Weiss Kreuz Fan Fiction ❯ Drei Tage, drei Nächte ❯ Der zweite Tag ( Chapter 2 )
Es war nicht der Wecker, welcher ihn aus seinem Schlaf holte, sondern ganz simpel die unmögliche Position, in der er sich zum Schlafen begeben hatte. Oder vielmehr, in der ihn die Müdigkeit übermannt hatte, wie Aya nun bemerkte.
Es war früh morgens...vielleicht vier Uhr. Die Sonne war noch längst nicht aufgegangen, doch war es spürbar Morgen geworden. Einige der Vögel sangen bereits, der Geräuschpegel des Geländes war angestiegen.
Seine Glieder schmerzten, während sein linker Arm völlig taub war. Eingeschlafen. Er hatte sich wohl im Schlaf zu sehr darauf gestützt.
Sich das gefühllose Körperteil rubbelnd stand der rothaarige Mann ächzend auf, war sich wieder einmal bewusst, dass er sich weitaus älter fühlte als er in Wirklichkeit war. Er warf einen Blick auf die ruhelose Gestalt, welche sich fiebrig hin und her bewegte.
Er wandte sich ab. Er war zu einem Kompromiss für sich selbst gekommen. Solange die Frist noch nicht abgelaufen war, würde er seinem Feind aus dem Weg gehen. Das war nicht so schwer, wie er erst gedacht hatte. Er hatte noch genug zu tun, um den ganzen Tag sein Apartment nicht betreten zu müssen. Und diese eine Nacht würde er dann auch noch überstehen.
Aya wankte in die kleine, luxuriöse Küche und schüttete gähnend Wasser für mindestens vier Tassen in die Ein-Personen-Kaffeemaschine, welche nun murrend und gurgelnd ihren Dienst aufnahm. Er konnte sowieso nicht schlafen, wieso sollte er dann noch versuchen, es sich auf der Wohnzimmercouch bequem zu machen?
"Schlaflose Nacht gehabt, Fujimiya?", tönte es da spöttisch von der Tür und Aya zuckte innerlich wie äußerlich zusammen. Wie konnte der Mann sich nur so lautlos anschleichen, wenn doch alle seine Sinne auf Hochbetrieb liefen?
Dann wiederum tönte die Kaffeemaschine so laut, dass er darin eine willkommene Entschuldigung für seinen Mangel an Aufmerksamkeit fand.
"Ich war anscheinend nicht der Einzige, Orakel", gab Aya kalt zurück und stieß unwirsch Luft aus. "Allerdings war ICH nicht derjenige, der sich mit Albträumen gequält hat."
"Ich fühle mich geehrt, dass du mich so genau beobachtest, Kätzchen", lächelte Crawford und lehnte sich lasziv an den Türrahmen. Hier, so schoss es Aya plötzlich durch den Kopf, im harten Licht der Oberbeleuchtung sah er so ganz anders aus als im weichen, mystifizierendem Mondlicht.
Nun sah man die deutlichen Spuren der Misshandlung auch als das, was sie waren. Grausam. Abscheulich. Crawford sah schrecklich aus. Die Haare wild in seinem Gesicht, in einigen Haarsträhnen Überreste von Blut und....anderen Körperflüssigkeiten. Die Augen blutunterlaufen und rotgerändert, mit tiefdunklen Schatten unter müden, schwarzen Seen des Spotts. Die Abschürfung am linken Wangenknochen begann langsam, sich mit bläulichen Hämatomen zu umgeben, die das Gesicht des Amerikaners noch mehr aushöhlten.
"Vielleicht nehme ich meine Rache daraus, dir zuzusehen wie du leidest", schüttelte Aya all diese Eindrücke ab und widmete sich mit plötzlicher Intensität seiner Kaffeemaschine, die in letzten, gequälten Tönen die schwarze Flüssigkeit ausspuckte und schließlich mit einem zufriedenen Seufzen den Dienst quittierte.
Er wandte sich zu einer der bäuerlich anmutenden Anrichten, wo er zwei Tassen ergriff und sich schließlich wieder zu seinem Feind umdrehte, der ihn nun mit einem merkwürdig ruhigen Gesichtsausdruck fixierte. Nichts war darin zu lesen, rein gar nichts. Keine Wut, kein Spott, nichts das Geringste.
"Und was, wenn ich nicht leide?"
Aya sah überrascht auf. Ja, was wenn?
Aber nein, die Frage stellte sich nicht, ganz und gar nicht. Die Beweise waren evident. Crawfords verkrampfte Haltung besagte einiges, genauso wie die kleinen, erschreckten Geräusche, die er im Schlaf von sich gab. Vielleicht schaffte er es ja, all die Emotionen zurückzudrängen, wenn er wach, bei Bewusstsein war, doch wenn er schlief war dies nicht der Fall.
Traum ist Wahrheit, schoss es Aya durch den Kopf und er widmete seine vollständige Aufmerksamkeit dem Kaffee, den er nun in beide Tassen goss.
"Milch? Zucker?", ließ er Crawfords Frage vollkommen links liegen, während er nach zwei Löffeln griff.
"Schwarz."
Über die darauffolgende Stille hinweg reicht Aya seinem Feind die Tasse und ging an ihm vorbei ins Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch fallen ließ und das Licht anschaltete, was sich im weichen Kreis ausbreitete, etwas gedämmter als das der Küche.
Er wünschte sich, Crawford würde ihm nicht nachkommen, würde ihn einfach in Ruhe lassen, damit er die ganze Angelegenheit in eine dunkle Ecke seiner Wahrnehmung drängen konnte. Dorthin, wo sich auch seine restlichen Gefühle befanden.
Doch wie es generell so war, wurden seine Wünsche nicht erfüllt. Der Amerikaner setzte sich ihm gegenüber in einen der Ledersessel, schlug die Beine mit einer fast unbemerkten Grimasse des Schmerzes übereinander und stellte den Kaffee auf seinen rechten Oberschenkel.
