Yu-Gi-Oh! Fan Fiction ❯ Suicidal Thoughts ❯ Suicidal Thoughts ( Chapter 1 )

[ T - Teen: Not suitable for readers under 13 ]

Titel: Suicidal Thoughts
 
Autor: Ailendolin
 
Disclaimer: Mir gehört Yu-Gi-Oh! nicht und nein, ich verdiene hiermit kein Geld.
 
Inhalt: Ryous Klasse nimmt Suizid in Werte und Normen durch, was Ryou an ein schreckliches und dennoch am Ende glückbringendes Erlebnis erinnert. Shonen-Ai; Ryou x Bakura; Selbstmordversuch; Gewalt; One-Shot
 
Rating: PG-13, nur um sicher zu gehen.
 
A/N: Hier kommt nun meine dritte Yu-Gi-Oh! Fanfiction und sie ist wieder mit dem Pairing Ryou x Bakura. Ich liebe dieses Pairing einfach ^^ Well, die Idee zu dieser Geschichte habe ich schon etwas länger, aber vor zwei Tagen hat es mich dann richtig gepackt und ich musste die ganze Zeit über die Handlung nachdenken. Ihr merkt schon, es hat mich nicht mehr losgelassen. Eigentlich hatte ich vor, die Story noch etwas auf sich ruhen zu lassen, aber das ist mir jetzt auch egal (grins).
Okay, zur Story allgemein kann ich nur so viel sagen: Sie ist ein One-Shot und wird auch einer bleiben. Ich habe nicht vor, ein Sequel dazu zu schreiben. Ich hoffe sehr, dass sie euch gefällt. Das Thema ist dieses Mal etwas ernster, wie man dem Titel wohl auch entnehmen kann, aber keine Angst, es wird niemand sterben. Ich habe schon in zwei von meinen Fanfics jemanden sterben lassen und das ganze wird mir langsam zu depressiv.
Des Weiteren möchte ich noch mal etwas klarstellen, was in dieser Geschichte vielleicht falsch verstanden werden kann: Ryou glaubt hier nicht an Gott. Damit möchte ich niemandem zu Nahe treten oder verletzen. Ich glaube selber nicht an irgendwelche Götter, aber deswegen habe ich nichts gegen Menschen, die gläubig sind. Das ist wirklich nicht böse gemeint!
Na ja, ich rede schon wieder zu viel. Viel Spaß beim Lesen!
 
Warnungen: Shonen-Ai - Ryou x Bakura; das Thema Suizid, also Selbstmord wird in dieser Geschichte behandelt. Außerdem wird Gewalt erwähnt, wer also damit nicht klar kommt, sollte lieber auf den Return-Button klicken, bevor es zu spät ist.
 
Legende:
„lalala“ - Wörtliche Rede
lalala - Gedanken
 
Charaktere:
Ryou - Ryou Bakura
Bakura - Yami Bakura, wird von Ryou aber auch mit Yami angeredet
Yugi - Yugi Mutou
Yami - Yami Yugi, Pharao, Atemu (wie immer ihr ihn nennen wollt)
Malik - Malik Ishtar
Marik - Yami Marik
 
Dann habe ich noch meinen eigenen Charakter eingebaut: Herr Yakkodahara, einer von Ryous Lehrern. Ich bitte euch, ihn nicht einfach für eure Geschichten zu verwenden. Falls einer von euch das möchte, kann er mir Bescheid sagen, dann ist das in Ordnung. Und nun viel Spaß beim Lesen!
 
