Weiss Kreuz Fan Fiction ❯ Forgotten Pain ❯ Kapitel11 ( Chapter 11 )
Das letze Kapitel! Hat ne Weile gedauert aber hier ist es.........Es Ist Fertig! "Forgotten Pain" ist fertig!!! ^____^ Irgendwie ist es ein komisches Gefühl...
Dass ich mich überhaupt noch mal an Forgotten Pain gesetzt habe, verdanke ich meiner lieben Jojo-chan (dem Yoho-Bärchen ^^) und der mail von Yune, die mir die nötige Motivation gegeben haben, und einem netten Traum von riesen Muscheln, Leuchttürmen und Schuldig, der mich heimgesucht hat (nicht drüber nachdenken, hat keinen Sinn -_-).
Ein riesen Danke an alle, die Reviews geschrieben haben, ohne euch wäre "Forgotten Pain" nie in dieser Art zustande gekommen. Hätte nie gedacht, dass diese -ursprünglich kleine- Fanfiction so viel Zuspruch und so eine treue Leserschaft findet. Hab mich wirklich über jede einzelne mail und über jedes Review gefreut.
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Kapitel11
Zwei Wochen später stand ich in -oder besser lehnte ich an- der Tür unseres alten Appartements. Es war mir egal ob ich das Krankenhausbett bereits verlassen durfte oder nicht, ich wollte einfach nicht länger dort bleiben. Dieser Geruch von Desinfektionsmittel, alten Laken und Krankheit trieb mich langsam in den Wahnsinn. Selbst Crawford wusste, dass er mich nicht hätte aufhalten können. Als ich durch eine dieser leise quietschenden Türen des Krankenhauses trat, die im Gegensatz zu dem sonst so weißen Gebäude, im Laufe der Jahre eine widerwärtige gelblicher Färbung angenommen hatte, sah ich, dass Crawfords Wagen vor mir auf dem langgestreckten Parkplatz stand. Ohne ein Wort zu sagen stieg ich ein und wir fuhren schweigend hier her, zu unserem alten Appartement, dass ich, seit McGuinic in unser Leben getreten war, nicht mehr gesehen hatte.
Langsam ging ich den weitläufigen Gang zu meinem Zimmer entlang. Es war sonderbar wieder hier zu sein. Nichts schien sich verändert zu haben, man hatte den Eindruck, dass die Zeit einfach stehen geblieben wäre und erst jetzt, wo wir wieder diese Räume benutzten, normal weiterlaufen würde.
Nagi und Crawford waren sehr leicht in ihre alten Rollen zurückgefallen: Nagi war wieder der in sich zurückgezogene, stoische Teenager, der seinen Computer jeden menschlichen Kontakt vorzog und Crawford war wieder der kalte, unnahbare Bastard, der schon aus Prinzip alles unter Kontrolle hatte. Und manchmal -nur manchmal- war es so wie früher. Wir wohnten zusammen, wir töten zusammen aber jede lebte sein separates Leben. Mit dem Unterschied, dass wir jetzt nur noch zu dritt waren. Farfarellos Fehlen stellte eine größere Lücke in unserem Team dar, als wir es vermutet hatten. Und zu meiner Überraschung musste ich zugeben, dass ich ihn auf irgendeine Art vermisste. Zu oft hatte ich meine Zeit mit ihm verbracht. Ich kannte ihn auf eine sonderbare, morbide Weise zu gut um ihn einfach so zu vergessen, wir hatten einfach zu viel zusammen erlebt, um dass mir sein Tod gleichgültig sein könnte.
Es stellte sich mir die Frage, ob Farfarello das Einzige sein würde, das mir in meinem Leben nach den ganzen 'Vorfällen' mit McGuinic fehlen würde. Vermisste ich diesen zerbrechlichen Jungen, der nachts in meinem Bett schlief und dessen Blick offen zeigte, dass er mehr als nur Gleichgültigkeit für mich empfand? Vermisste ich Crawfords Nähe und diese kalten Augen, die manchmal, wenn sie mich ansahen, einen weicheren Ausdruck anzunehmen schienen? Ich hätte lügen müssen, wenn ich es geleugnet hätte, aber dennoch hatte diese alte Vertrautheit, die ironischer Weise so sehr auf Fremdheit basierte, etwas beruhigendes an sich.
Ein Gefühl der Nostalgie legte sich wie ein kalter Schatten um mich, denn ich wusste, dass diese trügerische Vertrautheit nicht lange andauern würde. Dinge mussten gesagt, geklärt und neu aufgebaut werden, zu viel hatte sich verändert ohne auf den ersten Blick sichtbar zu sein. Auch die Beziehung zwischen mir und Crawford war nicht mehr das, was sie noch vor ein paar Monaten war. Seit der Nacht vor McGuinics Ankunft hatte sich unser Verhältnis zueinander von Grund auf geändert. Doch irgendetwas schien Crawford von diesem Schritt abzuhalten. Es war als hätte er Angst sich mir zu stellen. Angst war vielleicht das falsche Wort, es war vielmehr eine Scheu vor dem Unbekannten. Doch was war für jemanden, dessen Gabe es war in die Zukunft zu sehen, unbekannt?
Ich hielt an und ging die wenigen Schritte zurück zu der Treppe, die in den 2. Stock zu Crawfords Büro führten.
Die genähte Schusswunde an meinem Bauch schmerzte bei jedem Schritt, den ich tat und eigentlich hätte ich es vermeiden sollen Treppen zu steigen, doch ich wollte es einfach nicht zulassen, dass Crawford sich in seinem Büro vor mir zurückziehen konnte. Er schuldete mir mehr als nur eine Antwort.
Mit meiner linken Hand stützte ich mich an die Wand, während ich auf die geschlossene Bürotür zuging. Die wenigen Stufen hatten mir den Großteil meiner Kraft geraubt, ich fühlte mich, als ob ich einen 10 Kilometerlauf hinter mir hatte. Noch bevor ich an der dunklen Holztür klopfen konnte, hörte ich Schritte und dann wie die Tür geöffnet wurde.
In seinen Brillengläsern fing sich für einen Moment das Licht des Flurs, als er mich ansah. /1/ Sein Blick fiel auf die Hand, die auf meinem Bauch lag, bevor er sich von mir abwendete und zurück in sein Büro ging
"Was willst du, Schuldig?" Fragte er beiläufig.
"Antworten."