"Was machst du hier?", fragte er kalt und geschäftlich. Ein befehlsgewohnter Ton, der keinen Widerspruch zuließ und auch keine Verweigerung der Aussage. Und dennoch ließ sich der rothaarige Mann Zeit mit der Antwort. Crawford hatte ihm nichts zu befehlen und war auch nicht in der gegenwärtigen Position, um solche Forderungen stellen zu dürfen.
"Ich verkaufe für Lasgo Drogen."
Crawford lachte. In Ayas Ohren klang es melodisch und warm.
"Aber natürlich, Weiß. Und was machst du wirklich? Deine Familie rächen?"
Auch wenn er es gerne gewollt hätte, ging Aya nicht auf diese offensichtliche Provokation ein, sondern nahm einen großen, langsamen Schluck aus seiner Tasse, um dann noch eine ganze Zeit lang zu warten und zu schweigen, bevor er sich wieder seinem Gegenüber zuwandte und ihn direkt anschaute. Er wusste, dass Crawford ihn nicht scharf konturiert sehen konnte, dank seiner nicht vorhandenen Sehhilfe, und hatte doch das Gefühl, als wäre es anders.
"Die Frage könnte ich dir auch stellen. Was hast du hier verloren? Hat Lasgo plötzlich beschlossen, nicht nur einen Geschäftspartner aus dir zu machen, sondern dich ebenso als Bettwärmer zu missbrauchen?"
-
Aya hielt einen Moment inne, als ihn die Erinnerung an die Sekunden des gestrigen Tages überkam, in denen er seinem Geschenk zum ersten Mal begegnet war, zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnend, dass es Crawford war.
"Ein Auftrag von Takatori. Ich sollte einen seiner ihm lästig gewordenen Geschäftsmänner entfernen, aber wie man sieht, ist mir das nicht gelungen", erwiderte der Amerikaner bitter lächelnd um dann selbst einen großen Schluck zu sich zu nehmen.
Aya erwiderte nichts. Also hatten sie den gleichen Auftrag, nur aus anderen Motiven. Und von anderen Geldgebern.
Und wieder war es für ihn ein kleiner Stich Erleichterung, dass der Mann, der seine Familie auf dem Gewissen, der ihm alles genommen hatte, in Ausübung eines Auftrags so schrecklich behandelt worden war.
Es stimmte. Damals hatte Takatori mit Schwarz seine Drogengeschäfte über die Firma seines Vaters abgewickelt und Crawford schließlich damit beauftragt, seine Familie zu töten. Ein Anschlag, den nur er überlebt hatte. Er und seine Schwester, die nichts weiter war, als eine leere Hülle auf einem viel zu großen Krankenhausbett, eine blasse, geisterhafte Figur.
Aya hoffte schon lange nicht mehr, dass sie aufwachte. Ein kleiner, unbewusster Teil in ihm tat das, ja, aber er selbst nicht mehr. Er selbst würde anstelle seiner Familie, seiner Mutter, seines Vaters, seiner Schwester, weiterleben und Rache üben.
Rache, die im Moment bedeutete, dass er seinem größten Feind, dem Mörder der Personen, die er geliebt hatte, das Leben schenkte, obwohl er ihn mühelos töten konnte.
Mein letzter Funken von Ehre und Menschlichkeit ist dafür verantwortlich, entschied der rothaarige Mann, wusste aber zugleich, dass an dem Moment, in dem sie beide frei waren, in dem dieser Ring gesprengt worden war, es diesen Waffenstillstand nicht mehr geben würde.
"Warum hast du das nicht vorhergesehen?", fragte er unerwartet, als ihm Sekunden vorher genau diese Frage durch den Kopf geschossen war. Ein berechtigter Einwand, da Crawford seinen Beinamen `Orakel
"Weil ich keine Vision hatte", antwortete dieser und wandte seinen Kopf ab, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass Aya eine Schwachstelle getroffen hatte. Die er jedoch zu diesem Augenblick nicht ausnutzte. Zu groß war die Verletzlichkeit, die sein Gegenüber in diesem Moment an den Tag legte.
"Ich kann nicht alles vorhersehen, egal, was eure Wissenschaftler meinen. Ja, wenn du so willst, kannst du das meine Schwachstelle nennen, die normalerweise von Schuldig perfekt ausgefüllt wird...."
...dieses Mal jedoch nicht, beendete Aya den Satz und nickte stumm. Er hatte dem nichts hinzuzufügen.
Ebenso schweigend erhob er sich nun und trat an seinem Feind vorbei in die Küche, um dort die mittlerweile leere Tasse zu deponieren und sich ins Bad zu begeben. Er hatte keine Angst, Crawford dort sitzen zu lassen, wo er jetzt war. Er wusste, dass der Mann weder fliehen noch ihn umbringen wollte. Wenn doch, so hätte er schon einmal die Gelegenheit dazu gehabt.
Aya entledigte sich mit einer fließenden Bewegung seiner klammen Sachen und stieg unter die Dusche, die ihm nach wenigen Sekunden das Vergnügen warmen Wassers gönnte. Gerade, für diesen Moment blockte er alle Gedanken aus, besonders die an den Mann in seinem Wohnzimmer. Er genoss einfach nur, wie das heiße, wohltuende Nass seinen nackten Körper hinunterglitt, seine Muskeln entspannte, seine Müdigkeit vertrieb.
