Weiss Kreuz Fan Fiction ❯ Drei Tage, drei Nächte ❯ Was wir wissen, ist ein Tropfen.... ( Chapter 3 )

[ X - Adult: No readers under 18. Contains Graphic Adult Themes/Extreme violence. ]

A/N: Zunächst einmal großen Dank an MindmasterSchuldig, Marron und Cindy für eure Reviews! Ich habe mich sehr gefreut!*huggles* Es find es toll, dass es euch gefällt und hoffe, dass ihr auch noch weiter Gefallen an der Story findet ^_~.

Beta gelesen hat dieses Mal Caron, die ich auch noch mal ganz lieb herze für ihre ehrliche und konstruktive Kritik!

Disclaimer: Gehört alles nicht mir, nur die Idee ist meinen Hirnwindungen entsprungen.

Viel Spaß und happy C&Cing! ^_^

"Monster."

Aya sah auf, für einen Moment betäubt, für einen Moment unfähig, die Bedeutung des Wortes in sich aufzunehmen, zu verwerten, was sein Opfer gesagt hatte.

"Monster", wiederholte Crawford unmerklich, noch lautloser, betonte jede Silbe und sah ihm direkt in die Augen.

Das Lächeln auf dem Gesicht des rothaarigen Mannes verschwand mit einem Male und machte einer haltlosen Wut Platz, die Ayas Augen zu Schlitzen verengte, ihn unmerklich erzittern ließ.

"Ich? Ein Monster? Das sagst DU?"

Der Wunsch, den Körper unter ihm zu schänden, war nicht verschwunden, nein, die wilde, animalische Lust in seinem Blut zirkulierte noch immer in seinen Adern. Doch nun gesellte sich noch etwas ganz anderes dazu. Hysterie und Wahn gaben ihren Teil zu der explosiven Mischung in Ayas Innerem dazu, heizten seine Bereitschaft, den anderen Mann zu quälen noch mehr an.

Hysterie, Wahn und noch etwas anderes, was von Minute zu Minute anstieg und an Gewicht gewann. Der Wunsch, all seine Trauer, seine Schmerzen, seine Verzweiflung hinauszuschreien, dem anderen Mann entgegen zu schleudern, ihn mit dem Elend zu konfrontieren, das in ihm wühlte, der Einsamkeit, dem Selbsthass.

Er wusste, er durfte das nicht, sonst würde er nicht wieder aufhören können, sonst würden ihn seine inneren Dämonen, die er so lange hatte verschließen können auffressen und ihn in die Dunkelheit zerren.

Und dennoch.....ließ er sich gehen. Ließ all die aufgestaute Verzweiflung mit einem Male hinaus, gab seinem Schmerz, seinem Leid Stimme. Ließ sie hinausschreien in die Welt, die ihm alles genommen hatte. Vater, Mutter, Schwester, ein normales Leben, seine Unschuld.

"Das sagt derjenige, DER MEINE FAMILIE UMGEBRACHT HAT!! Das sagt das ORAKEL, ein KILLER, der keine Gnade kennt, andere Menschen bestialisch umbringt, sich keinen Deut um sie schert, ruchlos und kalt ist, der zu seinem persönlichen Vergnügen tötet!! Das sagt das MONSTER, das meine Familie getötet hat, weil die Drogengeschäfte aufgeflogen sind, die er selbst über meinen Vater hat laufen lassen!! DU bist von uns beiden das Monster, BRAD, und ich gönne dir das, was Lasgo getan hat, aus vollstem Herzen! Mehr noch, ich bin bereit das Gleiche zu tun, um mich an dir zu rächen, damit deine Seele endlich dort verrottet, wo sie hergekommen ist! In der HÖLLE!"

Die Stille, welche darauf folgte, war ohrenbetäubend. Ayas Augen, unnatürlich weit aufgerissen, voller Hass starrten in Crawfords ruhige, vollkommen emotionslose. Selbst die schmalen Lippen des Amerikaners waren ausdruckslos, kein spöttisches Grinsen zierte sie, kein höhnisches Lächeln.

Anscheinend wusste das Orakel, dass jedes noch so leise ausgesprochene Wort den momentanen Stillstand brechen und den rothaarigen Mann an seine Grenzen und darüber hinaus treiben würde. Er schwieg, während er sich des schweren Körpers auf ihm bewusst war, den schmerzhaften Druck auf seinen Unterkörper wahrnahm, mit der Panik focht, die diese Position in ihm auslöste.

