Weiss Kreuz Fan Fiction ❯ A price to pay ❯ Das Angebot ( Chapter 5 )
Das Angebot
Aya betrat das Krankenhaus mit gemischten Gefühlen. Er hatte einen reichlich aufgekratzten Omi zurückgelassen, aber nach einem weiteren Gespräch beim Frühstück war er sich sicher, dass der Junge das kurze Liebesabenteuer gut überstanden hatte. Sie würden Freunde bleiben, auch wenn er mit Sicherheit noch für einige Zeit Schwierigkeiten haben dürfte die Ereignisse der vergangenen Nacht zu vergessen.
Er wollte es sich nicht im vollen Umfang eingestehen, aber irgendwie hatte er es genossen sich für einen Augenblick geliebt zu fühlen. Das warme Gefühl von Geborgenheit hatte ihn die ganze Nacht nicht verlassen, so verrückt es ihm auch vorkam sich in den Armen des Jüngeren geborgen zu fühlen. Aber er hatte die Einsamkeit gewählt, um eine Freundschaft nicht zu gefährden, die ihm mehr bedeutete als er jemals zugeben würde. Und solange seine Schwester ihn brauchen würde, gab es für ihn auch keinen Weg aus dieser selbstgewählten Isolation.
Aya ging langsam den Gang hinunter zum Zimmer seiner Schwester, als er sich an seine Begegnung mit Schuldig erinnerte. Was hatte der Telepath eigentlich von ihm gewollt? Er erinnerte sich, dass dieser ihm etwas von helfen gesagt hatte. Und dann dieses zweideutige Grinsen und diese eindeutigen Komplimente. Aya schüttelte sich angewidert und zuckte dann erschrocken zusammen.
Fast erwartete er den rothaarigen Telepathen auf dem Gang anzutreffen, doch der ließ sich nicht blicken. Er ging langsam weiter und mit jedem Schritt, mit dem er dem Zimmer seiner Schwester näher kam, steigerte sich seine Unruhe. Schuldig konnte genauso gut dort auf ihn warten. Aya beschleunigte seine Schritte, zögerte dann kurz an der Tür, um sie dann leise zu öffnen. Alles war unverändert. Seine Schwester lag schlafend im Bett, das Piepsen des Herzmonitors das einzige Geräusch, dass die Stille beinahe schmerzhaft durchbrach. Aya nahm sich einen Stuhl und setzte sich.
"Hallo Aya, wie geht es dir heute? Ich sehe, dass dir die Schwestern wieder Zöpfe geflochten haben. Heute haben sie rote Bänder genommen, es sieht wirklich hübsch aus."
Er schwieg, als erwartete er eine Antwort, von der er wusste, dass sie nicht kommen würde. Statt dessen antwortete jemand anders.
"Was ist es dir wert ihre Antwort zu hören?"
Aufstehen, herumwirbeln und den Stuhl dabei wie eine Waffe über den Kopf schwenken war für den rothaarigen Killer eine einzige fließende Bewegung. Beeindrucken konnte er den Telepathen damit allerdings nicht. Dieser lehnte sich mit dem Rücken an die wieder geschlossene Tür und verschränkte lässig die Arme. Ein breites, zufriedenes Grinsen lag auf seinem Gesicht.
"Hübscher Bauchnabel."
Aya zuckte zusammen und blickte an sich herunter. Sein Shirt war hochgerutscht und ermöglichte Schuldig frei Sicht auf einen schmalen Streifen Haut. Schnell stellte er den Stuhl wieder zurück und senkte die Arme. Zu seinem Missfallen gab der Telepath einen sehr enttäuschten Seufzer von sich.
"Spielverderber."
Schuldigs breites Grinsen blieb wo es war, es wurde sogar noch erfreuter, als er die leichte Röte bemerkte, die Ayas Wangen nun färbte. Die turbulenten Gedanken und Emotionen, die er von dem jungen Mann vor ihm empfing, ließen ihn beinahe vergessen, warum er ihn hier aufgesucht hatte. Aber die Mischung aus Wut und Verwirrung war einfach zu köstlich, um sie zu ignorieren.