Seine Hände berührten ebenso wie das Wasser seinen Körper, verteilten wohlriechendes Duschgel darauf, wuschen es ab. Aya schloss die Augen und ließ seine Hände noch einmal über seinen Körper und dessen empfindlichere Regionen gleiten, blieb schließlich zwischen dem noch weichen Fleisch zwischen seinen Beinen stehen, massierten es, liebkosten es mit zärtlicher Widmung, bis es sich aufrichtete, bis der Rausch sowohl dort als auch in seinem Gehirn größer und mächtiger wurde, mehr und mehr Adrenalin durch das Blut geschickt wurde, der Rauschzustand näher und näher kam, bis er schließlich in einer gewaltigen Welle erreicht war, sich die Anspannung in Ayas Körper mit einem Ruck löste, sich vor ihm ergoss, ihn mit einem Gefühl vollkommenster Zufriedenheit zurücklassend.
Der Nachhall des Orgasmus ließ den rothaarigen Mann leicht seufzen, ließ ihn sich an die kühlen Fliesen der Wand lehnen. Er konnte im Nachhinein noch nicht einmal sagen, was ihn dazu getrieben hatte, und dennoch war es gut gewesen.
Keine Schuldgefühle, keine Scham, ein kleines Stelldichein mit sich selbst. Ein perfekter Weg um Anspannung und Stress zu lösen.
Nicht mehr und nicht weniger.
Aya stieg entspannt aus der Dusche, um sich auch noch der oberen Region seines Körpers, seinem Gesicht, zu widmen und zog sich darauf ein paar der Sachen an, die er gestern so wahllos hier hatte liegen lassen. Dass sie ihm nun zu gute kommen würde, hatte er gestern mit keinem einzigen Gedanken bedacht.
Er betrat das Wohnzimmer, wo er auf einen spöttisch lächelnden Crawford traf, der unverändert in dem Ledersessel saß und ihm nun den Kopf zuwandte.
"Na....hat es Spaß gemacht? Darf ich fragen, was genau dich so angetörnt hat, dass du es dir selbst besorgen musstest?"
Aya fühlte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. Wie konnte Crawford das wissen? Er hatte doch fast keinen Ton von sich gegeben, und wenn, dann beinahe unhörbar? Wie...?
Vielleicht hatte er es vorausgesehen.
Die Antwort schien logisch, zumal er nicht glaubte, dass das Orakel vor der Badezimmertür stehen und durch das Schlüsselloch schauen würde.
"Genaugenommen warst du es, oder vielmehr dein Bild, wie du nackt vor mir lagst, hilflos, bewusstlos, mir vollkommen ausgeliefert", höhnte er als Antwort, dem Drang nicht widerstehen könnend, dem anderen Mann das Offensichtliche noch einmal vor Augen zu halten. "Weißt du....die Aussicht war einfach großartig, und Lasgos Versprechen ebenso!"
Aya sah die Hand erst, als sie mit seiner Wange in Kontakt kam und ihn mit einer derartigen Wucht zurückwarf, wie er es sich nie hätte träumen lassen. Auch den schlanken, starken Fingern, welche sich nun in einem eisernen Griff um seinen Hals legten, konnte er nicht wirklich entkommen.
Alles, was Aya in diesem Moment bemerkte, war die vollkommen kalte und harte Wand, die sich dicht an seinen Rücken presste und die ebenso klirrende Wut, den unbändigen Zorn in Crawfords dunklen Augen.
Nein. Mehr. Es war Hass. Direkt auf ihn gerichtet.
Die Hände um seinen Hals drückten mehr und mehr zu, ließen ihm nicht einmal mehr Raum, seine Halsmuskeln zu bewegen, nicht einmal mehr nach Luft schnappen oder sprechen konnte er. Es war ein verzweifeltes Gefühl, ein Ringen nach Luft, nach Befreiung, nach Gnade.
"Lass....Crawford......lass los.....", brachte er mit letzter Kraft hervor, nun auch dieser Sauerstoff verloren, er selbst röchelnd, seine Augen geschlossen. Seine Lungen schrieen nach Luft, nach Leben, doch er konnte ihrem Drängen nicht nachgeben.
Seine Hände, die sich viel zu spät um Crawfords schlossen, hatten keine Kraft mehr übrig, um den Mann von sich zu stoßen, konnten nicht mehr als erfolglos über die weiche Haut streichen.
Nicht jetzt.....nicht sterben.....noch nicht......, schoss es Aya panisch und ungewohnt kämpferisch durch den Kopf, als das Brennen in seinem Körper zuviel für ihn wurde, die Krämpfe seiner Lungen sich steigerten und er drohte das Bewusstsein zu verlieren.
Doch bevor das geschehen konnte, wurde er losgelassen. Fallengelassen.
Und das tat er auch. Keuchend und hustend sank er an der Wand hinunter, sich seiner Umgebung überhaupt nicht bewusst. Er lebte! LEBTE! Seine Lungen atmeten! Röchelnd hielt Aya sich seinen Hals, als er zu seinem Gegenüber aufsah, dem Mann, der ihn hätte töten können. Der es nicht getan hatte.
Der Mann, der nun auf seine eigenen Hände starrte, offensichtlich erstaunt darüber, was er gerade getan hatte. Dessen Blick schließlich wieder zu ihm glitt, voll von Unverständnis und Wut.
Aya wollte etwas sagen, irgendetwas, nur um die tödliche Stille zu durchbrechen, zu beweisen, dass er noch genug Kraft hatte, seine Stimme zu gebrauchen, doch sein eigener Körper wurde ihm zum Verräter.
Er hatte eben diese Kraft nicht, zu sehr nagte der Schock an ihm.
Er hörte und sah gleichzeitig durch sein begrenztes Sichtfeld, wie sich der andere Mann entfernte und ins Wohnzimmer zurückkehrte, wo er die Tür mit einem lauten Knall schloss, der Aya zusammenzucken ließ.
Der rothaarige Mann zitterte. Er konnte Crawford noch nicht einmal vorwerfen, ihn angegriffen zu haben. Angesichts seiner Provokation war das durchaus verständlich gewesen. Doch warum musste Crawford auch fragen?