Nur ein falsches Wort und Abyssinian würde sich das nehmen, was er begehrte. Würde das scheinbar Gute hinter sich lassen, um endgültige Rache zu nehmen. Für einen Moment, einen Augenblick überlagerte sich Ayas Bild mit dem von Lasgo, verwuschen die Gesichtszüge ineinander und ließen Crawford scharf den Atem einziehen. Und doch...ohne Frage war er mit Aya nicht besser bedient. Der Mann würde sich das nehmen, was er wollte.

Ihn.

Doch er musste irgendetwas sagen, musste ihn daran hindern, sich ihm aufzuzwingen. Irgendetwas.

Irgendetwas......

Aya wusste für einen Moment nicht, was er wirklich fühlte. Er war erleichtert, sicher, dass er seiner Wut ein Ventil gegeben hatte, obwohl es noch nicht alles war, was er dem Schwarz an den Kopf werfen wollte. Andererseits wusste er auch, dass es nun kein Zurück mehr gab, er war schon zu weit gegangen. Zu sehr fochten der Hass, die Verachtung seinem Feind gegenüber ein ungleiches Spiel gegen ihn selbst und seine unberührte Seele.

Eben diese Schadenfreude ließ ihn nun auch lächeln, die Hand wiederholt über den attraktiven Oberkörper des Mannes unter ihm streichen. So einfach würde es jetzt sein, wenn er sich das Orakel nahm.

Aya zwängte plötzlich mit einem Knie die Schenkel des älteren Mannes auseinander, betrachtete das kurz vor Schmerz verzogene Gesicht Crawfords.

Er muss Qualen erleiden von dem, was Lasgo ihm angetan hat. Ich würde ihm noch mehr Verletzungen zufügen, wenn ich ihn jetzt missbrauche, tönte es hohl im Kopf des rothaarigen Assassins. Doch das war genau das, was er wollte.

Durch eine ruckartige Bewegung unter sich aus seinen dunklen Gedanken gebracht, starrte Aya dem älteren Mann in das abgewandte Gesicht, sah die unfixierten, nichts sehenden Augen, spürte die sich plötzlich verkrampfende Gestalt.

War es das, was man eine Vision nannte?

Aya sah die zu Fäusten geballten Hände, die in krampfenden Wellen an den Fesseln zogen, als sich Crawfords Körper anscheinend dem Blick in die Zukunft verweigerte.

Doch so abrupt die übernatürliche Erscheinung auch gekommen war, so schnell verschwand sie wieder und der dunkelhaarige Amerikaner gelang an Fassung. Innerlich fragte Aya sich natürlich, was genau das Orakel vorhergesehen hatte, ließ diese Frage jedoch nicht über seine Lippen kommen.

Weil es nicht wichtig war.

Vielmehr wanderte er nun mit seinen Fingerkuppen über die starken Arme, fuhr jeden einzelnen der athletischen Muskelstränge nach. Kein Wunder, dass der Schwarz fast nie mit einer Waffe kämpfte. Er hatte es nicht nötig, konnte sich einzig und allein auf seine Körperkraft verlassen.

Die ihm jedoch jetzt nichts bringen würde.

Ayas eigene, violette Augen suchten die seines Gegenübers, um sich an ihnen festzuhalten, während er den reglosen Körper unter sich berührte, einen Tanz der einseitigen Lust aufführte, doch sie entdeckten nichts, was vollkommen befriedigend waren. Angespannte Ruhe und Ausdruckslosigkeit rangen im tiefschwarzen Onyx des Orakels um die Vorherrschaft, als Aya plötzlich und nicht milde überrascht spürte, wie starke Schenkel seine Hüfte umfingen und der ältere Mann ihn fordernd an sich presste.

"Ist es das, was du willst, Ran?", flüsterte sein Geschenk leise. "Oder ist es Aya, die das tut? Hat sie soviel Einfluss auf dich, Ran, dass du im Namen deiner Schwester bereit bist zu töten und zu vergewaltigen?"

Die Wärme des anderen Mannes direkt an sich spürend, ließ Aya die Worte auf sich einwirken und verebben, im Wissen, dass Ran, der unberührte Teil seiner verdorbenen Seele, nicht in der Lage war, ihn noch aufzuhalten. Es musste getan werden, er tat es für seine Familie seine Schwester und sich.

Auch für Ran?

-

Mit einem Male erinnerte sich Aya des Ekels, den er vor Lasgo empfunden hatte, als dieser ihm Crawford geschenkt hatte. Der Verachtung für den anderen Mann, dem Mitleid für das Opfer. Und nun.....da feststand, wer so schrecklich missbraucht worden war, nahm er sich das Recht heraus, sich auf eine Stufe mit Lasgo zu stellen, sich einem anderen Menschen aufzuzwingen, ihn gegen seinen Willen zu nehmen.

Ja, er war verdorben, hatte nichts Reines mehr an sich. Nicht Aya, nicht er.

Aber Ran.