 
Suicidal Thoughts
 
„Hey Ryou, da bist du ja endlich! Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr kommen!“ Yugi winkte seinem weißhaarigen Freund lächelnd zu. Wenige Sekunden später kam Ryou heftig atmend vor dem kleineren Japaner zum Stehen und musste sich kurz an seinen Knien abstützen, um wieder zu Atem zu kommen.
Dieser Morgen war einfach nur perfekt. Nichts lief so, wie es sollte. Es hatte damit angefangen, dass er seinen Wecker nicht gehört hatte und dementsprechend zu spät aufgewacht war. Ryou hatte dann kurz darauf verzweifelt versucht, sich gleichzeitig anzuziehen und die Zähne zu putzen, was damit geendet hatte, dass er beinahe Zahnpasta auf seine Schuluniform geschmiert hatte und einsehen musste, dass es so nicht ging. Danach hatte er in Windes Eile seine Schulsachen gepackt, seinem Yami, der ihn nur verschlafen und verwirrt angesehen hatte, kurz „Guten Morgen“ gewunken und war dann so schnell es ging aus dem Haus und zur Schule gerannt. Auf halben Wege war ihm dann letztendlich aufgefallen, dass er weder gefrühstückt noch ein Lunchpaket gepackt hatte. Oh ja, dieser Morgen war einfach nur perfekt gewesen und bei seinem Glück würde der Rest des Tages auch nicht besser laufen.
„Sorry, Yugi ... aber ich habe heute morgen verschlafen. Ich bin froh, dass ich es überhaupt noch rechtzeitig hier her geschafft habe.“ Erschöpfte dunkelbraune Augen blickten müde auf. Yugi jedoch grinste seinen Freund nur an und Ryou konnte ein böses Funkeln in den Augen des anderen Hikaris erkennen, was man sonst nur bei dessen Yami sehen konnte. Dieser Blick bedeutete nichts Gutes ...
„Verschlafen ... ah ja . Du hast wohl eine anstrengende Nacht hinter dir, was? Und ich nehme an, du hattest viel Spaß?“ Sein Grinsen wurde noch breiter, als er auf die dunkelroten Flecken auf Ryous Hals zeigte.
„Yugi!“ Der weißhaarige Junge sah seinen Freund vorwurfsvoll an, während er verzweifelt versuchte den Kragen seiner Schuluniform höher zu ziehen, um die verdächtigen Flecken zu verbergen. Er merkte, wie seine Wangen sich unaufhaltsam rötlich verfärbten; manchmal verfluchte er seine helle Haut. Man konnte wirklich jede Rötung sofort erkennen - und das war nicht nur auf die Verfärbung seines Gesichts bezogen. Yugi sah sich das ganze weiterhin grinsend an und zwinkerte Ryou spielerisch zu. Kurz darauf wurde er jedoch wieder ernst, als das erste Klingeln der Schulglocke zu hören war. Zwei Minuten später würde es zum eigentlichen Unterricht läuten - nicht viel Zeit, wenn man noch ans Schließfach musste, was nicht direkt beim Klassenraum lag.
„Komm, Ryou, wir sollten uns beeilen. Die erste Stunde fängt gleich an!“ Der Angesprochene verdrehte lediglich die Augen und seufzte:
“Oh, welch Freude ...“
 