"Was willst du hier?"
Die kalte Stimme seines Feindes holte Schuldig unsanft in die Realität zurück. Nachsichtig lächelnd, als hätte er es mit einem kleinen Kind zu tun, schüttelte der Telepath den Kopf.
"So ungeduldig, mein hübscher Kater? Kannst du dir nicht denken, was ich dir zu bieten habe?"
"Ich habe kein Interesse dran, was du mir *zu bieten* hast. Verschwinde und lass mich endlich in Ruhe."
"Aber nicht doch, wer wird denn gleich an so was denken? Ich muss schon sagen, Abyssinian, du hast wirklich eine äußerst anregende Fantasie."
Das aufreizende Grinsen war, sehr zu Ayas Ärger, wieder zurück. Dann wurde der Deutsche plötzlich ernst.
"Ich muss allerdings zugeben, dass du nicht ganz unrecht hast mit deiner Vermutung. Doch ich werde es dir überlassen, ob du auf mein Angebot eingehst oder nicht."
"Verschwinde."
Unbeeindruckt lehnte Schuldig sich wieder entspannt zurück.
"Wie? Ich soll einfach so verschwinden? Interessiert es dich denn kein bisschen, was aus deiner Schwester wird? Die Ärzte haben sie bereits aufgegeben, das weißt du doch. Nur du glaubst noch daran, dass sie aufwachen wird."
Ayas Reaktion bestand darin, dem Deutschen den Rücken zuzudrehen und sich wieder neben das Bett seiner Schwester zu setzen. Er konnte hören, wie der Telepath mit langsamen Schritten auf ihn zukam und dann legte sich eine Hand vorsichtig auf seine Schulter. Er erschauerte, als er den heißen Atem des Deutschen plötzlich an seinem Ohr spürte.
"Ich kann sie aufwecken."
Schuldig spürte, wie sich der schlanke Körper verspannte und ging sicherheitshalber wieder einen Schritt zurück. Er bezweifelte zwar, dass der junge Mann ihn angreifen würde, aber er wollte doch lieber kein Risiko eingehen. Eine kurze Überprüfung der Gedanken zeigte ihm allerdings etwas ganz anders. Er verzog unwillig das Gesicht, als er die Bilder wiedererkannte. Ein Haus das explodierte; ein kleiner Körper, der durch die Luft flog und hart landete; ein Krankenwagen, der ein junges Mädchen ins Krankenhaus brachte; Ärzte die mit dem Kopf schüttelten. Der unglaubliche, herzzerreißende Schmerz, der diese Bilder begleitete raubte dem Telepathen die Luft.. Nur mit Mühe gelang es ihm die Verbindung zu unterbrechen.
Verärgert darüber am selben Tag von der selben Person zweimal von derart unangenehmen Emotionen und seelischem Schmerz überflutet zu werden lag dem Telepathen bereits eine entsprechende Bemerkung auf der Zunge. Aber ein kurzer Blick in das Gesicht des jungen Mannes belehrte ihn eines besseren. Ein beinahe wissendes, triumphierendes Lächeln spielte um dessen Lippen. Schuldig schnaubte verächtlich durch die Nase.
"Wenn du glaubst, mich durch ein paar negative Emotionen loszuwerden, vergiss es. Ich bekomme immer was ich will. Egal, was es mich kostet. Also denk über mein Angebot nach. Deine Schwester oder dein Stolz, was ist dir mehr wert?"
"Was willst du genau von mir?"
Schuldig grinste.
"Oh, will da jemand über den Preis verhandeln? Aber nicht doch. Ich will dich, für eine Nacht von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang. Nicht mehr und nicht weniger. Dafür bekommst du deine Schwester zurück und das für immer. So hoch ist der Preis doch gar nicht. Eine Nacht gegen ein ganzes Leben."