Der Teil, der ein unbeschwertes Leben geführt hatte, der lachen konnte, der nicht einen Gedanken an Rache verschwendet hatte.

Und hatte Aya gedacht, Ran könnte ihn nicht umstimmen, so hatte er sich getäuscht, denn nun mischten sich erste Zweifel in sein Vorhaben, ließ die animalische Lust in seinen Lenden ab, verschwand jedoch nicht. Noch konnte er sich selbst davon überzeugen, dass er das Richtige tat, dass Crawford es verdient hatte.

Der rothaarige Mann suchte in den Augen seines Feindes nach irgendeinem Anzeichen von Spott oder Hohn, was die letzte Hürde niedergerissen hätte, die noch zwischen ihm und der Vergewaltigung stand.

Doch er fand es nicht....

Was er entdeckte war Ruhe und Ergebenheit. Der Schwarz wartete auf eine Antwort. Von Ran. Wie unfair. Wo es doch um ihn ging, um Aya.

Es war merkwürdig. Die Beleidigung, welche eigentlich in den Worten Crawfords mitgeschwungen hatte, der Vorwurf an seine Schwester, die treibende Kraft des Ganzen zu sein, traf ihn überhaupt nicht, fachte noch nicht einmal mehr die Wut in seinem Inneren an.

Wollte Ran das wirklich? Das war die Frage, welche sich nun Aya stellte. Die Frage, die Ran in seinem Inneren mit nein beantwortete.

Er wollte nicht zu Lasgo werden, noch nicht. Wollte Mitleid für den Menschen empfinden, eben wegen dieser grausamen Tat. Der naive, junge Ran. Aya musste unwillkürlich lächeln. So naiv war er nicht, nein. Mitleid hatte Crawford nicht verdient. Und dennoch konnte er Ran nicht ignorieren, jetzt, da er sich geregt hatte, ihm einen Strich durch die Rechnung machte.

Ayas Finger strichen über die Handinnenflächen des Orakels, um sich dann schließlich mit dessen Fingern zu vereinen, gleich einem Liebespaar, das sich nichts sehnlicher wünscht als körperlichen Kontakt. Er beugte sich hinab und flüsterte dem Schwarzassassin lächelnd ins Ohr:

"Just for once, Bradley", imitierte der rothaarige Mann die Muttersprache des Orakels in perfekter Ironie. "Du hast Recht, Ran will es nicht. Doch denke nicht, du würdest deine gerechte Strafe nicht bekommen. Ich werde mich an dir rächen, Schwarz, nur nicht auf diesem Wege."

Damit stieß er sich von seinem Geschenk ab und stand ruckartig auf, um - ohne einen Blick zurückzuwerfen - das Schlafzimmer zu verlassen.

~~**~~

Mit einem erlösenden Seufzen pumpte Ayas Hand zum letzten Mal das erigierte Fleisch zwischen seinen Beinen, entließ den Samen, der sich nun mit dem heißen Wasser der Dusche im Abfluss vermischte und weggespült wurde.

Es war nun schon der dritte Orgasmus, eigentlich recht ungewöhnlich für ihn. Doch er brauchte diese Art von Spannungslösung, um seinem Gegenüber nachher wieder vollkommen gelassen und emotionslos gegenübertreten zu können.

Aya lehnte seine Stirn an die kühlen Wandkacheln und schloss für einen Moment die Augen. Jetzt, im Nachhinein wusste er zwar noch, was ihn dazu getrieben hatte, konnte es aber nicht mehr nachvollziehen. Es schien als hätte Ran wieder die Kontrolle über seinen Geist erlangt und vernichtete jegliche Aggression dem Schwarz gegenüber, die zu einem erneuten Übergriff geführt hätte.

Du bist zu weich, Ran. Das wird dich umbringen, flüsterte er in Gedanken seinem Ich zu. Das oder deine Feinde, die sich gegen dich erheben.

Seiner weichen Natur widersprechend, machte eben dieser naive Teil von ihm selbst ihm nun Vorwürfe, wie er sich zu solch einer Tat hatte hinreißen lassen können, wie er sich auf eine Stufe mit Lasgo hatte stellen können.

Der rothaarige Assassin rutschte langsam an der beschlagenen Wand hinunter, bis er auf dem Boden der Dusche kauerte. Wie sollte er es seinen Teamkollegen erklären, wie nur? Omi....Youji....Ken....? Natürlich, Perser, Manx und Birman würden sich freuen, er hatte ein Schwarzmitglied überwältigen können. Aber was war mit den anderen, die ihm vertrauten? Die wie er für das Gute eintraten, für die Hoffnung, den Frieden der Welt.

Natürlich aus rein egoistischen Motiven.