Ein kleines, selbstgefälliges Lächeln huschte über seine Lippen, während er sich in seinen Sessel hinter dem Schreibtisch setzte. Seine Stimme klang wie ein tiefes Flüstern, als er sprach:
"Wie soll ich dir Antworten zu Fragen geben, die du nicht hast?"
"Woher willst du wissen, dass ich keine Fragen habe?"
"Es sind die falschen Fragen."
Ich widerstand dem Drang zu Lachen. Crawford konnte mehr als nur frustrierend sein, wenn er wollte, doch war ich nicht bereit so leicht aufzugeben.
"Beantworte sie trotzdem."
Crawford lehnte sich in seinen Bürosessel zurück und wartete.
"Was wird mit dem freien Platz in unserer kleinen 'Familie', den Farfarello hinterlassen hat? Wirst du ihn ersetzen oder sind wir jetzt ein furchtloses Trio?"
"Das liegt nicht in meiner Entscheidung."
"Wie soll es weitergehen?" Noch bevor er mir antworten konnte, sprach ich weiter: "Ich meine mit Schwarz."
"SZ wird uns kontaktieren, wenn es unsere Unterstützung benötigt."
Für einen kurzen Moment zögerte ich, bevor ich meine nächste Frage stellte.
"Und wie geht es mit uns weiter?"
Meine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als ich nur sein Schweigen als Antwort bekam. Irgendetwas stimmte nicht. Und plötzlich wurde mir bewusst weshalb Crawford versucht hatte dieses Gespräch aufzuschieben. Er hatte keine Scheu vor dem Unbekannten wie ich erst gedacht hatte, sondern vor dem was er gesehen hatte.
"Du bist noch nicht bereit. Geh jetzt."
Wie ich schon sagte: Frustrierend! Es hatte keinen Sinn auf einer Antwort zu beharren, er würde sie mir nicht geben. Ohne ein weiteres Wort zu sagen stand ich auf und wollte den Raum verlassen, als er die Worte sprach, die mich abrupt stoppen ließen:
"Es wird etwas passieren, Schuldig."
Es geschah selten, dass Crawford auch nur eine Andeutung machte, was in der Zukunft passieren wird. Ich fragte nicht weiter nach, er würde mir eh nicht mehr sagen, aber ich blickte mich kurz um, bevor ich den Raum endgültig verließ. Crawford starrte gedankenverloren auf den schwarzen Bildschirm seines Computers. Es war, als ob er selbst versuchen würde hinter die Bedeutung seiner Worte zu kommen.
"Es wird etwas passieren, Schuldig."
Meine Gedanken kreisten immer wieder um diesen einen Satz, als ich den dunklen Flur zu den Treppen entlang ging. Es musste etwas bedeutendes sein, es musste sogar etwas verdammt großes sein, sonst hätte Brad nie etwas erwähnt. Und es musste mich direkt betreffen. Die Fragen, die sich mir aufdrängten, waren: Was sollte passieren? Wann sollte es passieren? Und wer war der Grund dafür?
Die einzige Idee, die sich mir regelrecht aufdrängte, war, dass SZ nach all dem was passiert war, endlich einschreiten würde. Ich hatte immerhin McGuinic getötet, seine Befehle missachtet, damit ihre Befehle missachtet, meine Kompetenzen mit der Entführung des Weißkätzchens absolut überschritten und so weiter. Egal wie alt und tot diese Männer wirkten, die in den obersten Reihen von SZ saßen, sie hatten mehr Kontrolle und Wissen über uns, als es auf den ersten Blick schien.
Mein altes Grinsen schlich sich fast schon unbemerkt von mir auf meine Lippen. Ich hatte nie Angst vor SZ gehabt und ich hatte mich auch nie ihren Wünschen gebeugt und ihren Vorstellungen angepasst. Sie waren alte Männer, mit alten Idealen und absolut überholten Ansichten, für die es Zeit wurde einer neuen Generation Platz machen. Nicht, dass ich SZ in seiner Gefährlichkeit unterschätzte, ich glaubte aber schon immer daran vorbereitet zu sein -eine der wenigen Eigenschaften, die ich mit Crawford gemeinsam hatte. - Und Schwarz würde auf alles vorbereitet sein, egal was es war.
Meine Hand schloss sich um die Türklinke meiner Zimmertür, doch öffnete ich diese nicht, denn plötzlich schossen mir wieder die Worte durch den Kopf.
"Es wird etwas passieren, Schuldig."
Es war nicht der Inhalt dieser Worte, der mich zögern ließ, es war vielmehr der Ton, der in Crawfords Stimme mitgeschwungen hat. Erst jetzt fiel mir das Drängen und die Gestresstheit in seiner Stimme auf. Es war nur noch eine Frage der Zeit und Zeit war das einzige, was ich nicht hatte. Es konnte nicht mehr lange dauern und das, was Crawford gesehen hatte, würde geschehen.
Mit einer Entschlossenheit, die ich seit Monaten nicht mehr gespürt hatte, öffnete ich die Tür und ging langsam zu meinem Bett. Als ich mich hinlegte und meine Augen schloss, spürte ich eine Welle von Emotionen, die dick wie schwarzes Öl über mich schwappte. Es war Nagi. Er schien sich selbst nicht bewusst darüber zu sein, dass seine Seele mit so viel Melancholie und Traurigkeit erfüllt war. Ich konnte ihn mir viel zu deutlich vorstellen, wie er am anderen Ende des Ganges stand und gedankenverloren auf meine geschlossene Tür starrte.
Vielleicht bin ich zu weich und verletzlich in den letzten Wochen geworden, doch dieses Gefühl, das so deutlich von Nagi ausging, bewegte mich mehr als alles andere, was ich in den Tagen, wo McGuinic unser Leben in einer eisernen Faust gefangen hielt, gefühlt hatte.
Mit dem Gedanken an den jungen Telekineten schlief ich letztendlich ein.
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Träume der Vergangenheit plagten mich in dieser Nacht so sehr wie in keiner anderen davor. Dinge, die so tief in meinem Unterbewusstsein vergraben lagen, dass ich geglaubt hatte, sie würden für immer dort verborgen bleiben, drängten sich in meinen Kopf und ließen mich meine eigene Hölle wieder und wieder durchleben.