OoOoOoOoOoOoOoOoOoO
 
Fünf ... vier ... drei ... zwei ... eins ... Ja, endlich! Ich dachte schon, es klingelt gar nicht mehr!
Gerade hatte Ryou seine vorletzte Stunde beendet. Er war froh, dass er Physik endlich hinter sich hatte. Das war definitiv nicht sein Fach. Er konnte tun, was er wollte, aber mit Physik und auch Chemie konnte er nicht viel anfangen. Dafür lag ihm das letzte Fach dieses Tages umso mehr: Werte und Normen. Der weißhaarige Junge hatte Religion schon vor langer Zeit abgewählt, um genau zu sein kurz nach dem Unfall seiner Mutter und Schwester. Schon davor hatte er nicht sehr an Gott geglaubt, doch der plötzliche Tod zwei seiner engsten Familienmitglieder hatte ihm auch den letzten Funken Glauben genommen. Es war schwer nachzuvollziehen, warum ein Gott unschuldige Menschen einfach so sterben ließ. Somit hatte er sich in Werte und Normen versetzen lassen und er war froh darüber.
„Ryou! Wart mal!“ Der Angesprochene blickte sich um und konnte Yugi und Malik auf ihn zu kommen sehen. Sie hatten mit ihm zusammen Werte und Normen, da sie ebenfalls nicht an der christlichen Religion interessiert waren.
„Hey, na wie war euer Schultag bis jetzt?“
„Oh, totlangweilig ... bis eben jedenfalls. Wir hatten gerade Geschichte und die Frau hatte echt keine Ahnung von Ägypten! Wenn sie das schon durchnimmt, dann sollte sie wenigstens ein bisschen darüber Bescheid wissen. Aber nein! Wir mussten sie die ganze Zeit verbessern! Du glaubst gar nicht, was die für einen Mist über Grabwächter erzählt hat!“
„Und über Pharaonen!“, pflichtete Yugi seinem Freund bei. Malik sah ihn kurz an und fuhr dann fort.
„Sei froh, dass du nicht da warst! Bakura wäre ausgerastet, wenn er gehört hätte, was die über Grabräuber gesagt hat. Marik war kurz davor sie ins Reich der Schatten zu schicken und ich glaube Yami musste sich auch ziemlich zusammenreißen. Wie kann man eigentlich Lehrer werden ohne irgendeine Ahnung von seinem Fach zu haben?“
Ryou sah seine beiden Freunde lächelnd an. Es war jedes Mal das selbe, seit der Geschichtskurs der beiden Ägypten durchnahm.
„Seid ihr wieder rausgeflogen, weil ihr sie ständig verbessert habt?“ Die beiden sahen ihren weißhaarigen Freund verlegen an.
„Na ja, fast. Das Klingeln hat uns glaub ich gerettet.“ Daraufhin musste Ryou den Kopf schütteln. Die beiden waren einfach unverbesserlich.
„Eure Lehrerin wird wahrscheinlich noch einen Nervenzusammenbruch wegen euch beiden kriegen. Woher soll sie denn wissen, wie es wirklich im Alten Ägypten war? Wisst ihr, nicht jeder hat einen Millenniumsgegenstand, in dem ein Jahrtausende alter Geist aus dem alten Ägypten sesshaft ist, der zufällig vor 3000 Jahren ein Pharao, Grabwächter oder Grabräuber in Ägypten gewesen war und deswegen weiß, wie damals das Leben gewesen sein musste. Nehmt darauf doch wenigstens ein bisschen Rücksicht, ja?“
Mit diesen Worten wandte sich Ryou um, um zum Klassenraum ihres Kurses zu gehen. Malik und Yugi folgten ihm grummelnd, sich dabei mit ihren Yamis gedanklich über die Geschichtsstunde unterhaltend. Sie wussten, dass es keinen Sinn hatte mit Ryou darüber zu diskutieren. Der weißhaarige Junge war viel zu höflich Lehrern gegenüber und würde sie niemals verbessern, selbst wenn er wusste, dass es falsch war, was sie erzählten. Übermäßige Höflichkeit war eine von Ryous negativen Angewohnheiten, wenn man die anderen beiden Hikaris fragte.
