sein konnte... Es roch
ganz anders, die Geräusche waren weg und das grelle Licht auch. Der dritte Gedanke schliesslich
machte ihm deutlich, dass noch etwas anders war... Sein Bauch! Wo war...? Da, wo die letzten neun
Monate lang das beruhigende Gefühl von seinem Kind war, spürte er jetzt nur einen brennenden
Schmerz.
Er war verwirrt. Was...? Seine Kehle war trocken und er hatte einen merkwürdigen Geschmack im
Mund.
Er musste wohl seinen Kopf bewegt haben, denn alles drehte sich, und das sogar bei geschlossenen
Augen. Er hörte, wie er daraufhin stöhnte.
Dann fühlte er eine vertraute Wärme und eine ebensolche Stimme. "Koi?"
Wieder stöhnte Duo und zwang sich, seine Augen zu öffnen. Er blinzelte, seine Augenlider waren
furchtbar schwer und er konnte sie kaum auf behalten. Aber dann sah er Heero, wie er sich näherte
und ihm etwas auf die Brust legte.
Duo wandte seinen Kopf nach unten und erkannte ein kleines Köpfchen... ein kleines Händchen... Er
sah wieder zu Heero auf. Er schluckte heftig, was ihn auch gleich schmerzte, und brachte ein Lächeln
zustande.
Heero lächelte zurück. "Unsere Tochter."
Duo liefen Tränen aus den Augenwinkeln über seine Schläfen und in seine Haare. Und es
überraschte ihn unter diesen Umständen nicht einmal, dass es Heero ebenso ging.
Heero lachte leise. "Sie hat schon ein Fläschchen getrunken... Ein ganzer Maxwell, gesund und
gefrässig..." [2]
Duo wollte auch lachen, aber schon beim ersten Atemzug fühlte es sich an, als würde man ihm den
Bauch noch mal aufschneiden. Er war noch sehr müde, so dass der Schmerz gleich wieder vergessen
war. Es fiel ihm zusehends schwerer, die Augen nach dem Blinzeln zu öffnen.
Heero bemerkte es und nahm im das Baby wieder ab. Er küsste Duo auf den Mund und flüsterte:
"Schlaf dich aus. Es ist alles gut."
Und Duo schlief wieder ein. Aber diesmal mit einem Lächeln auf den Lippen und dem Bild von Heero
mit ihrem Kind auf den Armen vor Augen. Nun war der Krieg für sie wirklich vorbei... In dem Moment,
in dem sie bewiesen hatten, dass sie nicht nur kämpfen konnten - sie das Leben nicht nur
vernichteten, sondern auch erschufen...
OWARI
15.03.02
[1] Ich weiss nicht, ob Wufei tatsächlich zu diesem Clan gehört, ich konnte in der Serie keinen solchen
Anhaltspunkt finden. Ich habe es nur mal in einer Fanfiction gelesen und fand, es klingt gut ^-^
[2] Gruss an meine Schwester ^-^
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