Als ich schließlich zu mir kam, merkte ich, dass mein Rücken eng gegen die Wand hinter meinem Bett gepresst war. Meine Augen, die ohne wirklich etwas zu sehen in das Dunkel meines Zimmers gestarrt hatten, fokussierten sich langsam. Ich war mir nicht sicher wo ich war oder was passiert war, noch immer schien ein Teil von mir in dieser erschreckend realen Traumwelt gefangen zu sein. Schweißnasse Haare klebten an meinem Hals und Gesicht, die ich mit kalten, zittrigen Fingern zurück strich.
Nachdem ich die letzten Bilder meiner Träume aus meinem Bewusstsein verdrängt hatte, stand ich von meinem Bett auf und verließ mein Zimmer. Es schien alles ruhig zu sein, als ich den Gang betrat. Und dennoch lies mir etwas einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Eine gewisse Unruhe lag über dem Appartement, ich konnte mich einfach dem Gefühl nicht erwehren, dass irgendetwas nicht stimmte. Leise lief ich durch den langen Flur, versuchte dabei auf jedes ungewöhnliche Geräusch und jede noch so kleine Bewegung zu achten.
Vorsichtig betrat ich das Wohnzimmer. Meine Instinkte schrien regelrecht in mir, als ich immer weiter in den dunklen Raum ging. Ich tat es als unbegründete Paranoia ab. Trotzdem beschlich mich eine kalte Panik, als ich versuchte in den nachtschwarzen Schatten irgendetwas zu erkennen. Es war als würden sie sich bewegen, als ob sich irgendetwas darin verborgen hielt.
Mir kann nichts passieren, waren die Worte, die ich immer wieder in meinen Gedanken wiederholte. McGuinic war tot, ich hatte ihn selbst erschossen. Niemand anderes konnte die Wohnung betreten, niemand konnte hier in den Schatten versteckt halten. Das Appartement war mit einer Alarmanlage gesichert, ich musste nur den Flur entlang gehen und mich davon überzeugen, dass alles in bester Ordnung war.
Ich wollte das Wohnzimmer wieder verlassen, als plötzlich eine Faust neben meinem Kopf gegen den Holzrahmen der Tür prallte. Ein heiseres Flüstern drang an mein Ohr:
"Hallo meine kleine Schönheit."
Es war mir unmöglich mich zu bewegen, wie angewurzelt stand ich da und spürte den warmen Atem über meine Schulter streichen. Ich wusste, ich kannte diese Stimme, doch das konnte nicht sein. Ich hatte McGuinic sterben sehen, ich hatte ihn selbst getötet. Mein Herz raste in meiner Brust, als ich eine Hand spürte, die sich auf meine Hüfte legte. Alles wirkte auf einmal so unwirklich. Vielleicht träumte ich noch oder vielleicht war ich auch endgültig übergeschnappt.
"Träumen?" Flüsterte eine amüsierte Stimme. "Oh nein, Schuldig, du träumst nicht, das hier ist so real wie die Angst, die so deutlich in deinen Augen sichtbar ist."
Seine Lippen strichen fast schon sanft über meinen Hals, während sich der Griff um meine Hüfte verstärkte und er seinen Körper enger an den meinen presste.
"Dreh dich um", erklang erneut dieses Flüstern; diesmal so nah an meinem Ohr, dass ich unwillkürlich zusammenzuckte.
Etwas zögerlich kam ich seiner Aufforderung nach und wandte ich mich zu ihm um. Entsetzen packte mich, als ich McGuinics Gesicht sah. Dort wo sein linkes Auge hätte sein sollen, waren nur noch Trümmer von Knochen, Fleisch und Haut. Seine Hand nahm meine und führte sie zu seinem Gesicht, zitternde Finger fuhren über sein entstelltes Gesicht.
"Dein Werk, meine Schönheit."
Ein Gefühl des Triumphes überkam mich. Meine Kugel hatte also getroffen. Doch dieses Gefühl war so schnell wieder vergangen wie es gekommen war, als er die Hand, die eben noch meine gehalten und geführt hatte, in meinen Haaren vergrub und meinen Kopf nach hinten riss.
"Dies, Schuldig, habe ich dir zu verdanken!" Schrie er mich plötzlich an. "Und du wirst dafür auch büßen."
Im nächsten Moment wurde mein Körper von ihm gegen die nächste Wand geschleudert. Meine Beine gaben unter mir nach, als ich versuchte wieder aufzustehen. Angst schloss sich um mein Herz, als ich in Sashas unverletztes Auge sah, das in der Dunkelheit des Zimmers wie ein schwarzer Spiegel aussah.
"Wo ist dein Wille dich mir mit aller Macht zu widersetzen, Schuldig? Und ich dachte du würdest dich wenigstens ein bisschen gegen mich wehren."
In diesem Moment fiel mir ein, dass ich nicht mehr allein gegen McGuinic stand. Crawford war wieder da. Ein wenig Hoffnung keimte in mir auf. Ich konzentrierte mich auf Crawford, der -wie ich feststellen musste- noch immer unbeeindruckt von den Geschehnissen in diesem Appartement in seinem Bett schlief. Vergeblich versuchte ich ihn zu wecken, irgendetwas oder irgendjemand hielt mich davon am auch nur in die Nähe seines Bewusstseins zu kommen.
"Gib auf, du verschwendest nur deine Kraft."
Ohne auf McGuinics Worte zu achten, versuchte ich es weiter. Es musste irgendeinen Weg geben diese Blockade zu durchbrechen oder zu umgehen.
Eine Hand, die sich schmerzhaft um mein Kinn schloss, brachte mich schließlich dazu meine Verbindung zu Crawford zu unterbrechen.
"Fass mich nicht an, du Arschloch", zischte ich ihn an, während ich versuchte mein Gesicht von ihm wegzudrehen.
"Ah, da ist der alte Schuldig. Jetzt kann der Spaß richtig losgehen."
Seine andere Hand schob sich plötzlich unter mein Hemd und strichen über die Naht der heilenden Schusswunde.
Mehr aus Reflex als aus Kalkulation schlug ich ihm mit meiner Faust ins Gesicht. Sein Kopf schnappte zur Seite und ich riss mich von ihm los. Ohne einen weiteren Blick auf ihn zu werfen, rannte ich los. Die Wunde an meinem Bauch schmerzte bei jedem Schritt, den ich tat, meine Lungen brannten mit jedem Atemzug. Ich musste es einfach schaffen, ich musste zurück in mein Zimmer und meine Waffe holen. Nur so hatte ich eine Chance gegen McGuinic.
Noch bevor ich auch nur die Hälfte des Flurs hinter mir gelassen hatte, packten mich zwei Arme und rissen mich zu Boden.