Aya wandte dem Telepathen wieder den Rücken zu. Stille breitete sich wieder in dem kleinen Zimmer aus. Schuldig wartete auf eine Reaktion, aber Aya rührte sich nicht.
"Hör zu Abyssinien, auch meine Geduld hat irgendwann ein Ende. Aber ich gebe zu, so eine Entscheidung sollte man nicht übers Knie brechen. Ich gebe dir eine Woche Bedenkzeit. Dann erwarte ich eine Antwort."
Zu seinem großen Missfallen ignorierte ihn Aya noch immer.
"Ich lasse euch zwei jetzt alleine. Wir sehen uns in einer Woche wieder, mein kleiner Kater."
Aya hörte wie die Tür geöffnet wurde und jemand das Zimmer verließ. Dann atmete er langsam aus, überrascht darüber, dass er die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Vorsichtig griff er nach der Hand seiner Schwester und streichelte sie sanft.
"Was soll ich nur tun? Was soll ich nur tun, Aya? Ich bin ein Killer geworden, um dich zu rächen. Ich habe meine Seele verkauft, um dich zu beschützen. Soll ich jetzt auch noch meinen Körper hergeben, um dich zu retten?"
Er ließ den Kopf hängen und seine Schultern sackten nach unten.
"Und was wirst du dann von deinem großen Bruder denken, wenn du aufwachst und es erfährst?"
*
================================================================ =======
*
Youji betrat die Küche und fand einen hyperaktiven Omi vor, der eifrig dabei war irgendetwas zu kochen.
"Hey, Kleiner, wie war es denn so mit unserem furchtlosen Anführer so ganz alleine?"
Omi ließ vor Schreck einen Teller fallen, der klirrend auf dem Boden in tausend Scherben zerbrach. Youji grinste leicht in sich hinein und bemerkte nicht, wie sich die Wangen des Jungen rot verfärbten.
"Für einen Killer bist du aber sehr schreckhaft. Was gibt es denn zu essen?"
Bevor der blonde Playboy sich versah, schlug ihm sein junger Teamkollege energisch auf die Finger und scheuchte ihn mit einer Handbewegung vom Herd weg.
"Hier wird nicht genascht. Und ich bin nicht schreckhaft. Und außerdem, nenn mich nicht Kleiner. Ich werde bald 18."
Youji lachte schallend auf. Omi stand mit blitzenden Augen und noch immer leicht geröteten Wangen vor ihm, die Fäuste in die Hüften gestemmt. Freundschaftlich struwelte er dem Jungen durch die Haare.
"Wie du meinst, aber wenn du bis dahin nicht mindestens einen halben Meter wächst bist du immer noch mein Kleiner."
"Verschwinde Youji, ich rufe schon, wenn das Essen fertig ist. Und du solltest dich umziehen. Manx hat angerufen, dass sie heute noch vorbeikommt. Wir haben wieder eine Mission."
Mit einem gespielten Aufstöhnen griff sich der Ex-Detektiv ans Herz.
"Warum kann diese entzückende Fee nicht einmal vorbeikommen, um mit uns einen gemütlichen Abend zu verbringen."
"Wahrscheinlich hat sie keine Lust darauf, den ganzen Abend deine dummen Sprüche zu hören.", fauchte ihn Omi aufgebracht an.
Verdutzt zog Youji eine Augenbraue hoch.
"Sag mal, Omi. Ist alles in Ordnung? So kenn ich dich ja gar nicht. Hat sich Aya danebenbenommen? Was hat der herzlose, gefühlskalte Kerl angestellt?"
Der junge Killer drehte sich abrupt um. Er spürte wie seine Wangen heiß wurden und das sollte Youji nun wirklich nicht sehen.
"Nichts. Er hat gar nichts gemacht. Es ist nur, ich wollte mich heute Abend mit ein paar Freunden treffen und mir passt es auch nicht, dass Manx kommt."
Zu seiner Erleichterung hörte Omi wie Youji leise lachte.
"Und da habe ich immer gedacht, du bist so arbeitswütig, dass du es nicht bis zur nächsten Mission erwarten kannst. Du überrascht mich immer wieder."