Sie betraten den Klassenraum pünktlich zum Klingeln und setzten sich auf ihre Plätze in der hintersten Reihe. Es wurde still, als ihr Lehrer, Herr Yakkodahara, ein recht junger Mann mit kurzen zerwuschelten braunen Haaren, den Raum betrat. Er war einer der beliebtesten Lehrern der Schule. Die Mädchen mochten ihn vor allem wegen seines guten Aussehens und so ziemlich die gesamte Schülerschaft schätzte seine Freundlichkeit, Fairness und sein Engagement sehr. Herr Yakkodahara wirkte zwar manchmal etwas zerstreut, aber er hatte immer ein offenes Ohr für die Probleme eines Schülers und versuchte seinen Unterricht so interessant und unterhaltsam wie möglich zu gestalten; etwas, was man bei Lehrern heute leider nicht mehr sehr oft vorfinden konnte. Er lächelte einmal kurz in die Runde seiner Schüler - der Kurs bestand aus 17 Mädchen und Jungen - und legte dann seine Unterlagen auf den Lehrertisch. Kurze Zeit später sah er wieder hoch, immer noch ein Lächeln auf den Lippen.
„Guten Morgen ... na ja, eigentlich ist es ja nicht mehr morgens, also sollte ich wohl besser Guten Tag sagen ...“ Er sah etwas nachdenklich auf einen imaginären Punkt an der Wand und einige der Schüler lachten leise.
„Na ja, ist ja eigentlich auch egal. Kommen wir zum eigentlichen Thema des Unterrichts. Ihr wisst ja hoffentlich noch, dass ich euch letzte Woche gesagt habe, dass wir heute ein neues Thema anfangen?“ Fragend blickte Herr Yakkodahara in die Gesichter seiner Schüler, und als alle daraufhin nickten, fuhr er fort.
„Nun, wir haben in letzter Zeit ja andere Religion behandelt, also dachte ich mir, dass wir mal was anderes machen, was nun nicht unbedingt mit Glauben und Göttern zu tun hat. Um es kurz zu machen: Wir werden ab jetzt das Thema Suizid, also Selbstmord, behandeln.“
Es herrschte Totenstille im Klassenraum. Unbemerkt von den anderen, fingen die blassen Hände eines weißhaarigen Jungen in der hintersten Reihe an zu zittern. Ryou spürte die Blicke von Malik und Yugi auf sich ruhen, und er wusste auch, dass beide Besorgnis in ihren Augen stehen hatten. Er seufzte: Na super, bei allen Themen, die er hätte nehmen können, musste es Suizid sein. Wieso nicht Psychologie? Freud wäre bestimmt interessant geworden. Oder Abtreibung? Wieso denn ausgerechnet Selbstmord?
„Ich entnehme eurer Stille, dass ihr schon mal nicht sehr abgeneigt von dem Thema seid. Auf jeden Fall hoffe ich das, denn es ist ein ernstes Thema und man sollte es nicht auf die leichte Schulter nehmen. Im Prinzip ist jeder von euch suizidgefährdet, ich selbstverständlich auch. Das ist kein großes Geheimnis. Jeder Mensch kann irgendwann einmal Selbstmordgedanken haben. Kann mir jemand Gründe für Suizid nennen?“ Ein Mädchen mit langen dunkelbraunen Haaren in de ersten Reihe meldete sich.
„Ja?“ Herr Yakkodahara sah sie an und nickte ihr auffordernd zu.
„Vielleicht Stress?“
“Das ist richtig! Stress kann auf jeden Fall eine Ursache sein. Jeder von euch kennt das bestimmt, wenn alles auf einmal auf einen zu kommt, Schulstress, dann noch Probleme mit den Eltern, und mit den Freunden will es auch nicht so richtig laufen. Wer hat sich da nicht schon mal gewünscht, dass alles einfach aufhört? - Wer weiß noch was?“
Alle überlegten, doch niemandem schien mehr etwas einzufallen. Herr Yakkodahara sah sich forschend um, bis sein Blick in der hintersten Reihe hängen blieb.
“Ryou? Weißt du vielleicht noch etwas?“ Braune Augen blickten auf und sahen direkt in freundliche blaugraue. Ryous Hände zitterten immer heftiger und er musste sie unter den Tisch halten, damit niemand das bemerkte. Er wollte nicht im Mittelpunkt stehen, nicht bei dieser Frage. Natürlich kannte er die Antwort. Aber es war so schwer darüber zu reden.
„Ähm ... Einsamkeit könnte noch ein Grund sein und ...“, sagte er leise, wurde dann jedoch von seinem Lehrer unterbrochen.