Mit ganzer Kraft versuchte ich mich gegen Sasha zu wehren, es gelang mir auch ihn für einen kurzen Moment von mir zu stoßen und mit meiner Faust einen gezielten Treffer gegen sein Schüsselbein zu landen, bevor er meine Arme zu fassen bekam und sie neben meinem Kopf auf den Boden drückte.
Er lachte laut, als ich versuchte mich aus seinem gewaltsamen Griff zu befreien.
"Das ist besser als ich es mir vorgestellt hatte, meine kleine Schönheit."
Eine seiner Hände, die soeben noch mein rechtes Handgelenk in einem eisernen Griff gehalten hatte, schoss plötzlich vor und umfasste meinen Hals. Er lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht nach vorn und presste meinen Körper eng an den Boden unter mir. Die Nähte, die das empfindliche Fleisch meiner Wunde zusammenhielten, begannen unter dem Druck zu reißen und ich konnte spüren wie warmes Blut langsam über meinen Bauch floss und den Stoff meines Hemdes rot färbte.
Verzweifelt klammerte ich mich an seinen Arm, versuchte den brutalen Griff, den er um meinen Hals hatte, zu lockern. Mehr und mehr ließ meine Kraft nach, die letzten Minuten hatten mich mehr gekostet, als mir bewusst gewesen war. Das einzige, was mich daran hinderte aufzugeben, war der Gedanke daran, was McGuinic dann mir machen würde. Ich wusste, dass nicht nur ich diese Nacht nicht überleben würde, wenn ich jetzt aufhören würde mich gegen ihn zu wehren. Zu viel hatte ich ihm bereits geopfert, ich konnte und wollte nicht so einfach aufgeben.
Doch so sehr ich mich anstrengte, so sehr ich auch kämpfte, ich konnte ihn nicht von mir stoßen. Es schien ihm rein gar nichts auszumachen, dass ich mich mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung standen, gegen ihn wehrte. Ein beißendes Lächeln huschte über seine Lippen, als er meine Verzweiflung sah. Und in diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich nie wirklich eine Chance gegen ihn hatte. Es war seine Rache, es war sein Plan und ich war nur eines der Opfer. Noch nie hatte ich für ihn einen wahren Gegner dargestellt.
Obwohl ich es mit aller Macht versuchte zu unterdrücken, fing ich an mit zittern. In dem Moment, als Sasha wusste, dass ich nicht länger Widerstand gegen ihn leisten würde, ließ er von meinem Hals ab und zog mich an seinen Körper. Ich lag wie leblos in seinen Armen, während ich versuchte meinen rapiden Atem wieder unter Kontrolle zu bekommen.
"Was willst du, McGuinic?" Meine Stimme ist nicht mehr als ein heiseres Krächzen.
"Das weißt du bereits, nicht wahr, Schuldig?" Sein Atem strich über mein Ohr als er sprach. "Ich werde sie töten, alle beide. Und dann werde ich dich mit mir nehmen, denn du, meine süße Hure, gehörst allein mir."
Das Blut gefror mir regelrecht in meinen Adern, als ich seine Worte hörte.
"Töte mich", verlangte ich mit tonloser Stimme.
Lieber wollte ich sterben als dieses Schicksal miterleben zu müssen. Es war wie ein Alptraum, den ich nie zu träumen gewagt hätte. Ich konnte genauso wenig dabei zusehen wie er Nagi und Brad tötete, wie ich es miterleben wollte, wenn er ungehindert das mit mir machen konnte, was er wollte.
"Glaubst du wirklich, dass ich hier her gekommen bin um dich zu töten?" Seine Finger spielten mit ein paar meiner Haarsträhnen als er sprach. "Ich werde deinen Willen brechen, ich werde deinen Körper benutzen so wie ich es will und du wirst niemanden mehr haben zu dem du gehen kannst und der dir helfen wird."
"SZ wird--"
"SZ wird sich einen Scheißdreck für dich interessieren, Schuldig. Du hast immerhin einen ihrer besten Telepathen getötet, glaubst, dass dir noch irgendjemand helfen wird?" Seine dunklen, blauen Augen bohrten sich in die meinen, als er sprach.
In diesem Moment öffnete sich die Tür zu Nagis Schlafzimmer und der junge Telekinet trat auf den Gang. Sein Blick war sofort von der Szene gefangen, die sich vor ihm abspielte.
Mit aller Kraft, die mir noch geblieben war, rammte ich McGuinic mein Knie in den Schritt und löste mich aus seiner Umarmung. Ohne zu überlegen rannte ich auf Nagi zu, der noch immer bewegungslos auf McGuinic starrte, und zog ihn in Brads Schlafzimmer. Ich konnte nur noch beten, dass ich rechtzeitig eine Waffen finden würde.
"Versuch Crawford zu wecken", befahl ich Nagi in einem harschen Tonfall. Es war keine Zeit für Nettigkeiten, das wusste er genauso gut wie ich.
Er nickte nur und kniete sich auf das Bett, während ich jede Schublade und jedes Schrankfach nach Crawfords Waffe durchwühlte. Erfolglos wandte ich mich schließlich wieder den beiden anderen zu. Nagi versuchte immer noch eine Reaktion von dem leblos wirkenden Körper vor ihm zu bekommen. Seine Augen weiteten sich plötzlich, bevor er ein leises Wimmern von sich gab und vornüber auf Crawfords Bett fiel. McGuinic hatte ihn, wie Brad, in das reich der Träume geschickt. Kurz darauf hörte ich ein lautes Krachen und die Tür flog auf.
"Du hast mir eine Menge Arbeit erspart, Schuldig. Es ist viel einfacher beide gleich hier in einem Raum zu erschießen."
McGuinics Gesicht wirkte angespannt und müde, als er sprach. Die Verletzungen hatten ihm anscheinend mehr zugesetzt, als auf dem ersten Blick ersichtlich war. Stolz und das Verlangen nach Rache schienen ihm die Kraft zu geben, die er brauchte um seinen Plan zu vollenden und dennoch konnte ich ein kaum merkliches Zittern sehen, als er seine Waffe auf Crawfords schlafende Form zielte. Ohne weiter darüber nachzudenken, stellte ich mich in die Schusslinie. Ich konnte nur hoffen, dass er die Wahrheit gesagt hatte, als er meinte, dass er mich nicht umbringen würde. Noch nie in meinem Leben hatte ich jemanden so lange mit einer Waffe auf meinen Kopf zielen lassen wie in dieser Nacht und dass das McGuinic war, der diese Waffe hielt, machte die Sache nicht einfacher. Blinde Panik ließ meinen Magen sich zusammen-krampfen. Der stetigen Blutverlust und der immer stärker werdende Schmerz der aufgerissenen Schusswunde ließ meinen Kopf leicht werden, die Welt um mich herum begann sich langsam zu drehen.
Innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde stand er vor mir und riss mich an seinen Körper. Ohne zu überlegen was ich tat, klammerte ich mich an sein Hemd und schloss die Augen. Alles um mich herum wirkte wie eine einzig große Karussellfahrt. Es würde nicht mehr lange dauern und ich würde ohnmächtig werden.
Als ich meine Augen wieder öffnete und ihn anblickte, sah ich sein kaltes Lächeln, das mehr über ihn aussagte, als es Worte je können würden. Er war ein Mann, der endlich das erreicht hatte, wofür er so unerbittlich gekämpft hatte. Mein Leben lag in seinen Händen und er würde über mein Schicksal entscheiden. Er war nur einen Augenblick davon entfernt, dass ich ihm endgültig gehören würde, zwei Schüsse trennten mich davon.
"Du willst dich sicher von ihnen verabschieden", meinte Sasha plötzlich, bevor er meine Stirn küsste.
Crawfords und Nagis Augen öffneten sich gleichzeitig. Im ersten Moment schienen sie beide orientierungslos zu sein, doch als ihr Blick auf McGuinic und die Waffe fiel, die er in der Hand hielt, gefroren sie in ihren Bewegungen.
"Hey, Bradley." Sashas Stimme klang zuckersüß und voller Hohn. "Ich hoffe, du hängst nicht zu sehr an deinem deutschen Spielzeug."
Crawford antwortet nicht, sonder griff langsam nach seiner Brille, die neben ihm auf dem Nachttisch lag. Ein kleines selbstgefälliges Lächeln, das so typisch für ihn war, huschte über seine Lippen. Seine braunen Augen schwenkten kurz zu mir, bevor sie auf das Jackett fielen, das neben mir auf einem Stuhl lag.
In diesem Augenblick begriff ich.
So schnell ich konnte drehte ich mich um, griff nach der Waffe, die sicher in dem Holster steckte, entsicherte sie und zielte damit auf McGuinic. Es passierte alles zu schnell, um dass es von einem Menschlichen Auge hätte wahrgenommen werden können.
Sasha und ich feuerten fast zur gleichen Zeit; er auf Crawford und ich auf ihn. Ich wusste es war zu spät, McGuinic hatte den Schuss bereits abgegeben, Crawford war tot, aber er würde dafür mit seinem eigenen Leben büßen.
Ich lehrte das ganze Magazin bis nur noch das unverkennbare Klicken kam, als ich den Abzug drückte. Schwer atmend sank ich zu Boden, für keine Sekunde wich mein Blick von meinem ehemaligen Mentor. Alles vor mir drehte sich noch stärker als noch ein paar Minuten vorher. Übelkeit stieg langsam in mir hoch.
Eine Hand, die sich auf meine Schulter legte, ließ mich zusammenzucken. Braune Augen drängten sich in mein Blickfeld, bevor mich zwei starke Arme vom Boden hoben und mich auf Brads Bett legten. Nagis Hände öffneten mein inzwischen blutdurchtränktes Hemd und strichen vorsichtig über meinen Bauch.
"Wie hast du...?" Ich musste den Satz nicht zu Ende sprechen, Crawford verstand.
"Nagi hat sich im letzten Moment daran erinnert, dass er Telekinet ist." Er lächelte leicht, als er einen kurzen Blick zu Nagi warf.
Meine Finger strichen über die kleine Verletzung an Crawfords Augenbraue, die die Kugel hinterlassen hatte, als sie nur knapp seinen Kopf verfehlt hatte.
"Du müsstest in ein Krankenhaus, Schuldig", sagte Nagi beiläufig, während er die Wunde säuberte.
Noch bevor er den Satz vollkommen ausgesprochen hatte, griff ich nach seiner Hand und stieß sie weg.
"Vergiss es, Chibi, ich gehe in keines dieser verdammten weißen Krankenhäuser mit ihrem Desinfektions- und Leichengeruch und diesen schrumpligen alten Schwestern, die nach Gummischuhen stinken!"
Crawford umfasste mein Gesicht und zwang mich ihn anzusehen. Seine Finger waren angenehm kühl, als sie auf meinen Wangen lag. Ich wusste nicht ob ich Fieber hatte oder ob es für meine innere Hitze einen anderen Grund gab.
"Kein Krankenhaus, ok?"
"Kein Krankenhaus", wiederholte ich seine Worte.
Crawford flüsterte meinen wahren Namen, als Nagi begann den ersten Stich zu setzen. Er war so ungewohnt sanft, als ob er Angst hatte, dass ich zu Staub zerfallen würde, wenn er auch nur ein falsches Wort sagte. Immer wieder wisperte er mir bedeutungslose Dinge in mein Ohr, die mich beruhigen sollten. Es dauerte nicht lange und ich viel in eine tiefen, traumlose Ohnmacht.
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D ie nächste Woche hielt mich Crawford konstant auf Schlaftabletten. Das einzige was ich in dieser Zeit tat, war schlafen, hin und wieder die Toilette benutzen und jeden Tag ein paar Gläser Wasser leeren. Am 5. Tag wachte ich auf und blickte in Nagis schlafendes Gesicht, der zusammengerollt neben mir lag. Für eine Zeitlang lag ich einfach nur da und betrachtete ihn.
Unwillkürlich musste ich an die Zeit mit McGuinic denken. Nagi und ich sind uns damals auf eine Weise näher gekommen, die ich jetzt nicht mehr zulassen würde. Es war Faszination, die mich damals zu ihm getrieben hatte. Faszination für seine großen, dunklen Augen, seinen makellosen Körper und diese Aura, die er konstant auszustrahlen schien und die regelrecht 'Beschütze mich' rief. Diese Nähe hatte in mehr als nur einer Nacht meinen letzten Funken Verstand und Hoffnung erhalten. Er war einer der Gründe weshalb ich mich nicht aufgegeben hatte. Nachdem Farfarello von McGuinic getötet worden war, klammerte ich mich verbissener als jemals zuvor an den Gedanken, dass Nagi und ich der letzte verbleibende Teil von Schwarz waren und ein Schwarz lässt sich von nichts unterkriegen.