Noch immer leise lachend verließ Youji die Küche. Omi seufzte erleichtert auf und wandte sich dann wieder dem Herd zu.
*
================================================================ =======
*
Das Licht im Missionsraum war gedämpft, als das Video anlief. Die schattenhafte Gestalt Persias flackerte kurz und dann schilderte er mit ruhiger Stimme den Auftrag.
"Die Nachrichten berichten davon, dass in den letzten Tagen Menschen plötzlich zu Killern werden. Es wird vermutet, dass eine neue Droge dahinter steht, aber bislang konnten dafür noch keine Beweise gefunden werden. Das einzige, was alle Fälle gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass sie wie in einem Rausch wahllos töten. Weiß, Jäger der Nacht, jagt die Schatten und beendet diesen Wahnsinn."
Damit endete das Video und Manx schaltete das Licht wieder ein. Aufmerksam blickte sie in die Runde.
"Nun?"
Omi räusperte sich.
"Ich habe davon in den Nachrichten gehört. Der erste Fall ereignete sich in einer Schule in Okinawa. Ein Junge drehte plötzlich mitten im Unterricht durch und schlug eine Mitschülerin mit einem Stuhl nieder. Zum Glück konnte er vom Lehrer überwältigt werden, bevor noch mehr geschah. Das Mädchen war aber so schwer verletzt, dass es nicht überlebt hat. Es heißt, dass der Junge etwas später im Krankenhaus an Herzversagen gestorben ist. Ein weitere Fall ging nicht so glimpflich aus. Eine Praktikantin in einem Kindergarten hat mehrere Kinder angegriffen. Drei Kinder starben dabei und mehrere andere wurden schwer verletzt. Das Mädchen wurde festgenommen und ist dann auf der Polizeistation in der Zelle gestorben. Ebenfalls an Herzversagen."
Manx nickte.
"Richtig. In den letzten 8 Tagen hat es insgesamt 5 Fälle dieser Art gegeben. Zwei davon in einer Schule, einer in diesem Kindergarten und zwei weitere geschahen in einem Park. Allen Fällen ist gemeinsam, dass die Vorfälle ohne jegliche Warnung stattfinden und dass die Killer einige Stunden später an Herzversagen sterben. Außerdem schienen alle plötzlich über unglaubliche Körperkräfte zu verfügen. Bei einem Vorfall im Park hat der Killer eine Parkbank aus der Verankerung gerissen, um sie als Waffe einzusetzen. Alle Killer kommen aus normalen Verhältnissen und waren noch nie irgendwie auffällig geworden. Es wurden auch keine Hinweise auf irgendwelche Drogen in ihrem Blut gefunden. Jedenfalls keine Hinweise auf bekannte Drogen. Wir vermuteten, dass es entweder eine unbekannte Droge ist oder eine Art hypnotische Beeinflussung, ähnlich wie bei dem Fall mit dem verrückten Musiker."
Omi verzog das Gesicht.
"Ich erinnere mich. Die Schwingungen der Musik machten die Leute verrückt. Aber das war anders. Die Jugendlichen haben sich selber getötet und nicht andere. Und außerdem ist der Kerl tot."
"Nehmt ihr den Auftrag an?"
Abwartend blickte Manx in die Runde. Aya und Omi nickten nur kurz als Antwort.
"Das hatte ich nicht anders erwartet. Ken, Youji?"
Der Playboy schlenderte lässig zu der rothaarigen Kritikeragentin und legte ihr einen Arm um die Schultern.
"Natürlich bin ich dabei. Wir können doch nicht zulassen, dass da jemand den Park unsicher macht und die ganzen Liebespaare erschreckt. Übrigens, was hältst du von einem kleinen Spaziergang?"
"Ich bin dabei. Wenn ich mir ausmale, dass so etwas passiert, während ich meine Jungs trainiere, ich will lieber gar nicht daran denken."
Manx wand sich geschickte aus Youjis Umarmung und nickte Ken dann zu.