Alle Entspannung, die er vor ein paar Momenten vielleicht noch gefühlt haben mochte, war mit einem Male verschwunden und an ihrer Stelle war eine ungeheure Wut getreten, die sich einzig und alleine auf ihn selbst bezog, den rothaarigen, kalten Assassin.
Soviel zum Thema, den anderen Mann nicht zu beachten, um sich die gemeinsame Zeit nicht noch schwerer zu machen. Aya kämpfte sich in die Höhe und hielt sich seinen schmerzenden Hals. Ohne dass er es wahrnahm, trugen ihn seine Beine zum Wohnzimmer, während seine Hände die Tür öffneten.
Er trat ein und fand Crawford, wie er, mit dem Rücken zu ihm, am Fenster stand und in den dunklen Morgen hinausstarrte. Nur dieses eine Mal....es hatte nichts zu bedeuten....nur dieses eine Mal....
Aya räusperte sich, wollte etwas sagen, wollte irgendwie die Stille durchbrechen, doch schließlich schwieg er. Konnte es nicht.
Vielleicht wartete er auch darauf, dass sein Gegenüber ihm etwas an den Kopf warf, irgendeine Provokation vielleicht, irgendetwas. Eine Entschuldigung.
Doch es kam nichts, kein Ton. Der ältere Mann ignorierte ihn, die Arme leicht um sich geschlungen, die ganze Gestalt starr und leblos.
Aya wartete noch einen Moment, dann wandte sich der rothaarige Mann um und verließ das Zimmer, um sich überall dorthin zu begeben, wo er seinem Geschenk nicht begegnen musste.
~~**~~
Sein Hals schmerzte, ebenso seine Wange, wenn er über die mittlerweile dunkle Haut strich. Er hatte nicht gewusst, wie stark Crawford zugeschlagen hatte, bis Lasgo ihn mit einem Lächeln
darauf aufmerksam machte, dass sein Geschenk wohl ungehorsam gewesen sei.
Und so sehr Aya es auch hasste, so viel Genugtuung hatte es ihm verschafft, mit einem bösartigen Lächeln diese Frage zu verneinen und sich in zweideutigen Andeutungen zu ergehen, die der Drogenhändler mit einem warmen Lachen quittierte.
"Ich beneide dich jetzt schon um die gemeinsame Zeit, die ihr zusammen verbringt", hatte Lasgo ihm lasziv ins Ohr geflüstert, was Aya dazu brachte, ihn innerlich ironisch darauf hinzuweisen, dass die Zeit weder schön noch erotisch war.
Wie würde Lasgo wohl reagieren, wenn er ihm aus heiterem Himmel erklären würde, dass sein Geschenk Bradley Crawford war, ein Auftragsmörder, der eine Gruppe von außergewöhnlich begabten und ebenso gefährlich wie wahnsinnigen Menschen befehligte, die im Auftrag Takatoris Unschuldige umbrachten.
Und dass er besagten Mann schon kannte. Ihn mehr als jeden anderen Menschen auf der Welt tot sehen wollte, jedoch verschont hatte.
Mittlerweile war es Mittag, normalerweise der Zeitpunkt, an dem er sich in sein Apartment zurückzog und all die Informationen, die er gesammelt hatte, noch einmal auf sich wirken ließ und sie verwertete. Doch diesen Gedanken konnte er heute getrost verwerfen, denn in Crawfords Nähe war es ihm unmöglich, sich auf das zu konzentrieren, was noch vor ihm lag.
Und so half er dem niederen Volk - den Straßenverkäufern - beim Einladen und Verpacken der Ware, um sich ein wenig nach Gerüchten und Halbwahrheiten umzuhören, in denen doch immer ein Körnchen Wahrheit steckte.
Fakt war allerdings leider, dass keiner der Anwesenden je diesen ominösen und sehr einflussreichen Mittelsmann gesehen hatte. Jeder kannte ihn vom Namen her, sicherlich. Vom falschen, nichts sagenden Namen. Doch niemand wusste, wie dieser Mann aussah. Ein wirklicher Nachteil für Aya, den er nur zu lösen wusste, indem er den ganzen Ring sprengte.
Nicht, dass es nicht jeder der hier Anwesenden es verdient hätte, bestraft zu werden....
Natürlich hatte Lasgo ihn in den vergangenen drei Wochen noch nicht derart in sein Vertrauen gezogen, dass er ihm einen seiner wichtigsten Hintermänner vorstellte und das noch persönlich. Aber Aya hoffte, dass er morgen den älteren Mann genug beschatten konnte, um schließlich zum Treffpunkt der Beiden geführt zu werden.
Seine Gedanken wurden durch ein lautes, verstörtes Geräusch durchbrochen, dass er erst nach ein paar Sekunden als seinen eigenen Magen identifizieren konnte, der ihm freundlich, jedoch bestimmt mitteilte, dass er vor mindestens zwölf Stunden die letzte Mahlzeit eingenommen hatte und dass er es nun für angebracht hielt, eben diesen Vorgang zu wiederholen.
"Vielleicht solltest du etwas essen gehen, mein Mann mit dem Mädchennamen", flüsterte ihm eine sanfte, männliche Stimme vertraulich ins Ohr und Aya zuckte zusammen. Er hatte seinen derzeitigen Auftraggeber nicht kommen hören, ganz und gar nicht.
"Willst du mir damit etwas Bestimmtes sagen, Lasgo?", erwiderte Aya spöttisch, selbst überrascht, dass er eines solchen Wechsels fähig war.
"Nur, dass ich dir den Rest des Tages freigebe, damit du deinen Hunger stillen kannst, auf welchem Wege auch immer", lächelte der andere Mann kryptisch und drehte sich ohne einen weiteren Kommentar von ihm weg um dann mit leichten, beschwingten Schritten in Richtung Hauptgebäude zu gehen.
Auf welchem Wege auch immer....?