„Wieso meldest du dich denn nicht, wenn du die Antwort weißt, Ryou? Einsamkeit ist ein sehr wichtiger Punkt und wahrscheinlich einer der häufigsten Gründe für Selbstmord. Deswegen hört man zur Weihnachtszeit auch immer von so vielen Suizidopfern. Meistens sind das Leute, die alleine sind und keinen mehr haben und in der Zeit, in der die Wörter Familie, Freunde und Liebe ganz groß geschrieben sind, sehen diese Menschen keinen Sinn mehr in ihrem Leben, weil es niemanden gibt, der sich um sie sorgt. Also tun sie das, was Menschen so oft tun: Sie flüchten.“ Es war für Ryou in diesem Moment sehr schwer, sich unter Kontrolle zu halten. Herr Yakkodahara sagte all dies mit so einer Gleichgültigkeit, dass Ryou am Liebsten aufgesprungen wäre und allen Anwesenden erzählt hätte, wie man sich wirklich fühlte, wenn man an dem Punkt seines Lebens angekommen war, an dem man am Liebsten nur noch alles mit zwei Schnitten beenden wollte. Doch er hatte sich unter Kontrolle und lächelte auch schwach, als ihn sein Lehrer erneut ansprach.
„Weißt du noch einen Grund für Selbstmord, Ryou?“ Die ansonsten so warmen braunen Augen wurden emotionslos und sein Lächeln war kalt.
“Gewalt ...“, war das einzige, was der weißhaarige Hikari sagte.
„Gewalt? Das musst du uns nun aber erklären, Ryou. Wie meinst du das?“
„Gewalt jeglicher Art kann zu Selbstmord führen. Ob psychische oder physische Gewalt, jede Art ist auf ihre Weise schlimm. Ich ... ich habe schon mal davon gehört, dass sich Leute umgebracht haben, weil ihre Familienangehörigen gewalttätig waren. Sie haben sie geschlagen und seelisch sehr verletzt.“ Ryou stoppte kurz in seiner Erklärung. All das hatte er selbst erlebt, vor nicht mal einem Jahr. Glücklicherweise musste er nie das durchmachen, was er als nächstes erzählte.
“Und dann gibt es noch die sexuelle Gewalt, also Vergewaltigung. Durch all sowas kann jemand zum Selbstmord getrieben werden.“ Seine Mitschüler sahen ihn verwundert an. Warum wusste er so viel über das Thema? Yugi und Malik kannten den Grund. Es war auch der Grund dafür, dass ihr Freund vorzugsweise langärmelige Oberteile trug und sie beide waren auch etwas Schuld daran. Ryou hatte selber Selbstmord begangen, oder hatte es jedenfalls versucht. Die zwei Narben an seinen Handgelenken waren Beweis genug dafür. Sie wussten, dass Ryou nicht gerne über diesen Abschnitt seines Lebens sprach und sahen ihn mitfühlend an.
„Ich bin beeindruckt, Ryou! Du scheinst sehr viel über dieses Thema zu wissen. Woher, wenn ich fragen darf?“
„Aus ... aus dem Fernsehen ...“, antwortete der ruhige Junge und blickte wieder auf seine Hände, die in seinem Schoß lagen.
„Nun gut. Damit hätten wir schon mal drei Gründe für Selbstmord: Stress, Einsamkeit und Gewalt. Ich möchte jetzt aber mal etwas ganz anderes von euch wissen. Und zwar, was ihr über Suizid überhaupt denkt. Es ist wichtig, die Meinungen aller zu kennen, wenn wir über dieses Thema im Unterricht reden und auch damit arbeiten wollen. Wir fangen vorne an und gehen dann der Reihe nach alle durch, in Ordnung?“ Wieder blickte Herr Yakkodahara freundlich in die Runde und nickte dem Schüler, der in der ersten Reihe links außen saß, zu, dass er beginnen sollte.
„Also, ich denke nicht, dass Selbstmord eine Lösung ist. Man sollte nicht vor seinen Problemen fliehen, sondern Hilfe suchen. Es ...“
Ryou hörte nicht mehr zu. Zu viele Erinnerungen waren auf einmal aufgewühlt worden und er wusste auch, dass er sich nicht so bald wieder das Leben nehmen wollen würde, aber er hatte gehofft, dass er sich nie wieder mit dem auseinander setzen müsste, was damals geschehen war. Und doch war er wiederum irgendwie froh, dass er damals sein Leben hatte beenden wollen, denn ansonsten wäre er jetzt nicht so glücklich.
 