"Hier sind noch weitere Informationen. Wenn ihr noch was braucht, lasst es mich wissen."
Damit verteilte sie einige Umschläge und machte sich auf den Weg zurück.
"Und was wird jetzt aus unserem Spaziergang, Manx?"
"Youji, ich glaube, dass ich sicherer bin, wenn ich alleine spazieren gehe."
Sie ging die Wendeltreppe nach oben und konnte ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken, als sie hörte, wie Youjis enttäuschtes Gemurmel in Ken und Omis Lachen unterging.
"Wieso versuchst du es denn immer wieder, Youji?"
Der blonde Playboy warf Omi einen verschmitzten Blick zu.
"Irgendwann wird sie meinem Charme erliegen, da bin ich mir ganz sicher. Lass dir das von einem erfahrenen Verführer sagen, Omi. Man darf niemals aufgeben."
Kopfschüttelnd und noch immer leise kichernd schaltete Omi den Computer an und begann Daten einzugeben.
"Kuodo, hör mit dem Unsinn auf. Wir haben eine Mission, auf die wir uns konzentrieren müssen."
Youji verdrehte die Augen und seufzte gequält auf.
"Also wirklich, Aya. Es gibt auch noch anderes als Missionen und wenn sich einem die Gelegenheit für ein bisschen Ablenkung bietet, sollte man sie ergreifen."
Die einzige Antwort die er von seinem rothaarigen Teamgefährten darauf erhielt war ein eisiger Blick.
"Wir haben morgen Frühschicht, Kuodo."
Damit verließ Aya den Missionsraum.
"Das sollte wohl soviel heißen wie: Und wenn du nicht pünktlich erscheinst, jage ich dich mit meinem Katana aus dem Bett."
Ein weiterer tiefer, gequälter Seufzer rang sich aus Youjis Brust.
"Wenn das so ist, werde ich mal schlafen gehen. Und du bleib nicht die ganze Nacht auf, Kleiner. Du hast morgen Schule."
"Ja, ja.", kam es abwesend von Omi, der gebannt auf den Bildschirm starrte. Ken nickte Youji beruhigend zu.
"Ich sorg schon dafür, dass er spätestens um Mitternacht in der Falle liegt. Du sorgst besser dafür, dass du morgen wirklich mal pünktlich im Laden bist."
Lachend verschwand auch Youji über die Wendeltreppe nach oben. Ken wandte sich dann seinem jungen Teamgefährten zu, der konzentriert am Computer saß und in rasendem Tempo auf der Tastatur rumhackte.
"Soll ich dir einen Kaffee machen, Omi?"
Er erhielt keine Antwort.
"Omi? Möchtest du einen Kaffee?"
Noch immer keine Antwort. Ken stand auf und trat neben seinen Freund. Auf dem Bildschirm war eine aktuelle Meldung über einen weiteren Vorfall aufgetaucht. In einer Disko waren zwei Mädchen gewalttätig geworden und hatten mit Flaschen auf andere Besucher eingeschlagen. Es hatte einige Tote und sehr viele Schwerverletzte gegeben. Wieder schien es keine Ursache für das plötzlich aggressive Verhalten zu geben.
"Das sind jetzt 6 Fälle dieser Art in nur 8 Tagen. Wer auch immer dahinter steckt hat entweder die Kontrolle verloren oder er hat es eilig."
Ken zog überrascht eine Augenbraue hoch.
"Wie kommst du darauf?"
Omi kaute nervös auf seiner Unterlippe.
"Denk doch mal nach, Ken. Wenn du vorhättest aus normalen Menschen Killer zu machen, dann wäre doch das letzte, was du gebrauchen könntest, jemanden auf dieses Vorhaben aufmerksam zu machen. Und genau das passiert eben. Es gibt auch keine bestimmte Zielgruppe für die Angriffe. Die Fälle stehen in keinem sichtbaren Zusammenhang. Und es sind immer unterschiedliche Orte und Situationen. Das ergibt alles keinen Sinn."