Aya dämmerte es langsam, wie Lasgo das gemeint hatte und dass der freundliche Vorschlag von gerade keinesfalls einer gewesen war. Nein, ganz im Gegenteil. Ein Befehl, eine Forderung, das war es gewesen.
Der rothaarige Assassin schauderte bei dem Gedanken daran, nun schon in seine kleine Wohnung zurückkehren, Crawford begegnen zu müssen. Der Mann, der ihn heute morgen fast umgebracht hatte, der Mann, den er selbst provoziert und gereizt hatte.
Inwiefern traf ihn an dem morgigen Vorfall die Schuld, wie stark hatte sein unüberlegtes und vor allen Dingen unreifes Verhalten seine eigene Gesundheit gefährdet?
Wie hättest du reagiert, wenn man dir so etwas an den Kopf geworfen hätte, kurz nachdem du missbrauchst wurdest? Wie, Ran?, fragte er sich selbst, wusste jedoch keine Antwort darauf. Es war ihm nicht passiert und er würde alles daran setzen, dass er diese Erfahrung auch nie machen musste.
Eine Wahl, die Crawford nicht gehabt hatte.
Sich mit einem leichten Nicken von den Anderen verabschiedend, machte Aya sich auf den Weg zu seinem Apartment. Es war nur noch knapp ein Tag, den er damit verbringen konnte, sich zu sammeln und sich auf seine morgige Mission vorzubereiten. Auf das Blutbad, was jeden der hier Anwesenden töten könnte und würde.
Der rothaarige Mann besah sich während er langsamen Schrittes zu den Quartieren wechselte die farbenfrohe Natur um sich herum. Es war Herbst, ein lauer, sonniger Tag, voll von bunten Blättern, warmen Farben und rauschenden Bäumen, die sich leise im Wind wiegten. Er hatte sie schon gehört, heute Nacht, als er Crawford beobachtet hatte und dabei eingeschlafen war.
Doch sie nun zu sehen, ihre Farbpracht in sich aufzunehmen, verschaffte ihm ein Stück Glück das er nur selten verspürte. Ja, wie lange war es schon her, dass er kurz gelächelt hatte? Nein, dass er RICHTIG gelächelt hatte. Sicher, er hatte mal die Mundwinkel verzogen, als Omi ihn um einen Gefallen gebeten hatte, schüchtern und beinahe ängstlich, anscheinend aus Furcht davor, dass Aya ihm den freien Tag nicht genehmigen würde.
Doch der rothaarige Mann hatte es getan, ohne zu zögern. Omi war noch so jung...so unverdorben. Er verdiente das Leben als Mörder nicht, verdiente nicht die Dunkelheit, in der er zu versinken drohte.
Auch wenn Aya Birman, Manx und Perser mochte, so konnte er es keinem der Drei verzeihen, dass sie einen Minderjährigen darauf ansetzten, Menschen zu töten. Dass sie nicht wussten, welchen Schaden sie der armen Seele damit zufügten. Wie sie ihn zerstörten.
Oder es vielleicht gerade deswegen taten.
Er mochte nicht daran denken. Auch nicht an Ken und Youji. Nicht an den begeisterten Fußballer, der nichts lieber wollte, als Jugendlicher zu sein, sein Leben zu leben, ohne Mord und Weiß. Nicht an den Playboy, der alles andere als oberflächlich war. Die Tätowierung auf seinem Oberarm, die "Sünde", sie zeugte von einem Verbrechen, das der Mann begangen hatte und das ihn verfolgte, quälte, nachts wieder und wieder aus dem Schlaf hoch fahren ließ.
Vielleicht lächelte er aber auch aufgrund des morgigen Blutbades, welches er selbst anrichten würde.
~~**~~
Aya drehte den Schlüssel im Schloss um. Einmal. Zweimal. Dann knackte es leise und gab schließlich seinem Drängen eingelassen zu werden nach. Stille lag vor dem rothaarigen Mann als er sich durch den halbdunklen Korridor bewegte und wünschte, dass Crawford sich wie gestern auch in sein Schlafzimmer zurückgezogen hatte. Dass er ihm nicht noch einmal begegnen müsse.
Doch zuviel gehofft.
Der ältere Mann saß im Wohnzimmer, in einem der Sessel, einen kleinen Gegenstand in seinen Händen, während er vollkommen blind aus dem Fenster starrte, anscheinend nichts um ihn herum wahrnahm, auch nicht seinen Feind, der gerade nach Hause gekommen war.
Bei näherem Hinsehen erkannte Aya schließlich, was genau die schlanken, männlich-starken Hände seines Gegenübers so verkrampft zwischen langen Fingern hielten. Es waren die Handschellen, welche Aya ihm abgenommen hatte, als er noch nicht wusste, wen er vor sich hatte.
Hätte ich es anders gemacht, wenn mir von vornherein bekannt gewesen wäre, dass es sich um das Orakel handelt?, schoss es dem rothaarigen Assassin durch den Kopf, doch er wagte es nicht, dieser Frage nachzugehen. Zumindest nicht jetzt.
Nein, jetzt verbrachte er kostbare Augenblicke damit, seinen Feind zu betrachten, wie dieser scheinbar leblos nichts fixierte, was draußen vor sich ging, sondern tief in seinen Gedanken verweilte, die Hände leicht angespannt, aber noch nicht weiß. Dunkle Augen entbehrten jeglichem Spott, jeglicher Grausamkeit, jeglichem Hohn.
Und zum ersten Mal fragte sich Aya, was hinter diesem gefühllosen Stück Mensch steckte. Was für eine Geschichte er hatte.
Aber wollte er das wirklich wissen? Wollte er nicht Rache üben? War es nicht das, worauf es ankam, wofür er lebte?
Ja.
Die Antwort lautete ja.
Anscheinend hatte er irgendein Geräusch von sich gegeben, denn plötzlich erwachte Crawford aus seiner Starre und fuhr herum, die dunklen Seen für einen Moment in Panik und haltlosem Entsetzen getaucht. Doch dann schien er die Gestalt des Weißassassins zu erkennen und die abrupten Gefühle waren so schnell verschwunden wie sie gekommen waren.