Doch musste er es ihnen überhaupt erklären? Konnte er nicht einfach verschweigen, was er hier getan, wen er hier getroffen hatte? Sich ausschweigen, wie immer? Youjis frivole Kommentare ignorieren, Omis betroffene Fragen ebenso, Kens kumpelhafte Anmerkungen links liegen lassen?

Ja, so würde er es machen.

Doch bis es soweit war, musste er noch einen Tag mit seinem Geschenk verbringen, noch etwas mehr als vierundzwanzig Stunden. Und das würde er auch schaffen!

Mit einem weiteren Seufzen stand er auf und stieg aus der Seeligkeit der warmen Dusche, um sich selbst trocken zu rubbeln und sich anzukleiden, damit er dem anderen Mann erneut unter die Augen treten konnte, dieses Mal als die gewohnte, eiskalte Persönlichkeit.

Außen wie innen mit apathischer Ruhe erfüllt, suchte er nach dem gestern achtlos weggelegten Schlüssel, fand ihn schließlich im Wohnzimmer und wollte sich darauf in den kleinen Raum begeben, als ihm auffiel, dass der Blumenkohl immer noch vor sich hin köchelte. Mit einer entschlossenen Bewegung fischte er den Topf vom Herd und setzte ihn unsanft zu der verbrannten Pfanne in die Spüle.

Ungenießbar.

Aya wandte sich ab und wanderte mit störrischer Entschlossenheit ins Schlafzimmer, wo er mit einem abgewandten Crawford konfrontiert wurde, der nicht ihm, sondern den Geschehnissen außerhalb des Fensters Aufmerksamkeit schenkte und noch nicht einmal zusammenzuckte, als er nun geräuschvoll an das Bett trat.

Erst als der rothaarige Mann die Handgelenke seines Gegenübers in die eigenen Hände nahm und die eisernen Reifen löste, begegneten ihm braune, ruhig-emotionslose Augen, die direkt durch ihn und seine lethargische Fassade zu sehen schienen.

Jetzt, im Nachhall seines unüberdachten Handelns, bemerkte Aya die roten, wütenden Spuren seines anderen Ichs. Er war sich sicher, dass dem Amerikaner nun nicht nur die Schürfwunde an seinem linken Wangenknochen bleiben würde, sondern dass sich auch noch weitere Hämatome am Kinn und der rechten Gesichtshälfte bilden würden.

Er rettet mir das Leben und wie danke ich ihm dafür? Mit Schlägen und einer versuchten Vergewaltigung, schoss es Aya plötzlich durch den Kopf, doch er schüttelte den Gedanken sogleich wieder ab. Er hatte dem Amerikaner nichts zu danken, war ihm nichts schuldig.

Ganz im Gegenteil.

Nicht mehr an das Bett gefesselt, richtete sich eben dieser Mann auf und rieb sich die schmerzenden Ringe an seinen Handgelenken, in denen sich der Stahl unbarmherzig in seine obere Haut geschnitten hatte. Es blutete nicht, natürlich, doch die dünnen Schutzschichten vor äußeren Einflüssen waren irritiert und taten dies mit einem protestierenden Jucken Kund.

Aya sah, dass Crawford offensichtliche Schmerzen hatte, ließ sich jedoch nichts anmerken und verließ den gemeinsamen Raum, um sich ein weiteres Mal in die Küche zu begeben und dort lautstark Brot zu schneiden und sich Nahrung zuzubereiten, ohne dass er Gefahr lief, sich selbst und seine Umgebung zu töten.

"Versuchst du es nochmal, Aya? Dich umzubringen?", durchschnitt die männlich-kalte Stimme Crawfords die sprachlose Stille und ließ den jüngeren Mann für einen Moment zusammenfahren.

Woher nahm das Orakel den Mut dazu, ihm noch einmal unter die Augen zu treten, ihn auch jetzt noch zu provozieren?

Die Hand, welche sich nun neben seiner auf den Griff des Brotmessers legte, war bedacht darauf, keinen Hautkontakt zuzulassen, jedoch seine Aufmerksamkeit zu erringen. Und die hatte der Schwarz, das konnte Aya mit vollstem Verstand bejahen.

"Raus, Schwarz. Ich will dich nicht sehen!", fauchte er hasserfüllt und erwiderte den ruhigen, braunen Blick der gegnerischen Augen mit einer Intensität, die jeden das Fürchten gelehrt hätte. Doch nicht Brad Crawford, den Mann, der jeden im Griff hatte. Der ohne mit der Wimper zu zucken einem Menschen befehlen konnte, sich umzubringen und hundertprozentig mit dem Gehorsam der betreffenden Person rechnen konnte.

"Nein, Fujimiya."