"Dieser Verrückte mit seiner Musik wollte sich einfach nur rächen. Vielleicht handelt es sich hier um ein ähnliches Motiv."
Omi schüttelte energisch den Kopf.
"Nein, ich glaube nicht. Er hatte es auf Jugendliche abgesehen. Er hatte eine bestimmte Zielgruppe, aber hier ist es anders. Es wurden Schüler angegriffen, dann Kleinkinder und schließlich sogar Erwachsene im Park. Auch das Alter der Killer ist unterschiedlich. Beim ersten Vorfall in der Schule handelte es sich um einen 16jährigen Schüler, bei dem Vorfall im Park war es ein 39jähriger Bankangestellter. Die beiden Mädchen in der Disko waren über 20. Ich dachte erst, dass die Killer immer älter werden, aber dieser letzte Fall schmeißt auch diese Theorie über den Haufen."
"Wie auch immer, Omi. Ich glaube nicht, dass du heute Abend noch eine Lösung findest. Du solltest ebenfalls in Bett gehen."
Der blonde Killer schüttelte verneinend den Kopf, gähnte dann aber herzhaft.
"Ich brauche nur einen Kaffee. Machst du mir einen?"
Ken warf seinem Freund einen freundliches Lächeln zu, dann verließ er den Missionsraum um kurz darauf mit einer Tasse Kaffee und einem belegten Brot wiederzukommen.
"Hier, ich habe dir ein Brot mitgebracht, falls du später Hunger bekommst.
"Danke, Ken."
Ein dankbares Lächeln huscht über Omis Gesicht, als er nach der Tasse griff und dann hörte man wieder flinke Finger auf der Tastatur rumhämmern. Ken beobachtete ihn geistesabwesend und dachte über Omis Schlussfolgerungen nach. Dann öffnete er den Umschlag mit den Unterlagen.
"Schau mal, Omi. Hier ist eine Karte mit den eingezeichneten Tatorten."
"Ken, ich sagte schon, dass es keine Übereinstimmung zwischen den Orten gibt."
"Omi, die Tatorte ergeben einen Kreis. Hier, sieh es dir an. Ich habe den letzten eingezeichnet und der Kreis ist geschlossen."
Der blonde Computerexperte warf einen Blick auf die Karte, die offensichtlich von der Polizei erstellt worden war.
"Okay, die Tatorte ergeben einen geschlossenen Kreis. Und wie soll uns das weiterhelfen? Fangen die jetzt einen neuen Kreis an oder ist die Serie abgeschlossen?"
Ken runzelte nachdenklich die Stirn.
"Weißt du, es hört sich vielleicht blöd an, aber ich habe als Kind immer gerne diese Bilder ausgemalt, wo man Punkte verbinden musste. Vielleicht ergibt sich ja irgendein Muster, wenn wir mal genau nachsehen, was an den Tatorten passiert ist. Du weißt schon, wer war beteiligt, Geburtsdaten, Tageszeiten, Anzahl der Opfer."
"Das hört sich wirklich verrückt an. Also gut. Der erste Vorfall war..."
Omi verließ seinen Platz am Computer und beide machten sich daran, alle verfügbaren Daten auf der Karte zu verzeichnen. Als sie damit fertig waren stand Ken auf und lief nachdenklich auf und ab.
"Da ist was, was mich schon die ganze Zeit stört. Ist dir aufgefallen, dass es nie mehr als drei Tote gegeben hat? Es gab zwar bei einigen Vorfallen einige Schwerverletzte, aber nie mehr als drei Todesopfer."
"Wie meinst du das?"
"Es ist einfach seltsam. Da werden normale Menschen plötzlich zu übermenschlich starken Killermaschinen und trotzdem überschreitet die Anzahl der Opfer niemals die 3. Man sollte doch meinen, das in so einem Fall, wenn jemand total die Kontrolle verliert, mehr Opfer zu beklagen wären, oder?"