"Der Kater ist zurück....", lächelte er bedächtig und wandte sich wieder dem Fenster zu, dieses Mal vollkommen dem anderen Mann verborgen, der die scharfe Antwort, welche ihm auf der Zunge lag, hinunterschluckte und sich in die Küche begab, erst dort bemerkend, dass sein Geschenk anscheinend geduscht hatte, zumindest den nassen, sauberen Haaren nach zu urteilen.
Ohne sich noch einen weiteren Gedanken an den Mann in seinem Wohnzimmer zu gestatten, wühlte Aya im Kühlschrank und suchte sich verschiedenste Zutaten für sein heutiges Mittagessen. Etwas, das langsam und umständlich zuzubereiten war. Ja, das war eine gute Idee. Frisches Gemüse vielleicht. Bis das gekocht und tafelfertig war, dauerte es eine ganze Zeit. Dazu Fleisch. Was hatte er denn da? Nichts schnell Gebratenes, auf keinen Fall. Filetstreifen, die gingen doch. Und als Beilage? Reis würde passen. Damit würde er lange genug beschäftigt sein, um sich Gedanken über den kommenden Tag machen zu können, ganz in Ruhe, ohne Störung, ohne Crawford.
Aya setzte vollkommen in seine Überlegungen versunken eine Pfanne mit Öl auf und stellte den Herd an, um sich dann einen halben Kopf Blumenkohl vorzunehmen, den er zunächst in kleine Röschen unterteilte und abwusch. Anschließend setzte er einen größeren Topf mit gesalzenem Wasser auf und ließ das Gemüse auf kleiner Flamme langsam kochen.
Er drehte leise das kleine Küchenradio auf, um wie in Trance mit der Musik zu wippen und das Wasser für Reis aufzusetzen, als ihm auffiel, dass es wohl zu wenig war und er große Tasse voll in den Reistopf schüttete.
Es jedenfalls versuchte, denn plötzlich brach die Hölle aus.
Er wurde mit einem Mal jäh zurück gezogen, während eine scharfe Stimme englische Flüche zischte. Aya, der weder mit dem einen noch dem anderen gerechnet hatte, konnte gar nicht reagieren, ließ vollkommen perplex die Tasse los und betrachtete beinahe fasziniert, wie sich ungefähr einen halben Meter vor ihm eine Stichflamme aus der Pfanne erhob, die ihm, wäre er dort stehengeblieben, schlimmste Verbrennungen zugefügt hätte.
Und Crawford, der nun die Pfanne mit einer entschlossenen Bewegung ins Spülbecken schleuderte, wo sie in Ruhe ausbrennen konnte, ohne Brandschäden zu verursachen.
Sein Körper war ihm voraus, als er begann zu zittern, denn allmählich setzte auch der Schock in seinem Gehirn ein, flüsterte ihm verspätet zu, dass diese Unaufmerksamkeit sein Leben hätte kosten können, wäre da nicht.....
Ja, was?
Jetzt erst war Aya fähig, sich umzudrehen, in kalte, braune Augen zu starren, die ihn mit Wut taxierten und durchbohrten. Crawford stand hinter ihm, das Gesicht zu einer zornigen Maske verzogen.
"Was sollte das, Fujimiya? Kannst du nicht aufpassen, was du machst? Bist du denn zu gar nichts fähig?"
Dieses Mal trafen ihn die harten Worte des Schwarz nicht, sie berührten noch nicht einmal die Oberfläche seiner Mauer. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich auszumalen, was geschehen wäre, hätte Crawford ihn nicht weggezogen.
Sein Blick fiel auf die entschlossen-eiserne Hand auf seinem Arm, die ihn wenige Momente zuvor von der vernichtenden Stichflamme weggezogen hatte. Ohne Frage wusste Crawford, was passieren würde, hatte es wahrscheinlich in einer Vision gesehen und dementsprechend gehandelt.
Aber warum?
Aya wollte eben diesen Gedanken laut aussprechen, als der Amerikaner spöttisch schnaubte und ihn verächtlich ansah.
"Na warum wohl, Fujimiya? Glaubst du etwa, mir liegt etwas an DEINEM Leben?"
Langsam aber unaufhörlich kehrte die Selbstbeherrschung zurück, erfüllte ihn mit eiserner Disziplin und Wut, die sich gänzlich auf den großen Amerikaner vor ihm richtete.
Mit einer groben Bewegung riss er sich von Crawford los, stieß ihn unwirsch zur Seite um ans Fenster zu gelangen und es weit aufzureißen. Es roch erbärmlich, der Gestank von verbranntem Fett und anderen, nicht mehr tauglichen Sachen lag in der Luft, überzog ihn nach und nach mit einer hauchdünnen Schicht von Übelkeit. Hatte er vor ein paar Augenblicken noch Hunger gehabt, so war dieser mit einem Male verschwunden und hinterließ den bitteren Geschmack des Schocks.
"Verschwinde, Orakel!", zischte der weiße Assassin ohne sein Gegenüber anzusehen. Das Letzte, was er jetzt konnte, war, dem spöttischen, höhnenden Blick Crawfords zu begegnen. Wenn er doch tun musste....so konnte er in diesem Augenblick für nichts garantieren.
Aya konnte nicht erklären, wieso. Er hatte Youji schon ein paar Mal vor solchen Unfällen gerettet, als der blonde Mann völlig verkatert und betäubt von der letzten, durchgemachten Nacht versucht hatte, für sie zu kochen. Für ihn war das nichts Neues, auch wenn er dieses Mal derjenige gewesen war, dem es passierte. Nein, es war nicht die Pfanne, die ihn in Rage und Wut versetzte.