Der zweite Grund weshalb ich mich nie McGuinics Willen gefügt hatte, war die Erinnerung an die Vergangenheit. Ich hatte zu viel in meinem Leben erlebt, um alles noch einmal passieren zu lassen. Diese Schwäche, die mich an die Jahre meiner Ausbildung wie Fesseln an SZ, Rosenkreuz und McGuinic gebunden hatte, drohte mich erneut zu überkommen, seit McGuinic wieder in mein Leben getreten war. Und das war etwas, was ich einfach nicht geschehen lassen konnte. Er selbst hatte mich gelehrt stark zu sein, ohne Reue und voller Stolz für das was ich war. Und niemand, nicht mal mein Lehrer selbst, konnte mir das wieder nehmen.
Allerdings fühlte ich mich auf irgendeine Weise leer, seit Sasha gestorben war. Er war die einzige Person gewesen, die für mich noch einen Teil meiner Vergangenheit dargestellt hatte, und mit seinem Tod war diese Vergangenheit endgültig verschwunden und die Zukunft war, zumindest für mich, so unsicher wie noch nie. Ich wusste nicht was mich erwartet oder wie es weiter gehen sollte. Schwarz war nicht mehr das, was es wahr, ich war nicht mehr derjenige, der ich war, alles hatte sich verändert.
Erfolglos versuchte ich aufzustehen ohne Nagi dabei zu wecken; seine Augen öffneten sich, bevor ich den ersten Fuß auf den Boden gesetzt hatte:
"Du solltest dich wieder hinlegen, Crawford will, dass du in ein paar Tagen einsatzfähig bist, wir haben einen Auftrag. Schwarz ist nicht effizient genug, wenn eines der Teammitglieder verletzt ist."
Ungläubig sah ich ihn an. Einsatzfähig? Effizienz des Teams?
"Du wirst von Tag zu Tag mehr wie Crawford."
Nagi drehte sich kurz um und schenkte mir ein kaum merkliches Lächeln, bevor er seine Augen wieder schloss und sich zurück auf mein Bett legte.
"Du liebst ihn. Es kann also nicht so schlimm sein so zu werden wie Crawford." /2/
Ich schenkte seinen Worten keine Beachtung, es war einfach noch nicht die Zeit sich mit solchen Dingen auseinander zu setzen. Andere Dinge -wichtigere Dinge- bedurften zuerst einer Klärung, bevor ich mich mit solchen Kleinigkeiten auseinandersetzen konnte.
Langsam verließ ich mein Zimmer und ging ich in das Wohnzimmer. Es war bereits später Nachmittag, es würde nicht mehr lang dauern und Crawford würde kommen; sei es nur um nach der Gesundheit des Schwarz-Telepathen zu sehen. Noch bevor ich mich auf das Sofa setzen konnte, hörte ich wie die Appartementtür geöffnet wurde.
Ich stand mitten in dem großen Zimmer, als Crawford den Raum betrat. In seinen Händen hielt er ein paar Zeitungen, Briefe und andere Unterlagen. Ohne auf mich zu achten zog er sein Jackett aus und schmiss es auf den nächst besten Stuhl.
Vielleicht hatte sich doch nicht alles geändert; Crawford schien noch immer noch der gleiche unterkühlte Bastard zu sein, der er schon immer war.
Was erwartete ich von ihm? Dass er auf mich zugestürmt kommt und mir verspricht, dass alles wieder gut wird? Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so fehl am Platz gefühlt, wie in diesem Moment. Ich ging einige Schritte auf Crawford zu, bevor seine Worte mich stoppten:
"Du solltest nicht so viel laufen, Schuldig. Geh zurück in dein Zimmer."
Ich ignorierte seine Aufforderung.
Die Erinnerung an die Nacht, in der Sasha uns alle fast getötet hätte und dann selbst durch meine Hand gestorben war, kroch ungewollt in meinen Kopf. Brad hatte gewusst was passieren sollte und dennoch, obwohl es in seiner Macht gelegen hätte alles zu ändern, hatte er den Dingen seinen Lauf gelassen. Er hatte mir sein und Nagis Leben anvertraut.
"Die Nacht vor fünf Tagen...was..."
Seine Augen studierten mich für einen Augenblick, bevor er sich wieder den Papieren in seiner Hand zuwandte und zu der Couch in der Mitte des Zimmers ging. Ich wusste nicht wo ich anfangen sollte oder gar welche Fragen ich stellen wollte und dennoch hatte ich das Gefühl, dass mehr hinter diese Nacht steckte, als Crawford jemals bereit war, zuzugeben.
"Crawford, was..."
Seine Blick durchbohrte mich, als er mich ansah. Er wusste, das ich Fragen hatte, die einer Antwort bedurften, man konnte es in seinen Augen sehen. Doch lag noch irgendetwas anderes als nur dieses Wissen darin. Nur war es mir einfach nicht möglich diesen Blick zuzuordnen.
"Wie viel hast du gewusst?" Platzte es plötzlich aus mir heraus. Ich wusste selbst nicht wie ich auf diese Frage kam, ich stellte sie einfach.
Für einen Moment zögere Crawford ,bevor er antwortete:
"Über McGuinic? Nicht viel. Über seine Methoden? Genug."
Langsam ging ich auf den Sessel, der gegenüber der Couch stand, auf der Crawford saß, zu und setzte mich auf die Armlehne. Die eben gesagten Worte fügten sich von selbst in die leeren Stellen, die sich wie schwarze Löcher in meinem Kopf aufgetan hatten.
"Du hast angerufen, als Farfarello von ihm getötet worden war. Hattest--"
"Eine Vision", unterbrach er mich. "Ich hatte eine Vision von seinem Tod, hoffte, dass es noch nicht zu spät war. Deshalb habe ich euch damals angerufen."
"Wie viel hast du von Schwarz gewusst als du nicht hier warst?"
Nachdem ich die Frage ausgesprochen hatte, verspürte ich plötzlich den Drang aufzustehen und aus dem Zimmer zu rennen. Die Antwort auf diese Frage schien mir wie der Schüssel zu allem, was in der Zeit von der Abwesenheit des ehemaligen Schwarz-Leaders, passiert war.
Erneut dieses Zögern, diesmal konnte ich Crawfords Unentschlossenheit sogar spüren. Es machte mich nervös ihn so zu sehen. Wenn Brad Crawford diese Art Gefühle zeigte, gab es für jeden anderen einen Grund die Stadt so schnell wie nur möglich zu verlassen oder sich gleich eine Kugel in den Kopf zu jagen.