Omi riss entsetzt die Augen auf und stellte mit etwas zu viel Schwung seine Kaffeetasse ab.
"Ken, wir können froh sein, dass es nur so wenige Opfer gegeben hat. Und insgesamt 12 Todesfälle sind doch wohl genug, oder?"
"Ich hole Aya und Youji, vielleicht haben die ja noch andere Ideen."
Damit verschwand der Ex-Profifußballer, um nur Augenblicke später mit den anderen beiden Teammitgliedern wiederzukommen. Beide betrachteten die Karte. Omi bemerkte, dass der Ex-Detektiv die Polizeiberichte aufmerksam studierte.
"Okay, nie mehr als drei Opfer, das ist richtig. Der erste Vorfall ein Opfer, beim Zweiten waren es drei Tote und beim Dritten nur zwei. Dann gab es wieder drei Tote, ein Toter und zum Schluss wieder zwei. Markier die Punkte der ersten drei Vorfälle in einer anderen Farbe als die letzten drei. Vielleicht ergibt es dann ein anderes Muster."
Omi schnappte sie ein Lineal und zeichnete die Linien auf der Karte ein.
"Das ergibt ein Pentagramm, Youji. Die ersten drei Fälle ergeben ein Dreieck mit der Spitze nach oben und die anderen drei Fälle ein Dreieck mit der Spitze nach unten. Und alle Spitzen zusammen ergeben einen Kreis."
Betretenes Schweigen erfüllte den Missionsraum. Aya fand als erster die Sprache wieder.
"Dann haben wir es hier wohl mit irgendeiner okkulten Gruppe zu tun. Fragt sich nur, was sie als nächstes machen und vor allem wo."
"Morgen Nacht ist eine Mondfinsternis. Und ich möchte wetten, dass die dann in der Mitte des Pentagramms eine Zeremonie abhalten werden."
Überrascht blickten alle auf den brünetten Ex-Fußballer, der vor Verlegenheit rot wurde.
"Was denn? Einer meiner Jungs hat mir von der Mondfinsternis erzählt. Seine Eltern haben ihm verboten so lange aufzubleiben um sie zu sehen."
Damit verschränkte Ken die Arme vor der Brust und funkelte leicht verärgert in die lachenden Gesichter von Youji und Omi.
"Wir wissen immer noch nicht, wie sie die Opfer zu Killern gemacht hat und wie."
Ayas tiefe Stimme beendete diesen kurzen zwanglosen Moment schnell und brachte das Team dazu sich wieder auf die Karte und die Unterlagen zu konzentrieren. Jeder begann Vermutungen zu äußern, verschiedenste Möglichkeiten wurden in Betracht gezogen, aber letztendlich mussten sie aufgeben. Keiner der Spontan-Killer, wie Ken sie nach einiger Zeit zu nennen begann, hatte irgendeinen nachweislichen Kontakt zu einer okkulten Sekte, Satanisten oder magischen Zirkeln. Keiner der Spontan-Killer hat Kontakt mit der Drogenszene und es ließen sich auch keine Hinweise auf mögliche Geisteskrankheiten finden.
"Was auch immer der Grund ist. Heute Abend finden wir ihn jedenfalls nicht mehr. Außerdem bin ich zu müde zum denken. Ich gehe ins Bett."
Youji erhob sich gähnend und verschwand über die Wendeltreppe. Aya folgte ihm kurz darauf und so blieben Ken und Omi zurück.
"Komm schon, Omi. Du musst morgen in die Schule. Geh auch schlafen."
Ken sah zu seinem Freund hinüber. Omi hing vornüber gebeugt vor dem Computer und sein Kopf war auf einen Arm gesunken. Ken schlich sich leise näher und stellte schnell fest, dass der blonde Junge tief und fest schlief. Ein liebevolles Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er seinen Freund so friedlich schlafend vor sich sah. Dann beugte er sich vorsichtig über ihn und nahm ihn auf den Arm.
"Ab ins Bett mit dir, Kleiner.", flüsterte er leise. "Wir können morgen die Welt retten."