Es war der Hass auf Crawford, seinen Nemesis, dem Schwarz, der sich wieder und wieder ungefragt ihm näherte, ihn berührte, ihn aus der Bahn warf. Es war die ganze Situation, das Mitleid, welches er empfunden hatte. Wie war es jetzt? Verschwendete er noch einen Gedanken daran, was dem braunhaarigen Mann zugestoßen war? Einen Gedanken des Mitleids?
Nein.
Vielmehr waren es Rachegedanken. Gelüste, sich das zu nehmen, was ihm zustand: der Tod, das Leben des Schwarzassassins. Der Hohn, den Mann leiden zu lassen, die Schadenfreude, dass ihm so etwas passiert war und er nun damit leben musste.
Doch je weiter diese Emotionen in ihm gruben, sich in ihn hineinfraßen, desto eindringlicher warnte ihn seine menschliche Seite davor, dies nicht zu tun. Der Teil in ihm, der noch nicht zum Mörder geworden war, die reine und unschuldige Seele.
Ran.
"Und was, wenn ich dir nicht gehorche, Weiß?", durchschnitt wie so oft die spottdurchtränkte Stimme Crawfords seine Gedanken und ließ hin abrupt herumfahren, sich nun seiner letzten Grenzen entledigend.
Ja, seine Nerven lagen blank, zum Teufel mit seiner Disziplin! Zum Teufel mit der eisernen Maske, die sich wie eine Schutzschicht um sein Gesicht, um seine Gefühle gelegt hatte.
"RAUS!", brüllte er unerwartet heftig, und doch befreiend für den Moment. Er wusste, es würde in einem Desaster enden, konnte es aber nicht verhindern und WOLLTE es auch gar nicht. Er brauchte dieses Ventil und wenn Crawford bereit war, es ihm zu geben, dann würde er es nehmen. Ohne Rücksicht, ohne Gnade, ohne Stolz.
"Nein."
Im Nachhinein erachtete Aya dieses eine Wort als den Auslöser. Im Nachhinein machte er genau diese vier Buchstaben dafür verantwortlich, was danach geschah.
Dafür, dass er mit einem Male herumwirbelte und seinem Gegenüber mit einem gezielten Faustschlag das spöttische Lachen aus dem Gesicht trieb, das Geräusch Haut auf Haut zufrieden belächelnd.
"Noch immer nein, Schwarz?", zischte er mit weitaufgerissenen Augen des Wahns. "Willst du dich mir IMMER noch wiedersetzen, elender Bastard?"
Er bemerkte, wie Crawford sich mit einer Hand den schmerzenden Kiefer hielt, als er sich erneut
aufrichtete und den erzürnten Weißassassin anlächelte.
"Was ist mit deinen Prinzipien, Fujimiya? Mit deiner guten Seite? Mit der Gerechtigkeit, für die du kämpfst?"
Genau das alles hatte er gerade hinter sich gelassen, um den nun schon seit Monaten köchelnden Hass, der Verzweiflung, der Wut, der Trauer und dem Schmerz Stimme zu geben und sie aus sich hinausschreien zu lassen, wie er es sonst nur auf seinen Missionen schaffte, in denen er seine Gegner für die Sünden bestrafte, die ihm angetan wurden.
Und nun....nun hatte er den Menschen vor sich, den er am Meisten hasste, den er verachtete, den er tot sehen wollte! Mehr als alles andere TOT!
Aya stürzte sich mit einem fast schon animalischen Schrei auf seinen Gegner, wollte ihm mit seinen eigenen Händen die braunen Augen aus dem ebenmäßigen, misshandeltem Gesicht reißen und sie den Bestien in seinem Inneren zum Fraß vorwerfen, doch dieses Mal war das Orakel besser auf ihn vorbereitet, fing seinen Schlag ab, die Hände, die sich zu Klauen geformt hatten und verdrehten sie, bis Ayas Arme vollkommen bewegungsunfähig hinter seinem Rücken gehalten wurden.
Vielleicht tat es weh, vielleicht. Doch Aya spürte den Schmerz nicht, konnte ihn nicht von dem überwältigen Hass in sich selbst unterscheiden. Er riss sich mit Gewalt los, nötigte den anderen Mann dazu, ihn loszulassen, bevor er sich selbst beide Arme ausrenkte, stieß Crawford dann gegen die Anrichte, um seine Finger zielsicher um den Hals des Mannes zu legen, der ihm soviel angetan hatte.
Und dennoch....auch jetzt versagte er wieder. Auch jetzt konnte ihm der Amerikaner entkommen und sich etwas weiter von ihm entfernt in die trügerische Sicherheit zu begeben. Doch das würde ihm nichts nützen! Nein, dieses Mal nicht!
Die Stimme, welche ihm versuchte zu sagen, dass er aufhören sollte, dass er das nicht tun durfte, hatte er in sich begraben, tief und unwiderruflich.
Aya setzte seiner Beute nach, fauchte animalisch, als er versuchte, an den anderen Mann heranzukommen, was spielerisch mit einem spöttischen Blick abgetan wurde.
"Das Kätzchen wird wild? Wie niedlich...."
Für Aya bedeutete dieser Bemerkung nichts, nein, er war schon viel zu weit in seiner abgeschotteten Welt des Jagens und Erbeutens. Seine Beute würde Crawford sein, sein Sieg der Tod, sein Triumph die Rache für seine Familie!
Doch vorher.....vorher würde er mit dem anderen Mann spielen, so wie dieser es immer und immer wieder mit ihm selbst getan hatte. Würde nun endlich das letzte Fünkchen Menschlichkeit in sich begraben, was noch in ihm steckte.
Er trat erneut gegen seinen Nemesis an, versuchte, sich ihm zu bemächtigen und dieses Mal sollte er Glück haben. Einer kleine Unaufmerksamkeit Crawfords zu Dank gelang es ihm, den älteren Mann durch einen gezielten Schlag in den Magen niederzuringen und ihn anschließend mit vollster Absicht zu ohrfeigen. Befriedigt sah er, wie sein Gegenüber aufstöhnend zu Boden ging, wie er ihm für einen Moment gar keine Aufmerksamkeit schenkte.