----Flashback----
 
Er hatte es schon wieder getan. Warum? Warum tat er ihm das an? Was hatte er dieses Mal falsch gemacht? Zur falschen Zeit geatmet vielleicht? Aber Bakura brauchte eigentlich sowieso keinen Grund für das, was er tat. Er war ein Jahrtausende alter Grabräuber und hatte sich nie an Regeln gehalten. Wieso also sollte er jetzt auf einmal Gründe für sein Tun und Lassen brauchen, wenn er schon früher grundlose Dinge getan hatte? Dennoch war es nicht fair. Wie sehr wünschte sich der weißhaarige Hikari, dass es zwischen ihnen anders sein würde. Irgendwann vielleicht einmal, aber zwei Jahre, nachdem er diesen Wunsch das erste Mal gehabt hatte, hatte er langsam aber sicher seine Hoffnung verloren. Und, was vielleicht noch schlimmer war, sein Licht. Er war dazu bestimmt ein Hikari zu sein, das Licht selber, doch Ryou versank immer mehr in den Schatten seiner jahrelangen Tortur. Für ihn gab es mittlerweile keine Hoffnung mehr. Nichts hatte mehr Sinn. Das ganze fing schon bei seinem Vater an. Er war nur noch auf archäologischen Forschungsreisen und ließ sich selbst an Ryous Geburtstag oder an Weihnachten nicht mehr blicken. Der weißhaarige Junge konnte froh sein, wenn er an diesen Tagen von seinem Vater einen Anruf bekam. Somit war Ryou seit einiger Zeit auf sich allein gestellt. Sein Vater schickte ihm immer genug Geld, um die Heizkosten und diverse Rechungen, die das Haus betrafen, bezahlen zu können, aber viel mehr kam nicht mehr von ihm. Das nächste Problem waren seine Freunde. Ryou war immer der Außenseiter und seine Freunde verhielten sich immer anders in seiner Gegenwart, wie er vor einiger Zeit traurig festgestellt hatte. Er wurde zwar akzeptiert, aber mehr war da auch nicht. Man konnte ihn auch wie das sprichwörtliche fünfte Rad am Wagen beschreiben.
Ryou war einsam. Er fühlte sich verloren und alleingelassen und hatte öfter Depressionen gehabt. Doch sein größtes Problem war sein Yami gewesen. Bakura, wie er genannt wurde, hatte nie Rücksicht auf Ryou genommen. Immer hatte er an seinem Hikari all seine Wut ausgelassen und ihn oft Abends in seinem eigenen Haus zusammengeschlagen und sich dann selbst überlassen, während er dann einfach schlafen ging. Am Anfang hatte er noch Gründe für sein Tun gehabt, aber mittlerweile war es egal. Er schlug Ryou grundlos und es schien niemandem aufzufallen. Überall an Ryous Körper waren blaue Flecken und manchmal war es sogar so schlimm, dass seine Wunden anfingen zu bluten. Er musste sich jedes Mal selbst verarzten und in der Schule am nächsten Tag aufpassen, dass niemand seine Verletzungen sah, was nicht immer leicht war, besonders nicht im Sportunterricht. Für Ryou war es die Hölle. Er hatte sich all das immer anders vorgestellt. Niemals hätte er gedacht, dass der Mensch, für den er sein Leben geben würde, ihn so sehr verletzen würde. Und genau das war es, was der Weißhaarige so sehr an der ganzen Situation hasste. Er hatte sich in Bakura verliebt, obwohl dieser ihm ständig Verletzungen zufügte und ihn beschimpfte. Das Schlimme daran war, dass Ryou wusste, dass Bakura niemals seine Gefühle erwidern würde.
Weinend saß der Hikari auf seinem Bett, doch er hatte einen Entschluss gefasst. Entschlossen stand er auf und ging zu seinem Schreibtisch. Dort nahm er einen Zettel und schrieb ein paar Zeilen darauf, bevor er seine Aufmerksamkeit auf eine der Schreibtischschubladen richtete. Er öffnete diese und holte mit zitternden Händen einen wunderschön verzierten Dolch hervor. Sein Vater hatte ihn ihm vor langer Zeit gegeben. Nun würde er sich endlich als nützlich erweisen. Zusammen mit dem Zettel und dem Dolch setzte sich Ryou wieder auf sein Bett. Er zog sein bordeaux farbenes Hemd aus und ließ es unachtsam auf den Boden fallen. Sein weißes T-Shirt behielt er an, während er den Zettel neben sich auf das Bett legte. Wieder nahm er den Dolch in die rechte Hand und presste ihn dann erst sanft, kurze Zeit später jedoch fest auf sein linkes Handgelenk, genau dort, wo die Pulsader war. Erst langsam, dann immer schneller floss das Blut heraus. Den selben Vorgang wiederholte er am rechten Handgelenk. Ryou lächelte. Endlich fühlte er sich frei. Endlich musste er all diese Qualen nicht mehr ertragen. Ein letztes Mal sah er aus seinem Fenster und zu den Sternen, die ihm so oft in der Nacht Trost gespendet hatten. Er lächelte, als alles um ihn herum langsam dunkler wurde. Das letzte, was er hörte, bevor er das Bewusstsein verlor, war eine ihm sehr vertraute Stimme, die entsetzt seinen Namen rief:
“Ryou!“
 