"Mein Wissen spielt jetzt keine Rolle mehr. McGuinic existiert nicht mehr, Schwarz hat zwar Verluste erlitten, aber unsere Ziele sind trotz allem die gleichen geblieben."
Crawford stand plötzlich auf und wandte sich dem Fenster zu, seine Dokumente lagen vergessen auf dem Sofa.
"Bullshit. McGuinic ist tot, du bist wieder hier und alles ist wieder beim Alten? Das ist Schwachsinn. Du müsstest wissen, dass nichts so einfach ist. Wie stellst du dir das vor? Du warst nicht dabei als er..."
Meine eigenen Worte ließen mich verstummen. Das Puzzle fügte sich langsam zusammen.
"Du hast es gewusst? Du hast die ganze Zeit gewusst, was McGuinic mit uns machen wird?"
Crawford stand nur schweigend vor mir, sein Gesicht war wie versteinert, keine einzige Gefühlsregung war in seinen Augen sichtbar.
"Du gottverdammter, elender Scheißkerl hast alles gewusst und nichts dagegen getan."
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte ich mich um und ging auf die Wohnzimmertür zu.
"Es stand nicht in meiner Macht etwas gegen McGuinic zu unternehmen."
Ohne mich umzudrehen antwortete ich, meine Stimme klang hol und emotionslos: "Und du denkst, dass ich die Macht und die Kraft hatte, mich gegen ihn zu wehren, Brad? Du bist ein Narr, wenn du das wirklich glaubst."
In dem Moment, als ich den Raum verlassen wollte, spürte ich eine Hand, die sich mit einem festen Griff um meinen linken Arm schloss. Ich hatte Crawford nicht kommen hören, er stand plötzlich einfach hinter mir. Aus Reflex versuchte ich mich von ihm loszureißen, doch für keinen Augenblick ließ er von mir ab.
"Du hattest die Kraft ihn zu töten."
Ein beißendes Lachen entkam mir. Er hätte für keine Sekunde gezögert die Waffe auf mich und McGuinic zu richten, wenn er es für notwendig erachtet hätte.
Es gelang mir mich in seinem Griff zu drehen, so dass ich ihm in sein Gesicht blicken konnte.
"Seit wann hat der große Brad Crawford es nötig seine Untergebenen zu belügen?
Mein Rücken berührte die Wand, als er mich weiter nach hinten drängte.
"Es war reine Kalkulation, nicht mehr. Du hattest deine Rache, Ich hatte mein Team wieder und McGuinic war endgültig aus unserem Leben verschwunden."
Endlich wurden Tatsachen geschaffen, endlich bekam ich die Antworten auf meine Fragen, die wie Gift durch meine Gedanken flossen. Es waren vielleicht nicht die Worte die ich hören wollte, aber es war die Wahrheit, die ich die letzten Tage vergeblich gesucht hatte. Eine Lebendigkeit schlich durch meinen Körper, die mir schon fast fremd geworden war.
"Keine Gefühle und Sentimentalitäten, was?"
Crawford nickte. "Du kennst die Spielregeln, Schuldig."
"Zu gut. Du kennst sie ebenfalls und trotzdem hast du mir vertraut."
Ich lehnte mich ein Stück nach vorn und schaute ihm direkt in die Augen.
"Deine Visionen sind nie hundertprozentig, das weiß selbst ich. Wir hätten alle sterben können, Crawford, und es wäre deine Schuld gewesen."
Bevor er Antworten konnte, zwängte ich mich zwischen Crawford und der Wand, an die er mich regelrecht gepresst hatte, hervor.
"Wie glaubst du, wie es weitergeht?"
Es war mehr als Ironie, dass er genau die Frage stellte die mich schon die ganze Zeit beschäftigt hatte. Langsam drehte ich mich wieder zu ihm um. Seine Worte ließen mich unsicher werden. Ich dachte, alles was Crawford bereit war zu sagen, hätte er bereits gesagt.
"Ist es nicht deine Aufgabe mir das zu sagen, oh du mein allwissender Führer?"
Sein Zeigefinger strich plötzlich über meine Wange, bevor ich ihn mit meiner Hand wegschlug.
"Glaubst du wirklich, dass ich das jetzt zulassen würde?"
"Du hast es damals zugelassen."
Erstaunt und etwas ungläubig blickte ich ihn an. Wieso zog er den Vergleich zwischen jetzt und der Nacht bevor McGuinic bei Schwarz ankam? Egal ob er sich dem bewusst war oder nicht, Crawford hatte ein Thema angeschnitten, dem ich mich noch nicht stellen wollte. Die Wunden, die in den Nächten mit Sasha wieder aufgerissen worden und neu entstanden sind, waren noch zu frisch.
"Es ist nicht so, dass ich dich damals darum angefleht hatte, Crawford."
"Was hätte ich sonst machen sollen?"
Noch bevor ich fragen konnte wie er das meinte, sprach Crawford weiter:
"Du langst halb nackt vor mir auf dem Küchenboden, was hast du gedacht, was ich mit dir machen werden?"
Ganz ruhig, nur nicht überreagieren. Ich atmete tief durch, schloss meine Augen und zählte bis 10. Danach öffnete ich meine Augen wieder, blickte in Crawfords zynisch grinsendes Gesicht und beschloss bis 20 zu zählen.
"Du...verfluchter, kleiner..." Kein Fluch hätte ausdrücken können was ich in diesem Moment für Crawford empfand.
Dieser Bastard lies alles aussehen, als wäre es das natürlichste der Welt gewesen mit mir zu schlafen. Oh, schaut, da liegt Schuldig. Ficken wir ihn bis er nicht mehr auf seinen eigenen zwei Beinen stehen kann. Ich wollte ihm dieses Grinsen mit meiner Faust aus dem Gesicht schlagen, ich wollte mit dem nächst besten Gegenstand so lange einschlagen bis er ohnmächtig vor mir liegt, ich wollte in mit bloßen Händen umbringen. Noch bevor ich zu einem Schlag ausholen konnte, spürte ich Brads Hände, die sich um meine Handgelenke schlossen, und mich erneut gegen die Wand hinter mir drängten.
"Bereust du, was passiert ist, Schuldig? Ich habe es nicht bereut, keine Sekunde davon." Seine Stimme war nicht spottend wie ich es erwartet hatte, Wärme und ein wenig Hoffnung schwangen in ihr mit.