Und genau das nutzte Aya aus.
Mit einem festen Griff in Crawfords Haare zog er den Amerikaner auf die Füße und mit sich ins Schlafzimmer. Ja, er würde leiden! Nichts konnte ihn von dieser Tat abhalten, nichts! Niemand! Weder seine Teamkameraden noch Schwarz, noch Lasgo. Nein.....von ihm hatte er ja sogar die Erlaubnis dazu!
Warum also sollte er sie nicht nutzen? Wieso sollte er sich nicht vollends auf die Seite der Verbrecher stellen, für die er tötete, für die er das Böse beseitigte? Was war Vergewaltigung schon im Gegensatz zu Mord? WAS?
Wo hatte er die Handschellen gelassen, die er dem Schwarz abgenommen hatte? Wo? Sich panisch umsehend entdeckte er zwar nicht die Hand- aber die Fußfesseln. Doch die würden auch genügen. Mussten!
Mit einer ruckartigen Bewegung riss er den älteren Mann auf das Bett und kniete sich über ihn, während er gleichzeitig zu den Eisenbändern griff. Crawford wehrte sich, offensichtlich in großen Schmerzen, doch das störte Aya nicht. Ganz im Gegenteil, es ließ die Vorfreude auf das, was nun folgen würde um ein Vielfaches steigern, ließ das vorhandene Blut in seinen Unterkörper schießen.
Mit einem erneuten Schlag in das ohnehin schon geschundene Gesicht verschaffte sich der Assassin für einen Moment die Pause, die er brauchte, um nach den Eisenbändern zu greifen und sie um die Handgelenke gleichwohl wie das Bettgestell zu winden, und so den Amerikaner bewegungslos an Ort und Stelle zu halten.
Er keuchte, als er sich endlich aufrichten und sein Werk betrachten konnte. Er hatte Crawford unter sich, seinen Feind, dem er seit Monaten hinterhergejagt war
Unter sich.
Ausgeliefert.
Vollkommen hilflos.
Darum wusste auch das Orakel, denn sein Blick verweilte mit einem leichten Panikstich durchsetzt auf seinem Gegner, dem schwachen Japaner, wie Schuldig einmal gesagt hatte. Dieses Mal sagte er nichts, keine spottenden Worte, kein höhnisches Grinsen zierten sein Gesicht.
Blankes Entsetzen.
Aya lächelte leicht und ergriff das Kinn des Mannes, um ihn still zu halten, als er einen gewaltsamen, einseitigen Kuss auf die Lippen des Anderen presste, sie aufzwang, in ein Territorium eintrat, das er sich nie hätte träumen lassen zu betreten. Etwas einnahm, was er bis zu diesem Zeitpunkt nicht hatte haben wollen. Eine bittere, blutgesprenkelte Höhle, wie ihm nun bewusst wurde.
Er spürte, wie sich sein Geschenk wehrte, versuchte, mit Hilfe seiner Beine von ihm loszukommen, doch Aya verhinderte es mit einer gezielten Gewichtsverteilung. Nichts würde ihn
daran hindern können, den Amerikaner zu vernichten und das so grausam wie nur eben möglich. Nichts!
Aya löste sich zufrieden von seinem Gegner, währenddessen er das schlank geschnittene Gesicht noch immer in seiner Gewalt hielt. Wie schön die Verletzungen doch waren, wie attraktiv das Leid in den braunen Seen voller Emotionen. Er würde diese Seele Stück für Stück auseinander reißen, sie zerbrechen, sie Crawford vor Augen halten, nur um sie ihm dann für immer zu entreißen.
Ja......das war Rache......
Die Luft war geschwängert vom verbrannten Geruch, einer hölzernen, bitteren Empfindung, doch gleichzeitig hieß sie auch das Versprechen von Sex. Sex und Gewalt. Ayas Brust hob und senkte sich schmerzhaft schnell als er mit einer sicheren Bewegung das Shirt des anderen Mannes hochschob, seinen Blick gierig über das schon benutzte Stück Fleisch dort gleiten ließ.
Mein.....
Mein.
Mein!
Er dachte flüchtig an die Phiole mit Gleitgel welche ihm Lasgo bereitgestellt hatte, doch verwarf diesen Gedanken schnell. Es würde auch so gehen, das wusste er aus Erfahrung. Es musste. Zumindest würde er nicht der Leidtragende sein, wenn es nicht ging.
Aya strich sich mit einer beinahe schon eleganten Bewegung die langen, roten Strähnen aus den Augen und lächelte. Gott, wie sehr wollte er sich diesen Körper Untertan machen, ihm alles entreißen, seine Würde, seinen Stolz, seinen Hohn.
All das würde ihm gehören!
Anstelle der panischen Verzweiflung war nun eine ruhige, nichts sagende Maske aus Unbeweglichkeit getreten, die in Aya nun doch Erstaunen hervorrief. Wie konnte Crawford sich nur soweit fangen, um selbst seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu bringen? War das alles für ihn nur ein Spiel, nicht real?
Oh.....das würde es aber werden. Aya ließ mit einer bedächtigen Bewegung seine Fingerkuppen über die weiche Haut des Schwarzassassins gleiten, berührte starke, geschmeidige Muskeln, einen perfekt geformten Bauch, kleine, dunkle Brustwarzen.
Und ließ seine Hände nach unten gleiten, stets begleitet von einem stillen Lächeln der Lust auf seinen Lippen. Mit einer sanften Geste legte er seine Hände an den Hosenbund seines Geschenks, wollte ihn langsam vom Torso des Mannes schälen, als dieser leise, jedoch klar verständlich wisperte:
"Monster."
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by Coco