Alleine diese schlichte Weigerung ließ Ayas Wut um ein Vielfaches anschwellen, bis er sich nun vollkommen dem Schwarz gegenüberstellte und mit einem Ruck das Messer wegzog.

"Willst du es noch einmal heraufbeschwören, Crawford? Hast du NOCH nicht genug?", fragte er gefährlich leise und erkannte mit Hass, dass sich ein Lächeln auf den Lippen seines Gegenübers bildete.

"Wieso nicht? Vielleicht hat es mir ja doch gefallen?"

Bevor Aya auch nur in irgendeiner Weise auf den Kommentar reagieren konnte, ergriff Crawford in einer raschen, schon beinahe unmenschlich schnellen Bewegung das Messer aus der Hand des Weißassassins und trieb es abrupt in den Laib Brot, seinem Gegenüber erzürnt in die Augen blickend.

"Genauso wie es mir damals vielleicht auch gefallen hat, diesen schmutzigen Auftrag zu erledigen und die Menschen zu töten, die unserem kleinen Geheimnis auf die Spur gekommen waren. Die herausgefunden hatten, dass wir unsere dreckigen Drogengeschäfte über ihre Firma haben laufen lassen."

Die schlanke Hand samt Messer erhob sich erneut, stach noch einmal zu.

"Wer weiß...vielleicht gefällt es mir ja, mit Drogen zu handeln, mich mit all den niederen Existenzen abzugeben, deren Dasein bedauerlich und überflüssig ist!"

Die braunen Augen verengten sich zu Schlitzen, als Crawford ein drittes Mal ohne Rücksicht zulangte, nun den Blick ausschließlich auf das Nahrungsmittel vor sich fixiert.

"Und wer weiß.....vielleicht bin ich ja sogar mit Takatori einer Meinung, was das Töten angeht!"

Damit schleuderte er das Messer in einer ruckartigen Bewegung weit von sich an die gegenüberliegende Wand, wo es laut klatternd abprallte und zu Boden ging. Doch Crawford würdigte den Gegenstand keines Blickes, sondern starrte in den abweisenden, verständnislosen Blick des rothaarigen Assassins.

"Was wir wissen, ist ein Tropfen. Und was wir NICHT wissen, Ran Fujimiya, ist ein Ozean. Du weißt so vieles nicht und urteilst ohne Fragen. Du fühlst dich so selbstgerecht als weißer Jäger, der für die Gerechtigkeit kämpft. Und dennoch.....was sind DEINE Motive? Deine und die deiner Teamkollegen? Rache, Verzweiflung, Selbstbestätigung! Ihr macht das doch nicht für das Gute in der Welt, nein. Für euch und eure Befriedigung tötet ihr! Und seid damit keinen Deut besser als wir!

Sieh DICH doch mal an! Du tötest im Namen deiner Schwester, um deine Familie zurückzuerlangen, die du nie wieder sehen wirst! Du willst unter allen Umständen verhindern, dass man sie dir wegnimmt, doch TIEF in deinem Inneren weißt du, dass sie nie wieder aufwachen wird!! Gib es zu, Aya, du willst nicht SIE, sondern deine Familie zurück, schaffst es nicht und betäubst dich, indem du Menschen tötest!

Du wirfst mir vor, Menschen zu töten, Frauen zu Witwen zu machen, Kinder zu Waisen. JA! Das mache ich und ich GEBE ES ZU! Doch was machst du? Das Gleiche wie ich! Weißt du, WIE VIELE deiner Opfer unschuldig waren und nur sterben mussten, weil sie Perser ungelegen waren? WEIßT DU DAS?"

Für einen Moment herrschte atemlose Stille, für einen Moment konnte Aya sein Gegenüber nur wortlos anstarren und versuchen, die Worte, welche sein Gehirn so eben aufgenommen hatte, zu verwerten.

Er...würde nicht für das Gute kämpfen? Nicht für Hoffnung von Unschuldigen? Vielmehr....er würde eben diese Menschen töten, genauso wie er sich Verbrechern entledigte?

Das war gelogen!!

Ja, er hatte aufgrund des Todes seiner Familie mit dem Morden angefangen! Aber....

"Wage es nicht, unsere Taten zu vergleichen, Schwarz! Ich töte nicht aus LUST! Ich töte der Gerechtigkeit willen!", erwiderte er zischend und ballte die Hände zu verkrampften, angespannten Fäusten, die sich gegen seine Seiten pressten.

"DU tötest, weil du dich selbst abstumpfen willst, um nicht mehr ein normales Leben führen zu können! Das ist es! Du hast ANGST, dass du ohne deine Familie nicht leben kannst! Werd endlich erwachsen, Fujimiya und übernimm Verantwortung! Es ist herrlich einfach, seinen Unterhalt von einer Gruppe von Auftraggebern zu kassieren, die dir keine Entscheidungsfreiheit lassen, ob du den Auftrag annimmst oder nicht, nicht wahr? Es nimmt dir dein selbstständiges Denken!