OoOoOoOoOoOoOoOoOoO
 
Erschöpfte tiefbraune Augen öffneten sich, als sie von der hereinscheinenden Sonne gekitzelt wurden. Ryou befand sich in einem weißen sterilen Raum, eindeutig ein Krankenhauszimmer, wie er feststellte. Aber warum war er hier? Er sollte nicht mehr leben, sondern bei seiner Mutter und seiner Schwester sein. Was war geschehen?
Verwirrt blickte er auf seine Handgelenke. Verbände waren darumgewickelt, und in der rechten Hand hatte er dazu noch eine Nadel, die ihn mit einer ihm unbekannten Flüssigkeit versorgte. Doch was ihn am meisten verwirrte, war die ebenso blasse Hand, die auf seiner eigenen ruhte. Sein eigener Yami saß neben seinem Krankenbett und lächelte ihn glücklich an, während seine Hand sanft über Ryous eigene strich.
„Ya ... Yami?“, fragte Ryou vorsichtig. Nun verstand er gar nichts mehr. Warum war sein Yami hier? Er wäre der letzte, den der weißhaarige Hikari erwartet hätte.
„Ryou ... wieso hast du das getan? Ist es ... ist es wegen mir?“ Bakura wies auf Ryous Handgelenke und zeigte ihm dann den Zettel, den der Hikari seinem Yami als Abschiedserklärung dagelassen hatte. Beschämt senkte der Angesprochene den Kopf. Er wusste, was sein Yami wissen wollte und er wusste auch, dass dieser im Grunde die Antwort schon kannte. Doch irgendetwas war anders an Bakura, irgendetwas, was dem schüchternen Hikari die Mut gab, Bakura direkt anzusehen und zu antworten.
„Es ... es tut mir Leid, Bakura! Aber ich ... ich konnte einfach nicht mehr, verstehst du? Es war einfach alles zu viel für mich. Ich war einsam und hatte gehofft, dass du vielleicht etwas Zeit mit mir verbringst, doch stattdessen hast du mich geschlagen. Es tut mir Leid, dass ich so ein schwacher und wertloser Hikari bin, ich habe versucht das zu ändern, aber es hat nicht funktioniert. Ich wollte dich nur glücklich machen, Yami, aber ... aber ...“ Ryou brach ab. Kleine silberne Tränen, perfekt und zerbrechlich, hatten sich in Ryous Augen gebildet und fielen sanft herunter. Der Hikari schluchzte. Alles war so schwer, so verdammt schwer. Er vergrub das Gesicht in den Händen. Plötzlich spürte er, wie sich jemand auf das Bett setzte und ihn sanft umarmte. Warme Hände strichen ihm liebevoll über den Rücken und Ryou drückte sich so nah es ging an seinen Yami. Wie lange hatte er darauf gewartet, dass Bakura ihn umarmen würde? Es war ein schönes Gefühl und immer mehr Tränen bahnten sich ihren Weg aus den braunen Tiefen, um in Bakuras dunkelblauem Hemd zu verschwinden.
„Shh, Aibou ... Bitte hör auf zu weinen. Ich bin der jenige, der sich entschuldigen muss und nicht du. Du warst niemals schwach und schon gar nicht wertlos. Es tut weh zu sehen, dass ich dir das eingeredet habe. Bitte, vergiss einfach alles, was ich jemals gesagt habe. Ich habe gelogen. Du ... du bist das beste, was jemandem passieren kann, Ryou und deswegen tut es mir umso mehr Leid, dass ich dich so sehr verletzt habe. Ich kann dir keine Erklärung geben, warum ich es getan habe, denn ich weiß es selber nicht. Vielleicht war ich verwirrt von meinen Gefühlen zu dir und habe dich deshalb verletzt, aber wie gesagt, ich weiß es selber nicht. Und als ich dich dann in deinem Zimmer mit deinen blutenden Handgelenken gesehen habe, habe ich richtig Angst bekommen, weißt du? Ich will dich nicht verlieren, Hikari! Dazu bedeutest du mir zu viel. Ich wollte nie, dass es so weit kommt, das musst du mir glauben! Kannst ... kannst du mir noch einmal verzeihen?“ Eine leise Träne schlich sich aus Bakuras Auge, doch Ryou wischte sie zärtlich weg. Ein Leuchten war in die Augen des gebrochenen Jungen zurückgekehrt, was schon lange verloren geglaubt war. Das Leuchten der Hoffnung und der Freude.
„Yami ... ich habe dir schon längst verziehen. Ich habe es immer getan. So sehr ich dich auch hassen wollte, ich konnte es nicht, weil ... weil ich dich liebe ...“ Traurig blickte Ryou auf die Bettdecke. Bakura würde ihn nie lieben können. Doch er wurde in seinen depressiven Gedanken unterbrochen, als zwei Finger sich sanft unter sein Kinn legten und seinen Kopf hoben. Bakura sah seinen Hikari lange Zeit nur an, bevor er sich schließlich zu diesem hinunterbeugte und ihm einen liebevollen und sanften Kuss gab. Kurze Zeit später löste er sich wieder von Ryou und strich ihm zärtlich über die Wange.
„Ich liebe dich auch, Ryou ... mehr als mein Leben und ich verspreche dir, dass ich dir nie wieder weh tun werde.“ Erneute Tränen bildeten sich in den Augen des weißhaarigen Hikaris und er umarmte Bakura glücklich.
“Danke, Kura ... Das bedeutet mir wirklich sehr viel!“
 