Der Griff um meine Handgelenke war trotz seiner Stärke nicht brutal, Crawford war nicht darauf aus mir weh zu tun oder mich zu verletzen.
"Ich weiß nicht. Sollte ich?"
Seine Hände schlossen sich um mein Gesicht und zwangen mich ihn anzublicken.
"Diese Nacht, Schuldig, sehe ich als ein Geschenk. Ich hätte schon viel eher mit dir schlafen können, mit oder gegen deinen Willen; ich hätte mir das genommen was ich wollte und es wäre mir egal gewesen."
Ich erhaschte einen Bruchteil seiner Gedanken oder besser gesagt seiner Erinnerung: Es war der Moment vor 7 Jahren als ich aus dem Flugzeug gestiegen bin und er mich das erste mal sah. In seinen Augen sah ich zu dünn, krank und viel zu jung für einen Job wie den eines Killers aus. Und dennoch wunderschön.
"Du hättest--"
"Ich habe es nicht getan, weil du mir nie egal warst", unterbrach er mich.
"Bastard."
Ich benutzte das Wort relativ häufig seit er wieder in Tokyo war, doch diesmal schwang Humor, den auch er hörte, in meiner Stimme mit.
Noch während ich über das, was in den letzten Minuten gesagt wurde, nachdachte, schloss mich Crawford in seine Arme. Für einen Moment spannte sich jeder Muskel in meinem Körper an. Es war schwierig für mich geworden die Nähe von jemanden zu akzeptieren. Sasha hatte tiefere Spuren hinterlassen, als mir bewusst gewesen war. Crawford spürte ebenfalls diese Veränderung.
"Hattest du Angst?"
"Vor ihm? Nie."
Ich spürte wie sich seine Lippen zu einem leichten Lächeln verzogen.
Lügner. Das Wort lag unausgesprochen zwischen uns im Raum.
"Es ist dein Verdienst, dass er tot ist."
Brads Worte klangen, als ob mich davon überzeugen müsste, dass dies die ultimative Wahrheit zu allem war, was Sasha, oder vielmehr seinen Tod, betraf.
"Es war nicht mein Verdienst, Brad."
"Schuldig, du hast--"
"Du hast mir den Weg gezeigt, Crawford, ich habe diesen Weg beschritten und Nagi ist nie von deiner Seite gewichen. Manche Kriege kann man nicht allein gewinnen und das weißt du."
"Genauso wenig wie man sie allein verlieren kann", flüsterte er leise.
Seine Finger spielten mit einer meiner Haarsträhnen. Für einen kurzen Augenblick musste ich mich daran erinnern, dass es Brad und nicht Sasha war, der mich in seinen Armen hielt. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich auf den Körper, auf seinen Atem, der regelmäßig über meinen Hals strich und diesen Geruch, der so einmalig war und den ich mehr vermisst hatte, als mir bewusst war.
Es war anders als mit McGuinic, es fühlte sich gut an. Crawford war sicher kein hoffnungsloser Romantiker, der mich für den Rest seines Lebens auf Händen tragen würde und mir jeden Tag Rosen schenkt. Er war, wie ich auch, ein Killer. Er war ein Mann, der wusste was er wollte und wie er es erreichte, ohne dabei irgendwelche Hindernisse zu scheuen.
Und das war genau dass was ich brauchte. Wo ich unsicher war, stand er für Entschlossenheit. Wo ich nicht weiter wusste, führte er mich zu meinem Ziel. Wo ich zu viel nachdachte, handelte Crawford. Er bot mir den Halt, den ich verloren hatte. McGuinic war meine Vergangenheit, Schwarz und damit auch Crawford waren meine Zukunft.
Ich war etwas überrascht, als er mich plötzlich küsste. Es war eigentlich kein richtiger Kuss, seine Lippen legten sich für einen kurzen Augenblick auf meine, bevor er sein Gesicht erneut in meinen Haaren vergrub.
Meine Gedanken überschlugen sich in diesem Moment. Crawford hatte mich benutzt und mir gleichzeitig seine Gefühle gestanden. Er hatte mir Vertraut und dennoch allein für sich gehandelt. Er hatte mich meinem Schicksal überlassen ohne auch nur einmal etwas dagegen zu unternehmen. Konnte ich ihm verzeihen? Dachte er wirklich, dass wir einfach dort weitermachen könnten, wo wir aufgehört hatten?
Und als ich hier an die Wand gelehnt stand, meinen Kopf auf seine Schulter legte und spürte wie der Arm um meine Hüfte mich noch ein Stück enger an ihn zog, wusste ich, dass ich keine andere Wahl hatte als ihm zu verzeihen.
Ich hatte eine Schwäche, die mir jeglichen eigenen Willen raubte: Er war meine Schwäche. Brad Crawford hatte mehr Bedeutung in meinem Leben, als es McGuinic je hatte. Sasha hat mich verletzt, mein Inneres nach Außen gekehrt und mich immer wieder aufs Neue gedemütigt, aber er hatte nie die Macht mich zu brechen. Crawford hingegen schaffte es ohne sich darüber bewusst zu werden. Er tat es einfach mit einer Umarmung, einem Kuss, mit dieser sanften Gewalt. Mein Leben lag bereits in seinen Händen, mein Körper war sein. Und es fehlte nicht mehr viel und meine Seele würde ebenfalls ihm gehören. Er war wie der Teufel: Wenn man ihm vertraute, büßte man für ewig, aber vielleicht sollte es mir durch ihn gelingen diesen längst vergangenen Schmerz erneut zu vergessen.
~~Owari~~
/1/ Sorry, ich konnte nicht widerstehen. Ich kann mich bei diesem crawfordschen Lichtspielen ohne Ende amüsieren.
/2/ Nagi ist eigentlich der einzige der Schuldigs Gefühle auf den Punkt bringt. Etwas sonderbar, vielleicht, aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass jemand wie Schuldig in feurige Liebesgeständnisse ausbricht.
PS: (allein für Ogon) War kein Problem, dass es 'nen Tag später kam, ich bin dir auf jeden Fall dankbar, dass du das betan übernommen hast. Übrigens ist Finis lateinisch (zugegeben, ich wäre auch nicht drauf gekommen, wenn ich's nicht wissen würde ^^" *mit klugscheißern aufhört*), habs aber einfach mal in owari umbenannt, was den meisten geläufiger sein dürfte.