"SCHWACHSINN!", donnerte Aya nun vollkommen außer sich und langte mit einem Mal nach Crawford, um ihm die Worte aus dem Gesicht zu schlagen, worauf der ältere Mann jedoch bestens vorbereitet war, den hervorschnellenden Arm seines Gegenübers abfing und ihn mit einer geschickten Bewegung auf den Rücken drehte. Seinen Feind abrupt an sich pressend, erläuterte er wie selbstverständlich, als wenn es nicht um ihre Daseinsberechtigung ginge:

"Es ist kein Schwachsinn, Ran und das weißt du! Du willst es dir selbst nicht eingestehen, doch du WEIßT es! Eben weil es offensichtlich ist! Und was macht Perser? Er spielt mit dir und deinen Teamkollegen! Nutzt euch aus für seine persönlichen Geschäfte! Und du siehst das nicht, du siehst nur uns, Schwarz und Takatori, weil wir die perfekten Sündenböcke für dich sind, an denen du dich rächen willst! Doch so sehr Aya sich das auch wünscht, Ran will es nicht! Der gute, naive Ran, richtig? Der Junge, der damals hätte sterben sollen, hätte Schuldig nicht Mitleid gehabt, hätte er sich nicht einen Spaß daraus gemacht, dich leiden zu sehen.

JA, wir haben deine Familie getötet, wir haben wieder und wieder versucht, deine Schwester zu entführen um dich und damit Weiß zu erpressen. Das ist alles wahr! Doch es gibt GRÜNDE dafür, Ran, die du nicht einmal in Ansätzen hinterfragst!"

"Nein! Nimm deine Finger von mir! Das stimmt nicht, du lügst, das ist nicht wahr! Es gibt keine anderen Gründe außer eurer pervertierten Lust am Leiden anderer!"

Anstelle der rasenden Wut machte sich nun eine andere Emotion in Ayas Herz bemerkbar. Trauer und damit gehend tiefe Verzweiflung, zwei Gefühle, die er eigentlich schon längst begraben hatte. Von denen er dachte, sie seien begraben.

Er spürte den warmen Körper des älteren Mannes in seinem Rücken, den stechenden Schmerz, der durch seinen gewaltsam verbogenen Arm verursacht wurde, den raschen Atem des Schwarz, seinen eigenen, heftigen Herzschlag.

Das war doch alles erlogen, was das Orakel ihm an den Kopf warf! Nichts davon war wahr! Keine einzige Silbe! KEINE!

Und dennoch....warum konnte er die Vorwürfe nicht entkräften?

Wahrscheinlich war es genau der Zorn auf seine Unfähigkeit, der ihn antrieb, sich ohne Rücksicht auf seinen Arm gegen den anderen Mann zu wehren, gegen ihn zu kämpfen und mit Erschrecken feststellen zu müssen, dass dieser trotz der Ereignisse der letzten Tage stärker war als er. Mit Furcht feststellen zu müssen, dass Crawford ihn nun Richtung Wohnzimmer mitzog, sicheren Schrittes auf den Sessel zusteuerte, ihn versuchte, darauf zu zwängen.

Jeder Versuch, sich von seinem Gegenüber zu befreien, scheiterte kläglich, bis es selbst Crawford zuviel wurde und er seinen Gegenspieler zu Boden stieß.

"SCHLUSS JETZT!"

Und in der Tat schwang in diesen simplen zwei Worten soviel Autorität mit, dass sie selbst Aya für einen Moment dazu brachten, inne zu halten und sein Gegenüber hasserfüllt anzustarren. Doch alles, was Crawford ihm entgegenbrachte, war ein ruhiger, dominanter, keinen Widerspruch zulassender Blick, der ihn alleine schon aufgrund dieser Mischung an Ort und Stelle hielt.

Ohne seinen Blick von ihm zu wenden trat das Orakel ein paar Schritte zurück, wühlte blind in dem großen Bücherregal und fand schließlich, wonach er gesucht hatte. Eine Waffe.

Oder besser: Ayas Waffe, die ihm Lasgo bei seiner Ankunft geschenkt hatte. Sie war geladen und entsichert.

"Setz dich", befahl Crawford noch immer ruhig und deutete auf den Sessel am Fenster.

Aya rührte sich nicht von der Stelle. Er hatte keinen Grund, dem älteren Mann zu gehorchen, außer vielleicht der Drohung durch die Waffe in der rechten Hand des Orakels. Die dieser nun auch einzusetzen wusste. Mit zwei sicheren Schritten war er bei seinem Feind und hielt ihm den Lauf direkt an die Stirn.