----Flashback Ende ----
 
„Ryou? Ryou, was denkst du über Selbstmord?“ Der weißhaarige Junge wurde aus seinen Gedanken gerissen. Mittlerweile hatte er ein Lächeln auf den Lippen und seine Stimme war fest, als er seinem Lehrer antwortete:
“Was ich über Selbstmord denke? Es ist gewiss keine Lösung. Man würde so vieles im Leben verpassen. Aber dennoch können Selbstmordversuche auch etwas Gutes an sich haben. Sie können einem die Augen öffnen.“ Mit diesen Worten stand Ryou auf, nahm seine Schultasche und verließ den Klassenraum. Alle anderen Schüler waren noch sitzen geblieben, obwohl es schon geklingelt hatten und starrten ihm verwundert hinterher, auch Herr Yakkodahara. Doch Ryou war es egal. Er wollte nach Hause, wo er wusste, dass jemand auf ihn warten würde ... jemand sehr besonderes.
Aishiteru, Yami ...
 
The End
 
A/N: Oh man, ich glaube, das ist bisher der längste One-Shot, den ich geschrieben habe. Bitte seid so lieb und lasst mir einen review/Kommentar da. Ich würde wirklich unheimlich gerne wissen, was ihr davon denkt, da ich ziemlich lange dran gesessen habe. An dieser Stelle muss ich nochmal erwähnen, dass ich mich nicht so gut mit Selbstmord auskenne und das Ganze so geschrieben habe, wie ich das kenne. Und ich möchte hiermit nun wirklich keinem irgendwie zu Nahe treten. Ich habe in letzter Zeit einfach nur zu viele Fanfics gelesen, in denen Ryou Selbstmord begeht oder es zumindest versucht, da wollte ich es auch mal versuchen, nur mit einer anderen Idee dahinter. Na ja, ich hoffe sehr, dass es euch gefallen hat. Danke schön fürs Lesen!
Eure Ailendolin