"Ich sagte: Setz. Dich", wiederholte der Teamleader von Schwarz eiskalt und ohne einen Funken von Gefühl in der Stimme, was Aya Schauer des Horrors über den Rücken trieb. Er wollte um nichts in der Welt Crawford gehorchen, wollte nicht seine Würde und seinen Stolz verlieren, nur weil er in den Lauf einer Waffe blickte.

"So ein störrisches Kind.....", murmelte das Orakel in die darauffolgende stille Bewegungslosigkeit, lächelte dann beinahe nachsichtig, um Aya anschließend mit einer ruckartig-schmerzhaften Bewegung hoch und in den Sessel zu ziehen.

"Da es anscheinend nicht anders geht.....kommen wir so zur Sache. Du glaubst tatsächlich, dass du für eine gute Sache kämpfst, ja? Für das Weiße in der Welt? Lass dir gesagt sein, du irrst dich, schon seit dem Tag, an dem du Birman in den Blumenladen gefolgt bist. Weiß ist nicht dazu da, Richter über Verbrecher zu spielen, sie sind vielmehr dazu erschaffen worden, alle Perser lästig geworden Personen zu eliminieren. Das Datenmaterial, welches ihr zugespielt bekommt, mithilfe dessen euer Jüngster die Missionen zusammenstellt, ist manipuliert. Soll ich dir aufzählen, wie viele der Menschen unschuldig sterben mussten, nur weil Perser sie loswerden wollte?"

"Natürlich Schwarz, ich glaube dir jedes Wort!", zischte Aya als Antwort und starrte den älteren Mann feindselig an.

"Du vergisst, dass wir einen Telepathen im Team haben, Ran."

Trotzdem war es gelogen! Ein Versuch, ihn von Weiß zu trennen und zu schwächen. Um die gesamte Organisation zu schwächen.

"Und du selbst Ran", nahm Crawford das Gespräch erneut auf. "...belügst dich, damit du dir nicht um eventuelle Konsequenzen Gedanken machen musst. Du wagst noch nicht einmal, ihre Motive zu hinterfragen, Hauptsache, du kannst dich rächen. Und du denkst, du kannst dich auf eine höhere Stufe stellen als Schwarz? Du bist nicht besser, Ran Fujimiya! So nicht! Nicht, wenn du tötest und andere zu deinem Feindbild machst, die auch nur ihren Job erledigen!"

"Ihren Job erledigen....", äffte Aya sein Gegenüber gehässig nach. "Meinst du, ich würde euch nicht kennen? Berserker, nehmen wir Berserker. Sag bloß, er erledigt nur seinen Job? Wie denn, indem er unschuldige Menschen abschlachtet? Oder Schuldig. Du sagtest, er hatte Mitleid mit mir, als er mich verschont hat. Was ist mit meiner Schwester? Mit den anderen Menschen, die er leiden lässt? Meinst du, ich wüsste nichts von den Entführungsopfern, die ihr Leben lang als leere Hülle verbringen, sind sie erst einmal aus euren Händen befreit? Meinst du, ich WÜSSTE nicht, was ihr ihnen antut? Wie ihr sie im Auftrag Takatoris zurichtet? NUN? Willst du mir immer noch weismachen, dass ihr nur euren JOB erledigt?"

"Das ist das, was euch gesagt wurde. Fehlinformationen, Ran, es sind Fehlinformationen. Ich gebe es offen zu, das Töten ist eine Lust, die kein Mitglied von Schwarz nicht in sich hat, außer unserem Telekineten vielleicht. Für Schuldig ist Töten Stressabbau, für Farfarello ebenso. Sie brauchen es, um nicht von sich selbst überrannt zu werden. Glaube es oder auch nicht, sie suchen sich dafür Verbrecher. Schuldig, weil er ihre dunklen Gedanken in sich aufnehmen kann und somit seinem eigenen, ganz persönlichen Höhepunkt entgegenstrebt, Farfarello, weil er wieder eine Seele nehmen konnte, die Gott versucht hat zu retten. Es sind keine edlen Motive, es ist reiner Eigennutz, aus dem sie handeln. "

Aya lachte bitter auf. Natürlich.....Crawford konnte ihm vieles erzählen, konnte versuchen, ihn zu überzeugen, doch er würde ihm nicht glauben, niemals.

"Und warum musste dann meine Familie sterben?", fauchte er außer sich, seinen inneren Zweifeln Stimme gebend.

"Weil es ein Auftrag war. Du weißt ganz genau, was ein Auftrag bedeutet, Fujimiya. Tötet oder sterbt! Das war das Erste, was uns gesagt wurde, als wir für Takatori rekrutiert worden sind. Das dürfte dir bekannt vorkommen, oder? Konntest du dich je einem Auftrag widersetzen? Wie war das mit dem Jungen, den ihr erledigen solltet? Waren das Zweifel, die dich haben innehalten lassen? War es Menschlichkeit? War es Ran? Es ist auch egal, was es war, Tatsache ist, dass Manx dich erschossen hätte, wäre der Junge nicht gestorben. Birman hat euch erzählt, er handle mit Drogen und Waffen, die er an Terroristen verkaufe. Es war gelogen. Er wusste zuviel. In Wirklichkeit war er einer von Persers Agenten, die er loswerden wollte."

Ayas Gesichtszüge erhärteten sich noch mehr, als es jetzt schon der Fall war. Das war keine Begründung! Nein....seine Familie musste gerächt werden!

"Hat es wenigstens Spaß gemacht, meine Familie zu ermorden?", fragte er mit direktem Blick in die Augen seines Gegenübers. Lange würde er nicht mehr standhalten können, bevor die Trauer über den Verlust seiner Liebsten ihn übermannte, wie es so oft geschah.

"Nein. Es war ein Auftrag, den wir nicht ablehnen konnten. Ich töte nicht gerne auf solch feige Art, vor allen Dingen nicht Menschen, die keine Schuld auf sich geladen haben. Das hat nichts mit Gerechtigkeitsfindung zu tun, Fujimiya, keine Sorge, sondern ganz einfach nur damit, dass ich es liebe, einem dunklen, verrotteten Menschen die Lebenskraft zu nehmen, zu sehen, wie ein ruchloser Mensch leidet und schließlich seinem Leid erliegt. Wenn du so willst, verachte ich gute Menschen."

Aya antwortete nicht. Er musste sagen, die Antwort überraschte ihn. Wieso stand der ältere Assassin nicht dazu, wenn er tötete? Was für einen Grund hatte er, seine Taten zu verneinen? Das sonst so ruchlos scheinende Orakel? Alles nur, um ihn von Perser zu entfremden? Doch da würde das Orakel scheitern....kläglich scheitern.

Und dennoch hatte das Gespräch in ihm etwas aufgewühlt, was sich nun nicht mehr besänftigen ließ. Die Frage, warum er tötete und wie er das nur konnte. Er wusste selbst, dass die Reden von Birman und Manx von Gerechtigkeit und Licht in dieser Welt nicht zutrafen, auf keinen von ihnen. Doch....vielleicht auf Omi. Aber sonst niemanden.

Aya beschloss, eben diese Gedanken fallen zu lassen, da sie zu nichts führten und ihn nur unnötig verwirrten. Besser, wenn er einfach da weitermachte, wo er vor dieser Mission stehen geblieben war. Seiner jetzigen Lebensaufgabe, die er für Aya erledigte und ihre Gesundheit. Die er ohne zu leben erledigte.

"Du bist wie deine Schwester, Fujimiya. Leblos, ohne zusammenhängende und eigenständige Gedanken. Nur während sie bewusstlos im Krankenhaus liegt, bewegst du dich. Ansonsten gibt es keinen Unterschied."

Für einen Moment setzte Ayas Herzschlag aus, als er diesen ungeheuren Vorwurf aus dem Mund des älteren Mannes hörte. Eine leere Hülle? Wie seine Schwester? Keine eigenständigen Gedanken?

Der rothaarige Assassin war zu geschockt, um in irgendeiner Weise auf diese Beleidigung zu reagieren. Wie....was befähigte diesen Mann, so mit ihm zu sprechen, ihm so etwas an den Kopf zu werfen?

Ayas Augen weiteten sich unmerklich, als er den ruhigen Blick des Orakels erwiderte. Er konnte nicht hierbleiben! Nicht in der Gegenwart des Schwarz, ohne dass noch etwas Schlimmeres geschah, als schon passiert war! Raus, er musste raus, in die Einsamkeit, zu sich selbst, zu seinen Gedanken, der Konzentration auf sein Ziel, die er innerhalb von 36 Stunden mehr als einmal verloren hatte.

Ohne ein Wort an sein Gegenüber zu richten, stand er ruckartig auf und hastete erfolgreich an Crawford vorbei in die Freiheit des warmen Herbsttages. Die Apartmenttür laut hinter sich zuschlagend, vollzog er eine räumliche und geistige Trennung zwischen sich und dem Schwarz, erleichtert darüber, dem durchdringenden Blick der braunen Augen nicht mehr stand halten zu müssen.

Nicht, dass er es noch einen Moment länger gekonnt hätte.

~~**~~

by Coco